Patt im Übernahmekampf
Der Waffenstillstand im Übernahmekampf um die Commerzbank läuft mit der Bundestagswahl ab. Angesichts der verhärteten Positionen läuft es auf eine „feindliche“ Übernahme hinaus. Hauptargument gegen eine Übernahme der Commerzbank ist, dass dies den Finanzplatz Deutschland mit seinem altbewährten Drei-Säulen-Bankensystem empfindlich schwächen würde. Insbesondere die für den Konjunkturaufschwung dringend erforderliche Mittelstandsfinanzierung im nationalen Bereich.
Resilienz erhöhen
Folgerichtig setzt die Vorstandsvorsitzende Bettina Orlopp mit der in der vergangenen Woche vorgestellten Strategie „Momentum“ darauf, die Commerzbank resilienter zu machen. Auch die Verfechter eines kapitalmarktdominierten einheitlichen Bankenmarktes haben sich positioniert, indem sie das Ziel der europäischen Bankenunion in den Vordergrund stellen.
Voraussichtlich nach der Bundestagswahl wird ein Angebot aus Mailand auf dem Tisch liegen. Für die freien Aktionäre wird bei der Entscheidung über eine Annahme maßgeblich sein, inwieweit der gebündelte Befreiungsschlag der Commerzbank im Einklang mit ambitionierten Zielkennzahlen, aber auch mit politischen Statements steht.
Fraglich ist jedoch, ob Orlopps Masterplan realisierbar ist. Er stützt sich auf altbekannte Controlling-Tools: einen weiteren arbeitnehmerschonenden Stellenabbau, Gewährung lukrativer Treueboni in Form von hohen Dividendenausschüttungen, Fokussierung zukunftsträchtiger Geschäftsfelder und Mitarbeiteraktien.
Möglicherweise sind die Ziele im aktuell negativen Konjunkturumfeld zu hoch gesteckt. So scheint mit Blick auf die vorgelegten Zielgrößen für das Jahr 2028 beispielsweise die Eigenkapitalrendite von 15% sehr ambitioniert. Diese Zukunftsprojektion soll nach den guten Zahlen für 2024 die Hoffnung auf stetige Gewinnsteigerungen wecken und die Aktionäre zur Treue motivieren. Doch gute Zahlen bewirken auch, dass die Commerzbank immer mehr in den Fokus des Übernahmeinteresses gerät.
Eine andere Abwehrmöglichkeit wären eigene großvolumige Zukäufe, die die Commerzbank gegebenenfalls durch hohe Kreditaufnahmen zu stemmen hätte. Doch diese Strategie schließt Orlopp derzeit aus. Zukäufe sind lediglich im Assetmanagement und im Technologiesektor geplant – und dann auch nur im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Dies wirft die berechtigte Frage auf, ob die Investitionen der Commerzbank helfen, künftigen Marktherausforderungen gerecht werden.
Orcel zeigt auf HVB
Als professioneller Investmentbanker setzt Unicredit-Chef Andrea Orcel dagegen darauf, den Kaufpreis für die Commerzbank niedrig zu halten und möglichst unauffällig zu entrichten. So hält er sich mit Informationen über die Details einer Übernahme diskret zurück. Redseliger wird er dagegen, wenn es um die Schwächen der Commerzbank geht. Um die gravierenden Managementfehler etwa, unter denen das Institut seiner Meinung nach leidet. Oder der im europäischen Vergleich unterdurchschnittlichen Effizienz und Rentabilität. Diese Schwächen lässt sich in Orcels Lesart allein durch die Stärke des südlichen Nachbarn beheben. Als Beleg hierfür zieht er die Hypovereinsbank (HVB) heran, die unter dem Dach seines Konzerns von einem schwächelnden Institut zur Ertragsperle herangereift sei.
Abfindungsangebot von maximal 25 Euro
Doch Orcel weiß auch, dass seine Kriegskasse begrenzt ist. Rund 20 Mrd. Euro ist er bereit einzusetzen. Ob das reicht, um die gegenwärtige Beteiligungsquote von rund 29% auf 100% auszubauen? Bei einer feindlichen Offerte dürfte das Abfindungsangebot angesichts der aktuellen Börsenbewertung von rund 23 Mrd. Euro bei maximal 25 Euro pro Aktie liegen, um die Übernahme erfolgreich zu stemmen.
Das wirft indes die Frage nach der Rentabilität der Übernahme auf. Denn bei einer Komplettübernahme ist es erst recht fraglich, ob die Commerzbank ihre Renditeziele tatsächlich erreicht. So ambitioniert Orlopps Prognosen auch sind, sie liegen zudem teilweise deutlich unter der Performance von Unicredit einschließlich HVB. Daher steht zu befürchten, dass der Zukauf nicht den erhofften Return-on-Invest abwirft.
Bundesregierung ohne Weisungsrecht
Orcel bleibt die Option, sich aus dem Prozess auszuklinken und die Anteile wieder zu veräußern. Zumal bei der Überschreitung der Schwelle von 30% eine Genehmigungshürde durch die Politik ins Spiel kommt. Zwar hat die Bundesregierung im laufenden Inhaberkontrollverfahren kein Weisungsrecht. Doch der Druck der öffentlichen Meinung und der zu erwartende Regierungswechsel stellen schwer kalkulierbare Einflussfaktoren dar.
Unicredit liegt mit Blick auf die Kennziffern zwar vorne, doch die Commerzbank hat mit der neuen Strategie aufgeholt und die Barriere zumindest höher gesetzt. Auch kommt ihr die Rückendeckung von der Arbeitnehmerseite und der hessischen Landesregierung zugute, die sich klar für eine eigenständige Commerzbank positioniert hat. Die politische Unterstützung bleibt somit die wichtigste Trumpfkarte der Commerzbank im Kampf um den Erhalt der Selbständigkeit.
Einspruch nur Ultima Ratio
Ein Eingreifen des Staats wäre jedoch bedenklich. Es verstößt gegen die Wettbewerbsgesetze eines freien Kapitalmarktes, wäre kostspielig und ginge zulasten des Steuerzahlers. Eine Absage an Unicredit durch die neue Bundesregierung wäre daher nur eine Ultima Ratio. Ob Orcel sein Versprechen hält, sich in diesem Fall zurückzuziehen, bleibt fraglich.