Zankapfel CMDI

Hartes Ringen um EU-Regeln für angeschlagene Banken

Die EU-Kommission möchte Kleinbanken in das Abwicklungsregime einbeziehen. Sie hat das Gesetzespaket CMDI vorgeschlagen. Doch vor den Schlussverhandlungen liegen Rat und EU-Parlament noch weit auseinander.

Hartes Ringen um EU-Regeln für angeschlagene Banken

Hartes Ringen um EU-Regeln für angeschlagene Banken

Rat und EU-Parlament liegen vor Beginn des Trilogs noch in vielen Punkten über Kreuz – von der Beteiligung nationaler Einlagensicherungssysteme an den Kosten einer Abwicklung bis hin zur Superpräferenz in der Gläubigerhierarchie.

fed Brüssel

Es ist eins der Dossiers, das noch aus der vorausgegangenen Legislaturperiode des EU-Parlaments übrig geblieben ist – und es zählt zu einem der heikelsten: das Gesetzespaket über das Krisenmanagement von Banken und die Sicherung von Spareinlagen (Crisis Management and Deposit Insurance), kurz: CMDI.

Es ist zugleich ein Gesetzesverfahren, bei dem die beiden Ko-Gesetzgeber noch reichlich Diskussionsbedarf in den Schlussverhandlungen haben. „Die Position des EU-Parlaments ist näher am Vorschlag der EU-Kommission als an der Allgemeinen Ausrichtung im Rat. Deshalb ist mit schwierigen Verhandlungen im Trilog zu rechnen“, erwartet Jan Tibor Böttcher, Bereichsleiter Politik, Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).

Im April 2023 hat die EU-Kommission unter dem Kürzel CMDI ein Gesetzespaket vorgelegt mit dem selbst erklärten Ziel, das Krisenmanagement schwer angeschlagener Banken – und insbesondere kleinerer Institute – zu stärken. Das EU-Parlament hat sich im April 2024 auf eine gemeinsame Position verständigt, der Rat im Juni 2024.

Abwicklung als Standard

„Der Vorschlag der EU-Kommission zielt im Wesentlichen darauf, die Abwicklung zum Standard zu machen, wenn eine Bank – auch eine kleine Bank – in ernsthafte Probleme gerät“, erklärt Böttcher. Das sei eine Abkehr vom bisherigen Ansatz, den die frühere Chefin der EU-Abwicklungsbehörde, Elke König, mit der Formel beschrieben hat: „Resolution is for the few, not for the many.“ Und das sei zugleich eine Abkehr von der derzeit gängigen Praxis, dass für kleinere und mittlere Banken, die in Schwierigkeiten geraten, die Insolvenz der typische Marktaustritt ist, so der BVR-Experte.

Die Absicht, auch kleinere Banken künftig in die Abwicklung zu schicken und nicht nur große, international tätige Finanzkonzerne, bedeutet, dass es einen höheren Finanzbedarf für die Abwicklung gibt. Darauf haben in der Vergangenheit bereits Vertreter des EU-Abwicklungsrats (Single Resolution Board) ebenso wie EU-Kommissionsbeamte hingewiesen. In diesem Zusammenhang kommen die Mittel, die von den Einlagensicherungssystemen verwaltet werden, ins Spiel.

Zwei Knackpunkte im Trilog

„Im Trilog werden sich die Ko-Gesetzgeber absehbar vor allem mit zwei Knackpunkten befassen müssen, die bisher noch zwischen ihnen strittig sind“, erläutert Böttcher. Das sei erstens die Frage, unter welchen Bedingungen nationale Einlagensicherungssysteme in Zukunft noch Maßnahmen finanzieren dürfen, die über die reine Entschädigung von Einlegern hinausgehen. Und zweitens, inwieweit Mittel aus nationalen Einlagensicherungssystemen genutzt werden könnten, um die Lücke zu schließen, die sich auftut, falls das bail-in-fähige Kapital einer in Not geratenen Bank nicht ausreicht, um die Voraussetzungen für den Zugang zum einheitlichen EU-Abwicklungsfonds (SRF) zu erfüllen.

Auf den Single Resolution Fund kann nämlich erst zugegriffen werden, nachdem Anteilseigner und Inhaber so genannter berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten einen Beitrag zum Verlustausgleich und zur Rekapitalisierung des in die Schieflage geratenen Instituts geleistet haben. Dieser Beitrag erfolgt zum Beispiel durch Herabschreibung oder Umwandlung und muss mindestens 8% der gesamten Verbindlichkeiten des betroffenen Instituts ausmachen.

