Defaults

Ausfallraten auf dem Rückzug

Bei europäischen Hochzinsanleihen ist es im Zuge der Coronakrise zu deutlich weniger Ausfällen gekommen als befürchtet. Auch künftig bleiben High Yielder eine attraktive Anlagealternative.

Ausfallraten auf dem Rückzug

Von Carsten Lüdemann*)

Der dramatische Konjunktureinbruch im vergangenen Jahr hatte die schlimmsten Befürchtungen für Firmenpleiten aufkommen lassen. Am Markt für Unternehmensanleihen und gerade bei den besonders gefährdeten Firmen aus dem High-Yield-Bereich kam es daraufhin zu plötzlichen, sehr starken Anstiegen der Risikoaufschläge. Und tatsächlich sind die globalen Default Rates, die Ausfallraten von Risikokandidaten, auf den Beobachtungslisten der Ratingagenturen ab März 2020 sprunghaft angestiegen.

Die Notenbanken der etablierten Wirtschaftsnationen und deren Regierungen haben hierauf jedoch sehr schnell und mit mächtigen Hilfsprogrammen reagiert, so dass der Anstieg der Ausfallraten deutlich unter dem befürchteten Ausmaß geblieben ist. Schon ab dem Sommer sind die Ausfälle wieder spürbar zurückgegangen. Die schnellen Erfolge sind teilweise auch auf geänderte Anzeigepflichten für Zahlungsunfähigkeit zurückzuführen. In Deutschland beispielsweise ist die Anzahl von Insolvenzen – nach vorübergehender Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – kräftig auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gesunken.

Es wurde daher angenommen, dass nach Ende der Konkurs-Schonfrist eine beängstigende Welle von Zahlungsausfällen folgen müsste. Mit der teilweisen Aufhebung dieser Regel Ende Januar 2021 sind die Insolvenzbekanntmachungen tatsächlich stark gestiegen, doch bald wieder zurückgefallen, so dass nun wieder der sehr tiefe Stand von kurz vor der Coronakrise erreicht wurde. Dies liegt einerseits daran, dass zumindest eine beschränkte Anzeigepflicht unter bestimmten Bedingungen noch bis Ende April verlängert worden ist, hauptsächlich aber an den weiterhin güns­tigen Finanzierungsbedingungen aufgrund der Notenbankpolitik sowie der weiteren Unterstützungen durch die Regierungen.

Pleitewelle ebbt ab

Eine ähnliche Entwicklung hat sich auch europaweit und global gezeigt. Der Höhepunkt der Unternehmensausfälle, die von den Ratingagenturen beobachtet werden, ist weitaus geringer ausgefallen als zunächst befürchtet und hat sich auch deutlich schneller zurückgebildet als prognostiziert. Moody’s hatte im März 2020 ihre Prognose für die Zwölfmonatsausfallrate europäischer Unternehmen aus dem High-Yield-Bereich kräftig auf etwa 8% angehoben, und in einem Negativszenario wurden sogar Ausfälle von bis zu 15% befürchtet, was noch etwas höher gewesen wäre als in der Finanzkrise 2009. An den Kreditmärkten ist dieses Szenario dann auch eingepreist worden, und die Risikoaufschläge für Euro-Hochzinsanleihen sind kurzfristig auf über 1000 Basispunkte gesprungen. Dies entspricht einer impliziten Ausfallerwartung von 17% auf Zwölfmonatssicht. Doch glücklicherweise ist der Höhepunkt der Pleitewelle mit rund 5% zum Jahresende 2020 deutlich glimpflicher ausgefallen und seitdem gemäß Moody’s weiter auf gut 4% gesunken. Laut deren Prognose sollten die Ausfallraten in den kommenden zwölf Monaten weiter bis auf 2% sinken, was historisch betrachtet sehr niedrig ist.

Die aggressive Notenbankpolitik und der gute konjunkturelle Aus-blick haben die Risikoaufschläge und die absoluten Renditen im High-Yield-Bereich inzwischen in die Nähe der historischen Tiefstände geführt. Der aktuelle Risikoaufschlag von gut 300 Basispunkten für mittlere Laufzeiten mit einem durchschnittlichen Rating im „BB“-Bereich entspricht einer im­pliziten Ausfallwahrscheinlichkeit von etwa 5% über zwölf Monate und passt daher recht gut zu den zuletzt realisierten Ausfallraten. Da aber der Trend deutlich nach unten zeigt, dürfte noch Luft für nachgebende Spreads vorhanden sein.

