Christopher Mellor und James Butterfill

„Bitcoin-Hochs könnten 2023 in Reichweite rücken“

Ein abnehmendes Vertrauen in die Geldpolitik dürfte laut dem Assetmanager Coinshares das Interesse an Kryptowährungen erhöhen. Das Investmenthaus Invesco sieht daher Einstiegsgelegenheiten bei Bitcoin.

„Bitcoin-Hochs könnten 2023 in Reichweite rücken“

Alex Wehnert.

Herr Butterfill, Herr Mellor, die Korrelation zwischen den Krypto- und Aktienmärkten fällt im laufenden Jahr hoch aus. Ist der Status von Bitcoin als Hedge gegen Verwerfungen in anderen Assetklassen dauerhaft angekratzt?

Mellor: Natürlich hat der starke Gleichlauf zwischen Kryptowährungen und dem MSCI All Country World viele Investoren überrascht, die Bitcoin eher als digitales Gold einstuften. Allerdings lässt sich die hohe Korrelation weniger auf spezifische Eigenschaften zurückführen, die Cyberdevisen und Dividendentitel gemeinsam hätten, sondern auf das allgemein eingetrübte Marktumfeld. Die Zinsanstiege erhöhen die Finanzierungskosten für Unternehmen, was auf die Aktienkurse durchschlägt. Zugleich lassen die anziehenden Renditen Werte wie Bitcoin, die keine feste Verzinsung aufweisen, unattraktiver erscheinen.

Butterfill: Unterdessen kursiert am Markt das Narrativ, dass die Federal Reserve eine Rezession in Kauf nimmt, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Aus meiner Sicht wäre das ein schweres geldpolitisches Versagen und würde die Aktienmärkte erheblich belasten. Doch wenn das Vertrauen in die Geldpolitik erodiert, steigt das Interesse an Cyberdevisen. Dann entkoppeln sich Kryptowährungen und traditionelle Assets, wie sich zuletzt ja auch in Großbritannien gezeigt hat.

Sie spielen darauf an, dass zuletzt viele Pfund-Investoren in Bitcoin geflüchtet sind. Doch welchen Einfluss hat das auf den gesamten Markt für Digital Assets?

Butterfill: Tatsächlich ist die Kursreaktion auf die Zuflüsse gedämpft ausgefallen, weil der überwiegende Teil des Bitcoin-Handels immer noch im Dollar abläuft. Dennoch hat die Entwicklung viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil daran die Sorgen der Marktteilnehmer über die Geldpolitik ersichtlich wurden. Eine ähnliche Entwicklung wie beim Pfund hat sich auch schon in den Emerging Markets ergeben. Wenn eine Zentralbank nicht umsichtig agiert und die Landeswährung abwertet, suchen die Investoren die Flucht in Kryptowährungen.

Mellor: Für Investoren, die fürchten, dass London die Kontrolle über die Staatsausgaben verloren hat, ergibt eine Diversifikation abseits von Pfund-Assets Sinn. Denn diese dürften sich weiter volatil zeigen – Bitcoin ist aufgrund der Zentralbankunabhängigkeit eine naheliegende Alternative. Neben dem Pfund entwickeln sich ja auch andere Industrieländerwährungen schwach.

Das hat aber zur Folge, dass sich die Trading-Flüsse an den Märkten insgesamt in Richtung Dollar verschieben. Belastet das Bitcoin nicht zusätzlich?

Butterfill: Im laufenden Jahr begrenzt die Dollar-Stärke das Aufwärtspotenzial von Bitcoin. Doch darüber hinaus dürften die Investoren das Augenmerk auf den US-Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen und andere vorwärtsgerichtete Wirtschaftsdaten legen. Zuletzt hat dieser ja schon auf eine Rezession hingedeutet. Zunehmender konjunktureller Druck bei steigenden Anleiherenditen stellt eben auch systemrelevante institutionelle Investoren vor Probleme. Wenn ökonomische Indikatoren über den Jahreswechsel hinaus stark nachlassen, dürfte sich unter den Marktteilnehmern breitere Unterstützung für eine Abschwächung des Dollar herausbilden, was wiederum Bitcoin begünstigen dürfte.

Welches konkrete Potenzial entsteht dadurch für Bitcoin?

Mellor: Konkrete Kursziele sind deshalb so schwierig zu formulieren, weil es für Bitcoin kaum fundamentale Bewertungskriterien gibt. Denn das Asset wirft keine feste Rendite ab, anders als am Aktienmarkt liegen der Kursentwicklung keine Ge­schäftszahlen zugrunde. Das stellt eine Parallele zu Gold dar, das wie Bitcoin vor allem als Wertaufbewahrungsmittel genutzt wird.

Butterfill: Aus dieser Parallele lassen sich aber durchaus Bewertungsmaßstäbe ableiten. Zum Rekordhoch von 69000 Dollar aus dem November 2021 wäre der Wert aller umlaufenden Bitcoin-Einheiten ungefähr auf ein Zehntel der Marktkapitalisierung von Gold gekommen. Das klingt nicht unvernünftig, wenn man bedenkt, dass die Zentralbanken die Wirtschaft in eine schwere Rezession führen könnten und Wertaufbewahrungsmittel gefragt sein dürften. Die früheren Hochs könnten 2023 also wieder in Reichweite rücken.

Wie dürften neue Kursaufschwünge die institutionelle Krypto-Adoption beeinflussen?

