Schwarz-roter KoalitionsvertragEnergiepolitik der neuen Koalition

Deutlich mehr Gaskraftwerke – aber Atomkraftwerke bleiben vom Netz

Die künftige Regierung greift zahlreiche Energieprojekte der Ampel wieder auf – will sie zum Teil aber neu justieren. Die Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken spielt dabei keine Rolle.

Deutlich mehr Gaskraftwerke – aber Atomkraftwerke bleiben vom Netz

Deutlich mehr Gaskraftwerke – aber Atompläne sind vom Tisch

Energiepolitik der neuen Koalition

ahe Berlin

Die künftige Bundesregierung hat angekündigt, die Kraftwerksstrategie der Ampel zügig zu überarbeiten und plant dabei mit deutlich mehr neuen Gaskraftwerken als bisher. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist die Rede von einer neuen Kraftwerksleistung mit einem Volumen von bis zu 20 Gigawatt (GW), die bis 2030 entstehen und dann langfristig als Absicherung für die erneuerbaren Energien dienen soll. Die Ampel hatte zuletzt mit lediglich 10 GW an neuen Kapazitäten geplant. Hinzu kam die Umrüstung von 2 GW an bestehenden Gaskraftwerken sowie je 500 Megawatt an reinen Wasserstoffkraftwerken und Stromlangzeitspeicher.

Die künftigen Koalitionäre griffen auch den Vorschlag aus der Energiewirtschaft auf, künftige Reservekraftwerke – insbesondere alte Kohlemeiler – nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen einzusetzen. Sie sollen künftig auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen. Hierfür hatte sich der Chef des Essener Versorgers Steag Iqony, Andreas Reichel, im Februar kurz vor der Bundestagswahl noch im Interview der Börsen-Zeitung stark gemacht. Ein solcher Einsatz der Backup-Kraftwerke ist im heutigen Regulierungsrahmen nicht erlaubt.

Strategische Verstaatlichungen im Energiebereich möglich

Keine Rolle im Koalitionsvertrag spielte hingegen die Prüfung einer weiteren Nutzung der Atomenergie in Deutschland beziehungsweise der Wiederinbetriebnahme der zuletzt abgeschalteten drei Atomkraftwerke. Im Koalitionsvertrag heißt es lediglich allgemein, die Regierung werde „neuartige Klimatechnologien“ voranbringen und die Fusionsforschung stärker fördern. Ziel sei es, in Deutschland den ersten Fusionsreaktor der Welt zu bauen.

Beim Netzausbau will die künftige Koalition verstärkt auch die günstigeren Freileitungen anstelle der Erdverkabelung nutzen. Eine Verstaatlichung von Netzbetreibern – wie etwa des Übertragungsnetzbetreibers Tennet – wurde im Koalitionsvertrag ausdrücklich nicht ausgeschlossen. „Wir prüfen strategische staatliche Beteiligungen im Energiesektor, auch bei den Netzbetreibern“, heißt es hier.

Beifall für Energiepreissenkungen

Zur weiteren Finanzierung der Energiewende bringen Union und SPD zugleich einen neuen Infrastrukturfonds für die Energieinfrastruktur ins Spiel, ohne Details zu nennen. Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital bei Investitionen solle es über den Fonds ein Zusammenspiel von öffentlichen Garantien und privatem Kapital geben, hieß es. Die neue Bundesregierung greift damit einen Vorschlag vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) auf, die im vergangenen Jahr für einen Energiewende-Fonds plädiert hatten, der zunächst ein Volumen von 30 bis 50 Mrd. Euro bekommen sollte. 

Der BDEW erklärte in einer ersten Stellungnahme, einige Punkte des Koalitionsvertrages seien kritisch. Man werde deren Umsetzung genau prüfen, so Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Sie verwies hier insbesondere auf mögliche Staatsbeteiligungen im Energiesektor oder die Nutzung der Reservekraftwerke zur Preisdämpfung. Die geplante Senkung der Energiepreise sei ein wichtiger Beitrag für den Wirtschaftsstandort, so Andreae. „Bei der Mittelverwendung sollte aber im Blick behalten werden, dass insbesondere Investitionen vorangebracht werden müssen.“

Heizungsgesetz wird gestrichen

Laut Koalitionsvertrag sollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens 5 Cent pro Kilowattstunde entlastet werden. Hierzu soll die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß gesenkt und die Netzentgelte reduziert werden. Die Strompreiskompensation für Unternehmen soll verlängert und auf weitere Branchen ausgeweitet werden. Auch ein Industriestrompreis wird im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt.

Das umstrittene Heizungsgesetz wird – wie von der Union vor der Wahl vehement gefordert – wieder gestrichen. Ein neues Gebäudeenergiegesetz solle „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden, hieß es.

Die Denkfabrik Agora Energiewende erkennt in dem Vertrag „entscheidende Maßnahmen für die Energiewende“ – vom Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Netze über die Wärmewende bis zur Industrietransformation. „Jedoch ist er auf kurzfristige Erfolge und Einsparungen ausgelegt und lässt eine langfristig tragende Strategie vermissen.“


Mehr zu den Plänen der Koalition finden Sie auf unserer Schwerpunktseite.


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