Lockerung der EZB-Geldpolitik beginnt
6. Juni
EZB-Geldpolitik wird lockerer
Noch vor der Fed wird die Europäische Zentralbank am kommenden Donnerstag die Zinswende einleiten. Die große Frage ist, wie viele weitere Zinssenkungen im Laufe des Jahres noch folgen. Ein wichtiger Baustein bei der Beantwortung dieser Frage ist die Entwicklung der Inflation im Dienstleistungssektor.
Von Martin Pirkl, Frankfurt
Auch das relativ kräftige Lohnwachstum im ersten Quartal und der etwas ins Stocken geratene Disinflationsprozess in der Eurozone dürften die Europäische Zentralbank (EZB) nicht von ihrem Vorhaben abbringen, am 6. Juni die erste Zinssenkung seit über acht Jahren zu verkünden. Mit Spannung warten Anleger darauf, ob sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde Hinweise auf die Geldpolitik in den kommenden Monaten entlocken lassen wird. Signale für das Tempo der Zinswende könnten zudem die neuen Prognosen der EZB zu Inflation und Wirtschaftswachstum aussenden.
Eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Geldpolitik – dies haben gleich mehrere EZB-Ratsmitglieder inklusive Lagarde zu Protokoll gegeben – wird die Entwicklung der Inflation im Dienstleistungssektor spielen. Diese beeinflusst stark die Kernrate als Gradmesser für den zugrunde liegenden Preisdruck in der Eurozone. Die Inflation bei Dienstleistungen erweist sich als hartnäckig – womöglich auch als hartnäckiger als von der Notenbank erwartet, die mit einem nachlassenden Lohnwachstum im Jahresverlauf rechnet.
Dementsprechend fiel der am 23. Mai veröffentlichte Indikator für die Entwicklung der Tariflöhne im ersten Quartal enttäuschend aus. Statt eines Rückgangs beschleunigte sich das Lohnwachstum von 4,5 auf 4,7%. Nicht stark genug, um Zweifel am Beginn der Zinswende zu wecken. Womöglich aber stark genug, dass die EZB beim Tempo und Ausmaß der Zinssenkungen mehr Vorsicht walten lässt.
Einmal pro Quartal?
Eine zweite Zinssenkung direkt im Juli ist für EZB-Direktorin Isabel Schnabel jedenfalls nach jetziger Datenlage nicht gerechtfertigt. Dies sagte sie Mitte Mai in einem Interview der japanischen Zeitung „Nikkei“. Auch weitere Ratsmitglieder wie Bundesbankpräsident Joachim Nagel mahnten zuletzt zur Vorsicht bei der Lockerung der Geldpolitik. An den Finanzmärkten wird indes auch nur noch mit zwei bis maximal drei Zinssenkungen im laufenden Jahr gerechnet.
Dies würde sich mit einer Idee decken, die immer wieder von Notenbankern ins Spiel gebracht wird. Immer dann die Zinsen zu senken, wenn neue Prognosen der EZB zu Inflation und Wirtschaftswachstum anstehen – zumindest, wenn die Projektionen keine negativen Überraschungen enthalten. Neben Juni gibt es noch weitere Prognosen der Notenbank im September und im Dezember.
Für Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau wäre es jedoch ein Fehler, sich auf ein solches Vorgehen festzulegen. „Ich plädiere für maximale Flexibilität nach unserer Juni-Sitzung“, sagte er in dieser Woche im Interview der Börsen-Zeitung. Die EZB müsse schließlich auch die jeweils aktuellen Inflations- und Konjunkturdaten berücksichtigen.