Im GesprächRory Doyle, Fenergo

Putins Krieg strapaziert Geldwäschebekämpfer

Der Druck auf Compliance-Abteilungen von Finanzinstituten wächst seit Beginn des Ukraine-Krieges. Finanzkriminalitätsexperte Rory Doyle von Fenergo sieht wachsende Risiken, gegen Sanktionen zu verstoßen. Auch sei ein Anstieg der Terrorfinanzierung zu beobachten.

Putins Krieg strapaziert Geldwäschebekämpfer

Im Gespräch: Rory Doyle

Putins Krieg strapaziert Geldwäschebekämpfer

Sanktions-Compliance fordert Banker zunehmend, beobachtet Manager des Fintech-Einhorns Fenergo – Compliance-Experten und Kriminelle im KI-Wettstreit

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wirkt sich auch auf die Bekämpfung von Finanzkriminalität aus. Das Risiko steigt, dass Banken und Finanzdienstleister gegen sich ständig ausweitende und verändernde Compliance-Vorschriften verstoßen. Und häufig ohnehin strapazierte Ressourcen in den entsprechenden Abteilungen würden zusätzlich belastet, stellt Rory Doyle fest, Head of Financial Crime Policy bei Fenergo. Das in Dublin ansässige Fintech bietet unter anderem Banken und Brokern Dienstleistungen rund um Regulatorik, Compliance und Geldwäschebekämpfung (AML).

Es herrscht weltweit ein Mangel an Anti-Geldwäsche-Experten. Und seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine 2022 ist die Zahl der sanktionierten Personen im westlichen Finanzsystem exponentiell gestiegen.

Rory Doyle, Head of Financial Crime Policy bei Fenergo

„Es herrscht weltweit ein Mangel an Anti-Geldwäsche-Experten. Und seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 ist die Zahl der sanktionierten Personen im westlichen Finanzsystem exponentiell gestiegen“, sagt Doyle im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Das hat zu einem enormen Anstieg der Arbeitsbelastung geführt.“

Immer längere Listen

Die Sanktionslisten der EU und der USA oder anderer Länder wie Kanada wurden und werden ihm zufolge immer länger. Und die sanktionierten Personen müssen ausfindig gemacht und ihre Konten gesperrt werden, Transaktionen sind zu untersuchen und Aufsichtsbehörden sowie Financial Intelligence Units (FIU) zu kontaktieren, die Geldwäsche-Verdachtsmeldungen bearbeiten. All das kostet Zeit und Geld.

Personalintensive Identifizierung

Als insbesondere in Deutschland sehr personalintensiv gelten auch sogenannte Know-your-Customer-Verfahren (KYC). Finanzinstitute sind verpflichtet, die Identität von potenziellen Neukunden und in regelmäßigen Abständen auch von Bestandskunden zu überprüfen. Zwar sei die Zahl der mit KYC-Aufgaben betrauten Bankbeschäftigten im vergangenen Jahr weltweit um 14% gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, hält ein Fenergo-Bericht fest.

106 Tage pro Prüfung

Doch zugleich haben demnach die durchschnittlichen Kosten für eine einzelne KYC-Prüfung um 17% auf 2.600 Dollar zugenommen. In Deutschland liegt der Betrag mit 2.855 Dollar nochmals gut ein Zehntel höher. Im Schnitt vergehen hierzulande 106 Tage bis zum Abschluss einer KYC-Prüfung. Sie dauern damit noch länger als in den anderen in dem Report berücksichtigten Ländern. In den USA beispielsweise sind es 82 Tage. Befragt wurden fast 1.200 Entscheidungsträger in Deutschland, den USA, in Großbritannien, Japan, Singapur und Australien.

Zu 90 Prozent Fehlalarm

Als sehr betreuungsintensiv gelten zudem falsche Treffer im Transaktionsmonitoring, also vor allem bei der Suche nach auffälligen Zahlungen, die mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung im Zusammenhang stehen könnten. „Die Zahl der False Positives, also der Transaktionen, die von IT-Prüfsystemen als potenziell verdächtig markiert werden, liegt im 90-Prozent-Bereich“, sagt Doyle. „Das heißt, neun von zehn Verdachtsfällen sind Fehlalarme.“

Eine Menge Zeit und Geld könne gespart werden, sollte es gelingen, die Zahl der falschen Treffer zu reduzieren. Denn wenn ein Screeningsystem Alarm schlägt, ob berechtigt oder fälschlicherweise, muss sich ein AML-Experte den Vorgang ansehen und nacharbeiten.