BVR-Fachmann Böttcher weist darauf hin, dass „kleine und mittlere Institute jedoch regelmäßig nicht genügend Anteile und Instrumente emittieren, damit diese Voraussetzung im Krisenfall erfüllt werden könnte“ Unter dem Abwicklungsmechanismus müssten sie folglich mehr berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten emittieren, was jedoch mit hohen Kosten und Aufwand verbunden wäre. Bei fehlendem Zugang zu Kapitalmärkten dürfte dies nach Böttchers Einschätzung in vielen Fällen schwierig sein: „In solchen Fällen müsste also das Einlagensicherungssystem einspringen, wenn die 8%-Hürde nicht erreicht wird - ein Problem, das erst entsteht, wenn der Abwicklungsmechanismus auf Institute ausgedehnt wird, für die er nicht geschaffen wurde.“

„Protect the Protector“

Damit eng verbunden ist das Thema der so genannten Superpräferenz. In der EU sind seit zehn Jahren alle Einlagen von Sparern und Unternehmen bis 100000 Euro geschützt. Die Banken tragen für die Einhaltung dieser Zusage gesamthaft die Verantwortung. Um dieses Schutzversprechen glaubwürdig zu machen, denn nur dann wirkt es dem Risiko von Bank-Runs effektiv entgegen, wurde den Einlagensicherungssystemen, die es letztlich erfüllen müssen, im Krisenfall eine Superpräferenz in der Gläubigerhierarchie im Insolvenzverfahren eingeräumt. Das hat zur Folge, dass der Einlagensicherung bislang in Krisenfällen so gut wie keine Verluste entstanden sind, weil sie die Entschädigung der Anleger aufgrund ihrer Position als absolut bevorzugter Gläubiger im Insolvenzverfahren wieder zurückerstattet bekam – im Sinne von „protect the protector“.

Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission sehe nun, so erklärt Böttcher, eine Abschaffung der Superpräferenz der Einlagensicherungssysteme vor – und damit eine Gleichstellung sämtlicher Einlagen. Das habe zur Folge, dass die Entschädigung für die Einlagensicherung und damit für die Banken teurer werde. Und damit wiederum werde der „Least-Cost-Test“, ob die Option einer Insolvenz oder einer Abwicklung kostengünstiger ist, in Zukunft häufiger für eine Abwicklung ausfallen. Nicht zuletzt deshalb spreche sich der BVR, übrigens wie auch die anderen Verbände der deutschen Kreditwirtschaft, entschieden gegen eine Abschaffung der Superpräferenz aus. „Wir begrüßen, dass der Rat eine Abschaffung der Superpräferenz ablehnt“, betont der Bereichsleiter Politik des genossenschaftlichen Spitzenverbands.

Desweiteren ist da noch das Thema „Öffentliches Interesse“. Eine Abwicklung einer Bank in Schieflage ist nur möglich, wenn es ein öffentliches Interesse gibt – wenn also die Sorge besteht, dass es zu negativen Auswirkungen auf andere Banken und die Stabilität des Finanzsystems oder zu Störungen der Realwirtschaft kommt. Das öffentliche Interesse soll nach dem Willen der EU Kommission in Zukunft fast immer gegeben sein, unter anderem dadurch, dass die Abwicklungsbehörde bei der Bewertung künftig sowohl die nationale als auch die regionale Ebene berücksichtigen soll.

Kritik an „weltfremden“ Bedingungen

Gleichzeitig entscheidet CMDI maßgeblich darüber, inwieweit künftig noch national präventive Maßnahmen genutzt werden können. „Der Vorschlag der EU-Kommission macht es quasi unmöglich, Mittel der Einlagensicherung national für präventive Maßnahmen einzusetzen“, moniert Böttcher. Denn eine solche Nutzung werde an Bedingungen gekoppelt, die im Krisenfall realistisch nicht erfüllbar seien. So müssten ins Wanken geratene Banken einen detaillierten Business-Plan vorlegen, um Hilfe in Anspruch nehmen zu können – das sei bei einer zeitkritischen Schieflage „weltfremd“. Auch sei es nicht erlaubt, eine zweite Maßnahme zu finanzieren, wenn bereits eine erste Maßnahme aus Mitteln der Einlagensicherung unterstützt wurde.

Und schließlich geht es um die Institutssicherung. Bislang ist es so, dass Verbünde, die eine Institutssicherung unterhalten, diese auch als Einlagensicherungssystem anerkennen lassen können. Das heißt: Sie müssen die europaweit vorgegebenen 0,8% der gedeckten Einlagen vorhalten, um sie gegebenenfalls als Entschädigung für Einleger einsetzen zu können. Aber sie dürfen diese Mittel auch für andere Maßnahmen verwenden, etwa für die Übertragung von Einlagen.

„Die EU-Kommission möchte nun, dass Institutssicherungssysteme für ihre Maßnahmen zusätzliche Finanzmittel ansparen“, berichtet der BVR-Vertreter. Das stelle gerade solche Systeme deutlich schlechter, die mit ihrer Institutssicherung einen positiven Beitrag zur Finanzstabilität leisteten. Der Rat habe sich erfreulicherweise gegen den Ansatz der EU Kommission ausgesprochen und wolle die Institutssicherung in bisheriger Form erhalten.

Angesichts dieser zahlreichen einzelnen Punkte hoffen viele in der deutschen Kreditwirtschaft, dass sich der Rat im Trilog mit seinen Positionen durchsetzt. So zumindest signalisieren es die Stellungnahmen der Verbände von BVR, DSGV und Bankenverband.