Unicredit wird zum Großakteur in Deutschlands Bankenmarkt
Unicredit stößt Europas Bankenkonsolidierung an
Nach der HVB streckt das Mailänder Institut die Fühler für eine Übernahme der zweitgrößten deutschen Privatbank aus
bl Mailand
Mit dem Einstieg bei der Commerzbank stößt die HVB-Mutter Unicredit womöglich die lange erwartete europäische Bankenkonsolidierung an. Bereits mit dem Erwerb der HypoVereinsbank 2005 hatte das italienische Institut die erste paneuropäische Bank geschaffen.
Es wird erwartet, dass der Erwerb von zunächst 9% der Anteilefür geschätzte 1,3 bis 1,5 Mrd. Euro nur ein erster Schritt ist, dem weitere folgen werden. Wie Reuters aus Finanzkreisen erfahren haben will, hat Unicredit-CEO Andrea Orcel die Commerzbank-Führungsetage bereits am Mittwoch zu Gesprächen über eine Zusammenarbeit eingeladen. Offiziell heißt es aus Mailand: „Jegliche Entscheidung über die Beteiligung wird davon abhängen, ob diese Investition mit den strengen finanziellen Parametern der Unicredit vereinbar ist, die dem Markt klar und deutlich mitgeteilt wurden. Um die Flexibilität zu wahren, wird die Unicredit jedoch bei den zuständigen Behörden gegebenenfalls Anträge auf Genehmigung einer möglichen Überschreitung der Beteiligungsschwelle von 9,9% an der Commerzbank AG stellen“.
Orcel hat seit seinem Amtsantritt im April 2021 sehr strenge Kriterien im Hinblick auf Übernahmen angelegt. Im Herbst des gleichen Jahres hatte er auf eine Übernahme der damals mehrheitlich staatlichen Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) nach mehrmonatiger Prüfung verzichtet. Auch Gerüchte über ein Zusammengehen auf nationaler Ebene mit der Bank BPM, mit der Mediobanca oder der Versicherung Generali dürften nun vom Tisch sein.
Orcel hat stets betont, dass Übernahmen nur dann für ihn in Frage kommen, wenn sie „strategisch sinnvoll“ sind, eine Rendite von mindestens 15% und Synergien bringen. Zuletzt hat Unicredit mehrere Übernahmen getätigt: Dazu gehörten die belgische Digitalbank Aion und die polnische Vodena. Außerdem ist Unicredit bei der griechischen Alpha Bank und einer rumänischen Bank eingestiegen. Das üppige Überschusskapital in Höhe von 6,5 Mrd. Euro (Basel IV) sollte bis 2027 an die Aktionäre ausgeschüttet werden, sollte sich keine Akquisition ergeben. Im März sagte er jedoch: „Ich wäre enttäuscht, wenn die strengen Kriterien der Bank für Übernahmen sie daran hindern würden, wenigstens einen Teil ihres Überschusskapitals für Akquisitionen zu verwenden.“
In der Branche rechnet man fest mit einer weiteren Aufstockung bei der Commerzbank, die zu mindestens der Hälfte aus der üppig gefüllten Kasse finanziert werden könnte. Dabei dürfte die Eigenkapitalquote (CET 1) nicht unter 13,5% sinken. Orcels Vorgänger Jean Pierre Mustier hatte schon vor Jahren Interesse an der Commerzbank und der französischen Société Générale gezeigt.
Orcel hat Unicredit seit seinem Amtsantritt auf Rekordkurs getrimmt. Die Aktionäre erhalten in diesem Jahr Ausschüttungen in Höhe von 10 Mrd. Euro in Form von Dividenden, Zwischendividenden und Aktienrückkaufprogrammen. Für den Zeitraum 2024 bis 2026 sollen sie 30 Mrd. Euro erhalten. Das entspricht der Hälfte des derzeitigen Börsenwerts von 59,5 Mrd. Euro. Der Aktienkurs von Italiens zweitgrößter Bank hat sich seit Orcels Amtsantritt annähernd verfünffacht. Anders als Italiens größte Bank Intesa Sanpaolo ist Unicredit schon bisher sehr international aufgestellt. Mehr als die Hälfte der Erträge kommen aus dem Ausland, davon mehr als 20% aus Deutschland. Deutschland trug im zweiten Quartal fast 20% zum operativen Gewinn und 19% zum Nettogewinn bei.
An der kurzen Leine
Die HVB wird an einer sehr kurzen Leine geführt. Die Zahl der Filialen wurde stark reduziert. Die Mitarbeiterzahl sank auf unter 10.000. Die HVB wurde von einer Aktiengesellschaft zur GmbH degradiert. Die bei der HVB angesiedelten Handelsaktivitäten wandern nach Mailand. Unicredit erklärte, zusammen mit der Commerzbank „Möglichkeiten der Wertschöpfung für die Aktionäre beider Institute“ prüfen zu wollen. Bereits vor zwei Jahren hatte Orcel erklärt, eine Erhöhung des Marktanteils in Deutschland wäre positiv für die gesamte Bank.