Bondmärkte

Anleger suchen sichere Häfen

Anleger steuern wieder die sicheren Häfen an, wodurch die Renditen der Bundesanleihen jüngst wieder gefallen sind. Grund sind die Spannungen rund um Taiwan. Aber auch die Sorgen vor einer Rezession treiben die Anleger in Safe Havens.

Anleger suchen sichere Häfen

kjo Frankfurt

Ein Großteil der Renditeanstiege der vergangenen Wochen und Monate ist mittlerweile wieder zunichte gemacht. Nicht zuletzt aufgrund der Spannungen im Taiwan-Konflikt wird „Flucht in Sicherheit“ an den Märkten wieder größer geschrieben. Dies führt zu einem stärkeren Ansteuern der sicheren Häfen und damit der Bundesanleihen, aber auch der US-Staatsanleihen (US-Treasuries). Somit haben sich die Renditen der betreffenden Staatspapiere wieder von ihren zuvor gesehenen Hochs abgesetzt. Im zweijährigen Bereich der Bundestitel ging es schon wieder auf knapp unter 0,16% zurück. Damit kommt am kurzen Ende der Bund-Kurve mittlerweile wieder die Nulllinie und damit der Bereich der Negativrenditen in Sichtweite. Das glaubte mancher Marktteilnehmer in den vergangenen Wochen und Monaten bereits in weiter Ferne. Auch die zehnjährige Bundrendite, die mittlerweile bei 0,94% liegt, hat sich von Regionen von knapp unterhalb von 2% wieder deutlich abgesetzt. Sollte es zu einer Verschärfung der Taiwan-Spannungen kommen, stellen sich Investoren durchaus darauf ein, dass die Renditen der Bundesanleihen nochmals einen kräftigen Schub nach unten erfahren könnten aufgrund der Flucht in Sicherheit. Es wird aber gehofft, dass eine kriegerische Auseinandersetzung in Sachen Taiwan zwischen den USA und der Volksrepublik China noch im letzten Moment vermieden werden kann. Dann würde verständlicherweise auch eine größer angelegte Flucht in Sicherheit ausbleiben und damit die Renditen auch nicht weiter sinken.

Weitere Unsicherheitsherde

Es bleiben aber noch andere Unsicherheitsherde. Dazu gehört zum einen der Ukraine-Krieg und zum anderen die Sorge, dass die Leitzinsanhebungen der Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation dazu führen, dass die wirtschaftliche Aktivität in vielen Ländern erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Seit Wochen macht das R-Wort, also Rezession, die Runde. Viele Marktakteure stellen sich darauf ein, dass es gegen Ende dieses Jahres zu einem Abgleiten europäischer Volkswirtschaften in die Rezession kommt. So äußerte gerade erst in der vorigen Woche die Bank of England die Erwartung, dass die britische Wirtschaft vermutlich im gesamten kommenden Jahr in der Rezession sein wird. „Die Märkte haben im bisherigen Jahresverlauf eine Verschärfung der finanziellen Bedingungen erlebt, die sich in höheren Zinsen aufgrund der restriktiveren Politik, schwächeren Risikoanlagen aufgrund von Rezessionsängsten oder manchmal auch in beidem niederschlug“, heißt es bei den Experten von Goldman Sachs Asset Management. Ausgewogenere Aussichten für die Fed-Politik hätten in der vergangenen Woche für eine gewisse Erleichterung gesorgt und damit ein übergewichtetes Engagement in Unternehmensanleihen unterstützt, das mit den Zinsen im Gleichgewicht sei. „Wir gehen davon aus, dass sich bestimmte Wachstumszyklen in den Schwellenländern dem Ende zuneigen werden, was Chancen in bestimmten Märkten mit hohen lokalen Zinssätzen eröffnen könnte“, heißt es weiter.

