Unsicherheit

Immobilien­branche spürt Krisen

Zinswende, Lieferkettenunterbrechungen, Krieg und Energieversorgungsprobleme verunsichern die Immobilienmärkte. Banken ließen Vorsicht walten, zusätzlich beeinflusst von der Regulatorik.

Immobilien­branche spürt Krisen

fir Frankfurt

Die deutschen Immobilienfinanzierer spüren die durch die verschiedenen Krisen und die Zinswende verursachten Unsicherheiten, sind aber noch einigermaßen guter Dinge. Ein „Cocktail“ aus ­Lieferkettenproblematik, Ukraine-Krieg, Energieknappheit und Zinswende führe in die Rezession und bringe jede Menge Verunsicherung mit sich, sagte Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft am IREBS Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg sowie Leiter der IREBS Immobilienakademie, am Mittwoch anlässlich der Präsentation des „German Debt Project 2022“ auf der Expo Real in München.

Zudem belaste die Zinswende die Bewertungsseite unmittelbar und somit anders als in der Corona-Pandemie, als eher ein diffuses Unsicherheitsgefühl vorgeherrscht habe. Den Zinsanstieg bezeichnete er als sehr harten Einschnitt, als Veränderung der fundamentalen Variablen der Immobilienbewertung, weshalb eine Neubewertung nötig sei. Er konstatierte aber auch: „Wir haben eine fundamentale Verschiebung der Größen, aber keine Stimmungsveränderung.“ Diese ist seines Erachtens aktuell noch nicht virulent, kann aber noch hinzukommen.

Just gab einen Einblick in die Er­kenntnisse, die er mit seinem IREBS-Forscherkollegen Simon Wiersma in der zehnten Auflage des IREBS German Debt Project über die Entwicklungen auf den gewerblichen Immobilienfinanzierungsmärkten hierzulande gewonnen hat. Grundlage sind Auswertungen von Daten und von 21 Interviews mit Vertretern finanzierender Banken.

Banken vorsichtig

Die Finanzinstitute ließen in der aktuellen Lage Vorsicht walten, er­klärte Just. Das sei auch der Regulatorik geschuldet, die mit den Jahren straffer geworden sei. „Dieses regulatorische Korsett haben die Banken ja schon in den vergangenen Jahren bemerkt durch die Eigenkapitalanforderungen, aber auch durch die Risikopuffer, die zusätzlich auferlegt wurden.“ Bei der Vergabe von Darlehen sei dieses regulatorische Korsett eine Last, für die Finanzstabilität aber eher ein Segen. „Der Vorteil der Regulierung wird uns wahrscheinlich durch die Krise helfen. Aber erst einmal wird er krisenverstärkend wirken.“ Schließlich begünstigen mehr regulatorische Anforderungen die Kreditvergabe nicht. „Wir glauben, dass deshalb in den nächsten Quartalen eher mehr Stress bevorsteht“, sagte Just. „Wir haben noch nicht die Talsohle erreicht.“ Die Rezession stehe zwar bevor, noch sei es aber nicht so weit.

Was die Corona-Pandemie nicht geschafft habe, das Ende des Immobilienzyklus, schaffe die Zinswende. Aktuell sei eine Zäsur zu erleben. Die Frage sei nun, wie hart sie ausfalle. Eine starke Marktaktivität im vergangenen Jahr habe in eine deutliche Abkühlung im zweiten Quartal 2022 gemündet. Das erste Quartal sei sowohl investment- als auch finanzierungsseitig noch sehr stark verlaufen, danach habe eine deutliche Marktberuhigung eingesetzt. Die Hoffnung, dass es im vierten Quartal besser werde, habe sich gelegt.

Neu sei, so Just, dass auch die Assetklasse Wohnen belastet sei. Anders als in der Pandemie, wie er betont, als Retail, Einzelhandel, Büro und Hotellerie belastet gewesen seien. „Das ist die große Veränderung. Denn Wohnen ist mit Abstand die größte Immobilienassetklasse im Land. Hier ist nicht eine Nische wie Hotellerie belastet, hier ist nicht Einzelhandel belastet, von dem man schon vorher wusste, dass es angesichts des Onlinehandels schwierig ist, sondern etwas, das in den vergangenen zwölf Jahren immer im Aufschwung begriffen war.“ Die als einst sicherer Hafen geltende und stärkste Assetklasse könne die gesamte Volkswirtschaft belasten. Und auch bei Logistik gelte, dass der zyklische Höhepunkt überschritten sei. „Hier haben wir einen Cocktail an Verwerfungen, der seit Jahren nicht vorlag. Es ist ein Frühindikator“, sagte Just.

Und obwohl sich die Märkte abgekühlt hätten und teils Preisverfall zu erwarten sei, würden nach seiner Einschätzung Immobilien- und Finanzbranche den Abschwung besser meistern als in der Finanzkrise 2008. Die Volumina an faulen Krediten seien sehr niedrig und die Loans to Value (LTV) lägen nicht über dem langfristigen Durchschnitt.

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