Verdächtige Muster erkennen

Abhilfe kann KI schaffen. Sie vermag es, verdächtige Muster zu erkennen, die auf Geldwäsche hindeuten, und obendrein Kosten zu senken. Laut Fenergo-Bericht greift bereits fast jedes zweite Finanzinstitut auf diese Unterstützung im Bereich Analytics zurück. Mehr als 40% der Banken setzen darauf im Fallmanagement sowie in der Verhaltenserkennung und 37% im Reporting.

Abwehrlinien umgehen

Doch die Gegenseite rüstet ebenfalls technologisch auf, um die Verteidigungslinien der Banken zu umschiffen. „Was wir beobachten, ist, dass Geldwäscher und Sanktionsumgeher auch künstliche Intelligenz für ihre Zwecke nutzen“, sagt Doyle. „Gemäß dem in der Geldwäscheabwehr praktizierten risikobasierten Ansatz liegt das Augenmerk auf besonders risikoreichen Situationen“, sagt Doyle. „Geldwäscher werden also versuchen, diese zu umgehen, um nicht entdeckt zu werden.“

Quantencomputing in einigen Jahren im Einsatz

Absehbar ist, dass sich der technologische Wettstreit zwischen beiden Seiten unvermindert fortsetzt. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Quantencomputing in der Geldwäschebekämpfung eine Rolle spielen wird“, prophezeit Doyle. Allerdings sei das noch nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwarten.

Der Gaza-Krieg infolge des barbarischen Terrorangriffs der Hamas auf Israel und die sich allgemein zuspitzende geopolitische Gemengelage hat ihm zufolge auch der Terrorismusfinanzierung einen Schub verliehen. „Wir erleben eine Zunahme“, hält Doyle fest.

Mit Mühe auszumachen

Auch wenn die Volumina im Vergleich mit Geldwäsche und Sanktionsumgehung deutlich geringer seien, so sei Terrorismusfinanzierung erheblich schwieriger auszumachen. „Terrorismusfinanzierung ist nur schwer zu identifizieren“, sagt der Compliance-Experte. „Denn der Unterschied zur Geldwäsche besteht darin, dass sie auch einer legitimen Quelle entspringen kann, z.B. dem Gehalt oder wohltätigen Spenden.“ Auch über Handelsfinanzierung und über den Iran werde der Terror im Nahen Osten genährt.

Was den Zustand der Geldwäschebekämpfung hierzulande angeht, zeigt sich Doyle zuversichtlich. Zwar sei das Thema in der Vergangenheit oft stiefmütterlich behandelt worden, doch hält er Deutschland zugute, darauf adäquat reagiert zu haben.

Neues Bundesamt

Mit dem künftigen Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF), das 2025 die Arbeit aufnehmen soll, werde sich voraussichtlich einiges zum Besseren wenden, so Doyle. In dieses wird unter anderem auch die Financial Intelligence Unit (FIU) integriert, die wegen massenhaft unbearbeiteter Geldwäscheverdachtsmeldungen stark in die Kritik geraten ist.

Ausbau in Deutschland

Positiv wirke sich zudem die geplante, in Frankfurt anzusiedelnde europäische Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA aus, ist sich Doyle sicher, den es in Zukunft häufiger an den Main verschlagen werde, um die Präsenz nach dem jüngsten Markteintritt von Fenergo in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH) zu verstärken. Als Regional Head DACH baut Alexander Hase das Geschäft im deutschsprachigen Raum auf.

Fenergo hat mit einer Marktbewertung von mehr als 1 Mrd. Dollar den Status eines Einhorns. Das Unternehmen, das im Ende März 2022 endenden Geschäftsjahr 113 Mill. Euro Umsatz erzielte, beschäftigt nach eigenen Angaben rund 850 Mitarbeiter an 15 Standorten weltweit.

Der Druck auf Compliance-Abteilungen von Finanzinstituten wächst seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, beobachtet der Finanzkriminalitätsexperte Rory Doyle von Fenergo. Das Risiko nehme zu, gegen die sich häufende Zahl von Sanktionen zu verstoßen. Auch sei ein Anstieg der Terrorfinanzierung zu beobachten.

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