Anleihemärkte

Bei den Bondrenditen geht es bergauf

Es wird erwartet, dass die Notenbanken im Kampf gegen die Inflation immer weiter nachlegen und die Leitzinsen erhöhen. Ein großer Zinsschritt der EZB wird mittlerweile immer mehr für September eingepreist. Aber es gibt auch viele Akteure, die in dieser Hinsicht skeptisch bleiben und Rezessionsrisiken sehen.

Bei den Bondrenditen geht es bergauf

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Seit kurzem steigen die Renditen der Bundesanleihen wieder an. Der Grund ist, dass Marktteilnehmer davon ausgehen, dass die großen internationalen Notenbanken in ihrem Kampf gegen die Inflation weiter auf die Bremse treten und infolgedessen die restriktivere Geldpolitik fortsetzen werden. Das bedeutet, dass es in den kommenden Monaten zu höheren Leitzinsen kommen wird. Und das ist ein Treiber für höhere Bondrenditen. So ist etwa die zehnjährige Bundrendite am Donnerstag bis auf ein Hoch von 1,63% geklettert. Am Vortag lag der Satz noch bei 1,54%. Im späten europäischen Handel lag die laufende Verzinsung der europäischen Benchmark dann bei 1,59%. Das Tagestief wurde mit 1,54% gesehen.

Am Markt gehen die Diskussionen derzeit in die Richtung, dass es entweder zu einer Beschleunigung der Inflation kommt oder es eine heftige Rezession geben wird – Letzteres überwiegt. Und das bestimmt die Marktbewegungen, vor allem bei den Renditen der Anleihen, allen voran bei den Bundesanleihen. Marktakteure gehen davon aus, dass die EZB womöglich zu einem großen Zinsschritt ansetzen könnte.

Die Inflation in der Eurozone ist erstmals seit Einführung der Gemeinschaftswährung über die Marke von 9% gesprungen. Damit dürfte – so die Einschätzung im Markt – der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) noch größer werden, im Kampf gegen die Teuerung auf ihrer nächsten Sitzung am 8. September mit einer massiven Zinserhöhung gegenzusteuern. Die Verbraucherpreise kletterten im August, angetrieben durch immer mehr in die Höhe schießende Energie- und Lebensmittelpreise, binnen Jahresfrist um 9,1%. Experten hatten 9% erwartet, nach 8,9% im Juli.

Preisdruck verstärkt sich

Sorgen dürfte der EZB laut Investoren zudem bereiten, dass sich auch der zugrundeliegende Preisdruck im August nochmals verstärkt hat. Die sogenannte Kerninflation, in der schwankungsreiche Preise für Energie und unverarbeitete Lebensmittel herausgerechnet sind, erhöhte sich auf 5,5% nach 5,1% im Juli. Dies zeige an, dass der Teuerungsschub inzwischen immer weitere Bereiche der Wirtschaft erfasst habe. „Die europäischen Währungshüter haben es versäumt, rechtzeitig den Hebel herumzulegen. Nun hinken sie der Teuerungsentwicklung hinterher“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, der Nachrichtenagentur Reuters. Es liege auf der Hand, dass von der EZB ein klares Signal des Gegensteuerns kommen müsse. „Die EZB sollte im September um 75 Basispunkte erhöhen.“ Auch Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, fordert dies: „Sie sollte dem Beispiel der US-Notenbank folgen und ihre Leitzinsen am kommenden Donnerstag um 0,75 Prozentpunkte erhöhen.“

10 Prozent in Sicht

Die EZB hatte im Juli im Kampf gegen die Inflation die Zinswende eingeleitet. Sie hob dabei die Schlüsselsätze – anders als vorher in Aussicht gestellt – um kräftige 0,5 Prozentpunkte an. Der Leitzins liegt damit aktuell bei 0,5%. Es war die erste Zinsanhebung seit über elf Jahren. Seitdem haben sich die Inflationsaussichten weiter verschlechtert. Nach Einschätzung vieler Volkswirte könnte die Inflation in der Eurozone in den kommenden Monaten sogar auf über 10% steigen. „Die unvermindert ansteigenden Nahrungsmittel- und Energiepreise, vor allem von Strom und Gas, dürften die Inflation im Euroraum in den letzten Monaten des Jahres auf über 10% treiben“, sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib der Nachrichtenagentur Reuters.

Nach dem jüngsten Inflationsschub in der Eurozone haben die Spekulationen am Geldmarkt auf einen sehr großen Zinsschritt der EZB deutlich zugenommen. Aus den Kursen ging dort jüngst hervor, dass Investoren inzwischen die Wahrscheinlichkeit auf rund 80% taxieren, dass die EZB bei ihrer Zinssitzung am nächsten Donnerstag die Zinsen um 0,75 Prozentpunkte anheben wird. Kurz zuvor hatte die Wahrscheinlichkeit für einen solchen sehr kräftigen Schritt noch bei etwas über 50% gelegen. Eine Anhebung um 0,50 Prozentpunkte ist schon länger fest in den Kursen eingerechnet.

Die Inflation in der Eurozone war im August auf einen neuen Rekordwert von 9,1% geklettert. Das ist das höchste Niveau seit Einführung der Gemeinschaftswährung. Bundesbankpräsident Joachim Nagel fordert ein energisches Einschreiten der EZB. „Wir brauchen im September eine kräftige Zinsanhebung“, erklärte er. Es bestehe das Risiko, dass die Phase hoher Inflation noch länger anhalte und die aktuelle Teuerungswelle nur langsam abebbe. Daher sei ein entschlossenes Handeln des EZB-Rats dringend notwendig. Zuvor hatten sich mehrere EZB-Währungshüter in den vergangenen Tagen dafür ausgesprochen, auf der Zinssitzung auch über eine Anhebung um 0,75 Prozentpunkte zu sprechen.

Es gibt aber auch viele Akteure im Markt, die in dieser Hinsicht sehr skeptisch sind. Sie sind der Meinung, dass die Notenbanken mit ihrer restriktiven Geldpolitik nur noch mehr dazu beitragen, dass die Wirtschaft in die Rezession abgleiten wird. Dafür sprechen inverse Zinskurven, so etwa in den USA aber auch in Großbritannien. Dies waren in der Vergangenheit recht verlässliche Signalgeber für die weitere konjunkturelle Entwicklung.

Schwache Wirtschaft voraus

Denn die Märkte stellen sich mit einer inversen Zinskurve darauf ein, dass die Wirtschaft sich abschwächen wird. Und genau darauf müssen die Notenbanken dann mit Leitzinssenkungen reagieren. Das Problem besteht darin, dass in der jetzigen Situation die Zentralbanken die Zinsen erhöhen und gleichzeitig die Wirtschaft schwächelt. Die Notenbanken – so die Einschätzung vieler im Markt – können sich derzeit nicht genügend Pulver zur Seite legen, wie nötig wäre, um eine aufkommende Rezession zu bekämpfen. Das ist nach Einschätzung von Experten ein Problem. Und dieses Problem könnte sich durchaus noch verschärfen.

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