Markt für Gewerbeimmobilien treibt Aufseher um
bn Frankfurt
Die Lage und vor allem die Perspektiven auf dem Markt für Gewerbeimmobilien rufen die Aufsicht auf den Plan. Wie die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht feststellt, lassen Erhebungen erkennen, dass der Markt bereits im zweiten Quartal des vergangenen Jahres in einen Abschwung eingetreten ist.
Eine zunehmende Überbewertung in den vergangenen Jahren habe dabei Raum für „eine deutliche Preiskorrektur“ geschaffen. Zudem deuteten die Indikatoren in ihrer Mehrheit darauf hin, dass die Preise ihren Boden noch nicht erreicht hätten, heißt es mit Verweis etwa auf den vierteljährlich erstellten Sentimentindex RICS Global Commercial Property Monitor, demzufolge die Hälfte der Befragten zuletzt von fallenden Preisen berichtete und rund ein weiteres Fünftel bekundete, die Preise hätten ihr Hoch erreicht (siehe Grafik). Überdies haben sich die Aktivitäten im Sektor in etwa auf die Hälfte ihres langfristigen Durchschnitts beschränkt, was möglicherweise einen weiteren Rückgang der Preise kaschiert, wie die EZB–Finanzstabilitätswächter vorrechnen.
Sie lenken damit die Aufmerksamkeit auf ein Feld des Kreditgeschäfts, das Banken erhebliche Kopfschmerzen zu bereiten vermag – schon die Finanzkrise hatte ihren Ursprung im Immobilienmarkt, wenn auch in dessen Retail-Sektor. Gewerbeimmobilien machen in der Eurozone rund 7% des Exposures der Banken im privaten Nicht-Finanzsektor aus, wobei sich die Niveaus von Land zu Land indes stark unterscheiden, wie die EZB berichtet.
Die Situation auf dem bundesdeutschen Markt beschäftigt auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). So sagte ihr Interims-Präsident Raimund Röseler zuvor auf der Jahrespressekonferenz am Dienstag, natürlich mache man sich um einen Teil des Gewerbeimmobilienmarktes Sorgen. Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sei dies ein Schwerpunkt der Aufsicht, die in diesem Zusammenhang eine mittlere zweistellige Zahl von Werthaltigkeitsprüfungen plane. Anfang Mai hatte die Behörde die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu einem ihrer aufsichtlichen Schwerpunkte im laufenden Jahr erklärt; vom Gewerbeimmobilienmarkt war damals nicht die Rede gewesen.
Ergebnisse divergieren
Die Ergebnisse bundesdeutscher Gewerbeimmobilienfinanzierer divergierten im vergangenen Jahr deutlich. So wies die Aareal Bank infolge einer verstärkten Risikovorsorge zum Jahresende für 2020 nach IFRS einen Verlust von 90 Mill. Euro aus, den ersten Fehlbetrag seit 2005. Beim Münchener Wettbewerber Deutsche Pfandbriefbank (PBB) stand derweil ein Rückgang des Vorsteuergewinns auf 154 Mill. von 216 Mill. zu Buche. Die im Gewerbeimmobiliensegment stark engagierte Helaba wiederum wies in der entsprechenden Sparte einen Vorsteuergewinn von 252 Mill. Euro und damit 2% weniger aus als im Jahr davor.
Wie die BaFin konzediert auch die EZB, dass die Pandemie den Gewerbeimmobilienmarkt unterschiedlich trifft. Zwischen von der Krise am stärksten betroffenen Sektoren wie dem Einzelhandel und weniger beeinträchtigten Segmenten wie Büroimmobilien gebe es starke Unterschiede, hebt die Notenbank hervor. Die Gefahren eines längeren Preisabschwungs aber liegen für die Stabilitätswächter auf der Hand. Da Gewerbeimmobilien oft als Sicherheit für Finanzierungen herangezogen werden, könnte ein deutlicher Rückgang der Preise ihren Befürchtungen zufolge in sinkenden Investments sowie in reduzierten Wirtschaftsaktivitäten von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors resultieren. Eine weitergehende Preiskorrektur dürfte überdies prozyklisches Verhalten im Finanzsystem nach sich ziehen, indem Banken Risiko-Engagements zurückfahren, die Risikovorsorge fällt und sich die Standards für die Vergabe von Krediten verschärfen. Eine Kombination aus geringer Marktliquidität und eines hohen Drucks auf entsprechend ausgerichtete Fonds bei der Rückgabe von Anteilen könnte demnach den Preisrückgang verschärfen, in Notverkäufen resultieren und negative Feedback-Schleifen erzeugen.
Wohnimmobilien verwundbar
Mit Blick auf den Wohnimmobilienmarkt wiederum stellt die EZB fest, dieses Segment könnte sich als verwundbar nach Beendigung staatlicher Pandemiehilfen erweisen. „Vor diesem Hintergrund dürfte der Finanzsektor dem Risiko von Korrekturen im Immobilienmarkt ausgesetzt sein“, heißt im Finanzstabilitätsbericht vor allem über Länder mit erhöhter Verschuldung und hohem Anteil öffentlicher Hilfen am Einkommen der privaten Haushalte.