Bei Jupiter AM sieht man derzeit Chancen für Anleiheinvestoren bei schwächeren Inflations- und Wachstumsaussichten. „Wer nicht ständig mit Anleihen zu tun hat, mag angesichts der jüngsten Marktbewegungen den Kopf schütteln. Obwohl die Jahresrate der Verbraucherpreisinflation in den USA im Juni erneut höher als erwartet ausgefallen und auf einen neuen Höchststand von 9,1% gestiegen ist, hat das zu keinen weiteren dramatischen Bewegungen bei langfristigen Staatsanleihenrenditen geführt. Die langfristigen Inflationserwartungen sind sogar gesunken“, sagt etwa Ariel Bezalel, Head of Strategy Fixed Income bei Jupiter AM. Der von der US-Notenbank Fed wachsam beobachtete 5Y5Y-Inflation-Break-even-Index, der die implizite fünfjährige Inflationserwartung in fünf Jahren misst, liege nur knapp über dem Fed-Inflationsziel von 2%. „Auch die Verbrauchererwartungen ändern sich. Die in der Konsumklimaumfrage der Universität Michigan abgefragten langfristigen Inflationserwartungen sind von 3,1% auf 2,8% gesunken. Ein Rückgang um 0,3 Prozentpunkte mag geringfügig erscheinen. In der Geschichte der Umfrage, die seit Ende der 1970er Jahre durchgeführt wird, liegt dieser Wert jedoch im 96. Perzentil der negativen Korrekturen über einen Monat“, so Bezalel. Man halte die veränderten Inflationserwartungen der Märkte und Konsumenten für realistisch und sei der Ansicht, dass die Inflationsängste der Vergangenheit angehören könnten. „Die jüngste Inflationsepisode geht auf mehrere Angebots- und Nachfrageschocks zurück. Der erste Preistreiber waren Konsumgüter, nachdem die pandemiebedingten Beschränkungen in Verbindung mit anhaltenden Lieferengpässen zu einem veränderten Konsumverhalten führten. Bei den globalen Lieferketten zeichnet sich inzwischen eine deutliche Entspannung ab“, so Bezalel. So sei der Supply Chain Pressures Index der New Yorker Fed gegenüber seinem Höchststand im Dezember 2021 bereits um rund 45% gesunken. Angesichts des Kaufkraftverlusts der Verbraucher sei auch der Konsumausblick verhaltener geworden. In Verbindung mit dem verstärkten Vorratsaufbau, auf den viele Unternehmen hinweisen, spreche das dafür, dass die Nachfragespitze hinter uns liege. Der Investor Michael Burry habe unlängst mit Tweets für mediales Aufsehen gesorgt, in denen er vor einer potenziellen Disinflation bei den Güterpreisen und dem „Bullwhip-Effekt“ – dem Peitscheneffekt – warne. „Dabei handelt es sich um ein Phänomen, bei dem kleinere Nachfrageschwankungen größere Auswirkungen in Großhandel und Produktion haben können. Wir argumentieren seit langem, dass an den Gütermärkten deflationäre Kräfte am Werk sein könnten, und sehen dafür eine einfache Erklärung: Die Verbraucher haben zu viel gekauft!“

Attraktive Erträge

„Die steigende Inflation hat eine Welle der geldpolitischen Straffung ausgelöst, nicht nur in den USA, sondern weltweit. Aggressive geldpolitische Straffung, anhaltende Unterbrechungen der Lieferketten, wachsende Rezessionssorgen und der Russland-Ukraine-Konflikt erwiesen sich als Giftcocktail für die Risikostimmung, da sowohl Aktien als auch Anleihen im bisherigen Jahresverlauf immer tiefer in die roten Zahlen rutschten“, sagt etwa Brian Kloss, Portfoliomanager bei Brandywine Global, die zu Franklin Templeton gehören. Doch wenn man das Glas halb voll sehe, würden festverzinsliche Anlagen ihrem Namen gerecht. „Anleihen haben begonnen, attraktive Erträge zu erwirtschaften, wobei die Anfangsrenditen in einem breiten Spektrum von festverzinslichen An­lageklassen deutlich höher sind als zu Jahresbeginn“, sagt er. Durch den Ausverkauf in der ersten Jahreshälfte habe sich auch der Anteil der Anleihen mit einer Rendite von über 3% auf der Grundlage der Bloomberg-Multiverse-Benchmark erhöht, was einer Versechsfachung gegenüber dem Vorjahr entspreche.

„Eine vorherrschende Sorge ist natürlich, dass die Anleiherenditen wieder steigen könnten, da die Zentralbanken angesichts der hartnäckigen Inflation und des Anstiegs der Inflationserwartungen bereits aggressivere Maßnahmen ins Auge fassen. Gegenwärtig hat der Markt bereits einen aggressiven US-Zinserhöhungszyklus eingepreist, wobei bis Januar nächsten Jahres insgesamt 13 Zinserhöhungen um 25 Basispunkte er­wartet werden.“

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