Butterfill: Bei neuen Aufschwüngen dürfte indes zunächst die Volatilität steigen, da das Open Interest annähernd Rekordniveau erreicht hat. In der Vergangenheit war die Aktivität vor allem auf das Retail-Segment zurückzuführen, doch auch institutionelle Investoren wollen verstärkt im Segment mitmischen. Unsere Kunden signalisieren uns, dass sie auf das abnehmende Vertrauen in die Geldpolitik reagieren und auf einen Fed-Umschwung warten, um ihre Positionen aufzustocken.

Mellor: Der Großteil der institutionellen Investoren ist sehr vorsichtig. Denn diese Marktteilnehmer müssen sich mit fallenden Kursen in allen Assetklassen auseinandersetzen. Sie priorisieren die traditionellen Anlagen in ihren Strategien immer noch stark. Allerdings gibt es auch eine Reihe an institutionellen Investoren, die sich schon länger für Digital Assets interessieren, angesichts hoher Kursniveaus aber vor einer Investition zurückschreckten. Für sie könnten sich die aktuellen Kursniveaus also als attraktive Einstiegspunkte herausstellen.

Hoffnungen auf verstärkte institutionelle Einstiege hat auch die Kooperation zwischen der Kryptobörse Coinbase und Blackrock geweckt. Inwiefern zieht ein breiteres Angebot an Investitionsmöglichkeiten tatsächlich eine höhere Nachfrage nach sich?

Mellor: Die Zugänglichkeit ist ein wichtiger Faktor. Kryptowährungen haben die ungewöhnliche Eigenschaft, dass sie für Privatanleger leichter investierbar sind als für institutionelle Investoren. Denn Letztere können nicht einfach Trading-Apps auf ihren Smartphones einrichten. Allerdings hat sich die Zugänglichkeit für Institutionelle in den vergangenen beiden Jahren verbessert.

Butterfill: Die Zahl der Exchange Traded Products auf Cyberdevisen ist in diesem Zeitraum gewachsen. Zwar fallen die institutionellen Mittelflüsse bei diesen Produkten noch moderat aus, was gegen die These spricht, dass ein erleichterter Zugang automatisch mehr Nachfrage auslöst. Allerdings wird das Interesse wieder steigen, wenn der Markt dreht. Denn für institutionelle Investoren ist es immer noch wesentlich einfacher, über ETPs am Markt zu partizipieren als per Direktanlage über Profiplattformen.

Warum?

Butterfill: Vor allem aufgrund der Sicherheit. Bei unseren ETPs würden Partner wie der Law Debenture Trust im Insolvenzfall die Erstattung der Assets regeln, damit sind unsere Produkte im Grunde insolvenzsicher. Bei vielen Handelsplattformen, die Direktinvestments anbieten, sind Kunden einem viel stärkeren Emittentenrisiko ausgesetzt. Bei einem großen Teil der ETPs sind zudem Verwahrlösungen vorhanden, die institutionellen Ansprüchen genügen. Darüber hinaus bieten wir ein Live-Auditing an, was in Bezug auf die Due Diligence von Vorteil ist.

Allerdings gehen die Regulatoren in den USA hart gegen Digital Assets vor. Behindert dies die Krypto-Adoption dauerhaft?

Mellor: Höhere regulatorische Klarheit in Bezug auf Kryptowährungen ist für das Segment förderlich, da so die Rechtssicherheit für Investoren steigt. Allerdings muss die Regulierung schlüssig sein. Das Ziel ist es ja, ein höheres Maß an Investorenschutz zu erreichen. Ein prohibitives Vorgehen ist da nicht förderlich. Das gilt nicht nur für die USA. In Großbritannien verbieten die Behörden Werbung für Digital-Assets-Produkte sehr strikt. Doch wenn Anleger nicht wissen, dass sie über regulierte Assetmanager investieren können, suchen sie sich eben einen unregulierten Zugang zum Markt.

Butterfill: Im institutionellen Be­reich belastet das Vorgehen der US-Be­hörden das Sentiment definitiv. Dass die Sorgen schwer wiegen, hat sich auch rund um die tiefgreifende Systemumstellung des Ethereum-Netzwerks im September gezeigt.

Durch das Upgrade „The Merge“ wurde Ethereum vom stromintensiven Proof-of-Work-Konsensmechanismus auf die energieeffizientere Proof-of-Stake-Variante umgestellt. Zu den erwarteten Kursaufschwüngen ist es in der Folge aber nicht gekommen.

Butterfill: Das ist stark auf das Vorgehen der SEC zurückzuführen. Denn die US-Börsenaufsicht hat mehrere Krypto-Emittenten angeklagt, weil sie deren Cyberdevisen als unrechtmäßig emittierte Wertpapiere einstuft. Zuletzt machte die Sorge die Runde, dass dies auch bei Ether passieren könnte. Denn durch den nun Staking-Mechanismus wirft die Kryptowährung nun wie ein Wertpapier Renditen ab. Solange es da keine regulatorische Klarheit gibt, dürften institutionelle Investoren Ether trotz Nachhaltigkeitsvorteilen und attraktiven Verzinsungen skeptisch betrachten.

Mellor: Positiv ist allerdings, dass der „Merge“ technologisch reibungslos vonstattengegangen ist. Die Blockchain ist in der Folge nicht nur nachhaltigkeitskonformer geworden, sondern dürfte sich auch stärker skalieren lassen. Langfristig bildet Ethereum die Grundlage für viele Anwendungen, zum Beispiel im dezentralen Finanzwesen. Dies sollte perspektivisch die Transaktionsvolumina von Ether antreiben.

Das Interview führte

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