Auch die Konjunkturentwicklung und weiterhin sehr dovishe Notenbanken sprechen für eine freundliche Tendenz an den Kreditmärkten. Die zwischenzeitlich hochgekochte Sorge vor stark steigenden Inflationsraten haben die Notenbanken wieder sehr gut einfangen können, so dass die Renditen von Bundesanleihen und US-Treasuries sich wieder beruhigten. In der Folge ist die Volatilität an den Kapitalmärkten gesunken, was ebenfalls ein wichtiges Bewertungskriterium ist, um niedrige Risikospreads bei Unternehmensanleihen zu rechtfertigen. Firmen mit schwachem Rating nutzen dieses Umfeld gerne, um sich mit Liquidität zu versorgen. Fast alle Neuemissionen lassen sich zurzeit problemlos platzieren.

Verlockende Kupons

Bei Investoren mit Risikotragfähigkeit sind hohe Kupons zurzeit besonders stark gesucht. Diese ver-sprechen Erträge, die ansonsten kaum mehr in anderen Assetklassen zu erzielen sind, und können somit auch mögliche Verluste abfedern, die bei steigenden Zinsen auflaufen könnten. Vor allzu großer Sorglosigkeit sei aber gewarnt, denn der große Anlagebedarf der Investoren bildet mitunter kuriose Blüten aus, vor allem in den USA. So werden beispielsweise von Finanzinvestoren absichtlich besonders riskante Neuemissionen bei Firmenübernahmen geschaffen, indem der Erlös der Anleihe an den neuen Großaktionär des Unternehmens als Sonderdividende ausgeschüttet wird. Investoren freuen sich über den besonders hohen Kupon, den das Unternehmen daraufhin wegen der bewussten Eigenkapitalschwächung zahlen muss. Da zudem das Geschäftsmodell zuvor oftmals schon zumindest als fragwürdig anzusehen war, dürfte eine komplette Rückzahlung der Anleihe sehr ungewiss sein.

Auch eine Verwendung des Emissionsbetrages zu Spekulations­zwecken sollte von Investoren kritisch hinterfragt werden. Kürzlich hat die Softwarefirma Microstrategy (Marktkapitalisierung von ungefähr 5 Mrd. Dollar) einen Junk Bond über 500 Mill. Dollar aufgelegt. Dieser Betrag ist höher als der gesamte operative Cash-flow der vergangenen fünf Jahre und soll laut Emissionsprospekt zum Kauf von Bitcoin verwendet werden. Auf zuvor getätigte Bitcoin-Investitionen musste die Firma bereits größere Abschreibungen vornehmen, als sich der Kurs der Kryptowährung in den zurückliegenden Wochen nahezu halbiert hatte. Bisher haben sich die erwähnten neuen Anleihen jedoch positiv entwickelt, da offensichtlich der Anlagebedarf internationaler Investoren ungebrochen ist.

Solch wilde Konstruktionen sollten nicht zur Beurteilung des High-Yield-Marktes herangezogen werden, denn sie sind die Ausnahme, und üblicherweise können die Unternehmensführung sowie das begleitende Bankenkonsortium gut einschätzen, ob eine Investition zielgerichtet und ertragsversprechend ist. Vor dem Hintergrund der weltweiten Konjunkturerholung und der dovishen Grundeinstellung der Notenbanken bleiben High Yield Bonds eine vergleichsweise attraktive Anlagealternative. Zwar ist ein Ende der PEPP-Käufe seitens der EZB absehbar, auch wenn die Vorsitzende Lagarde dies noch auf die lange Bank geschoben hat. Doch ist es ihr stets ein besonderes Anliegen zu betonen, wie wichtig den Notenbankern ein auf Dauer angelegtes günstiges Finanzierungsumfeld für Firmen ist. Dies gilt explizit für Investment-Grade-Anleihen durch ein möglicherweise verlängertes APP-Kaufprogramm und damit implizit für High Yielder.

*) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.