Blackrock-Strategin sieht 2025 Chancen vor allem bei US-Aktien
Im Interview: Ann-Katrin Petersen
Blackrock sieht Chancen bei US-Aktien
KI treibt Tech-Werte und Versorger an – Amerikanische Finanzwerte ebenfalls attraktiv
Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert Ann-Katrin Petersen, Leiterin Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Osteuropa beim Blackrock Investment Institute, wo sie 2025 Chancen für Anleger an den Finanzmärkten sieht – trotz des nach wie vor schwierigen Marktumfelds.
Das Interview führte Dieter Kuckelkorn. Das vollständige Interview finden Sie unter www.boersen-zeitung.de.
Frau Petersen, welche Entwicklungen werden Ihrer Meinung nach 2025 für das Umfeld der Finanzmärkte prägend sein?
Das Marktumfeld wird 2025 wie auch schon im laufenden Jahr nicht nur durch die klassischen hauptsächlich konjunkturellen Faktoren gekennzeichnet sein, sondern auch durch große strukturelle Umwälzungen im Hintergrund. Wir bewegen uns in einem ungewöhnlichen Umfeld, in dem alte Muster und Thesen für Anleger so nicht mehr gelten. Auffällig ist beispielsweise der Vormarsch der künstlichen Intelligenz, der die Märkte 2024 durchaus geprägt hat, aber ebenso die geopolitische Fragmentierung, die sich auch weiterhin zeigen wird. Zu den relevanten Entwicklungen gehören ferner der Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Welt sowie demografische Trends. Diese Faktoren und damit einhergehende Transformation werden gesamtwirtschaftlich und auf Sektorebene eine Rolle spielen, und sich entsprechend auf den Märkten und Anlagechancen niederschlagen.
Wo wirkt sich das aus Anlegersicht derzeit besonders aus?
Die weltweiten Aktienmärkte haben sich 2024 bislang sehr positiv entwickelt mit einem Plus von durchschnittlich mehr als 20%. Aber der amerikanische Markt spielt dabei in seiner eigenen Liga. Diese Ausnahmestellung dürfte sich unserer Überzeugung nach auch 2025 fortsetzen, denn erstens ist die inzwischen breiter gefächerte Entwicklung der US-Unternehmensgewinne weiterhin stark. Zweitens bleiben die USA ein großer Nutznießer des Siegeszugs der Künstlichen Intelligenz, stärker als beispielsweise Europa. Wir gehen davon aus, dass sich das Investmentthema KI über Tech hinaus ausweitet, wovon der US-Markt in seiner Breite profitieren dürfte. Daher sind wir für den amerikanischen Aktienmarkt für die kommenden sechs bis zwölf Monate taktisch konstruktiv positioniert. Was die Sektoren betrifft, so sehen wir in den USA weiterhin den Technologiesektor gestützt, vor dem Hintergrund der zu erwartenden Deregulierungsmaßnahmen und Steuersenkungen auch den Bankensektor. Vom Vormarsch der künstlichen Intelligenz sollten auch Unternehmen aus dem Bereich der Versorger und Energie profitieren, weil neue Rechenzentren enorm energieintensiv sind.
Sehen Sie deutliche Einflüsse des sich ändernden Marktumfelds auch in anderen Märkten und in anderen Regionen?
Divergenzen zwischen den USA und Europa lassen sich nicht nur bei Aktien, sondern auch am Rentenmarkt erkennen. In den USA dürften sich die Renditen am langen Ende weiter nach oben bewegen, unter anderem aufgrund der zu erwartenden aufwärtsgerichteten Staatsschuldendynamik. Die Kombination aus einer protektionistischen Handelspolitik, einer strengeren Einwanderungspolitik und einer lockeren Fiskalpolitik in den USA dürften sich in einem hartnäckigen Inflationsdruck manifestieren, der den Zinssenkungsspielraum der amerikanischen Notenbank Federal Reserve begrenzt. Das führt dazu, dass Anleger eine höhere Entschädigung fordern sollten, wenn sie langlaufende US-Staatsanleihen halten. Die amerikanische Staatsschuldenquote beträgt bereits mehr als 120%, sie könnte sich per Ende dieses Jahrzehnts in Richtung 150% entwickeln. Und es ist durchaus möglich, dass wir um das Jahr 2040 die Marke von 200% erreichen. Wir erwarten also ein Auseinanderklaffen der Staatsschuldendynamik in den USA und Europa, was sich insbesondere auf den Rentenmarkt auswirken wird.
Wird sich eine protektionistische Handelspolitik auch an den Aktienmärkten niederschlagen?
Eine solche Politik ist und bleibt ein Damoklesschwert, das unter anderem über den europäischen Aktienmärkten hängt. Anleger in Europa werden daher in ihren Investment-Entscheidungen wohl überlegt agieren. Das gilt, obwohl sich der Bewertungsabschlag europäische Aktien gegenüber amerikanischen Dividendentiteln auf einem historischen Hoch befindet, und eine moderate Konjunkturbelebung und Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank eine bescheidene Erholung der Gewinne unterstützen. Doch fehlt unseres Erachtens aktuell der Katalysator für eine konstruktive Positionierung hinsichtlich europäischer Aktien. Das alles bedeutet nicht, dass es keine Chancen für Anleger am europäischen Aktienmarkt gibt. So sehen wir durchaus Gelegenheiten bei europäischen Finanzwerten und auch bei Versorgern. Anleger sollten daher selektiv vorgehen.
In der globalen Perspektive, welche Aktienmärkte halten Sie sonst noch für attraktiv?
Aus taktischer Sicht, also mit Blick auf die kommenden sechs bis zwölf Monate, betrachten wir neben den USA nach wie vor Japan als attraktiv. Das Land gehört auch im laufenden Jahr zu den Regionen, in denen es ein starkes Gewinnwachstum gibt – vor dem Hintergrund aktionärsfreundlicher Unternehmensreformen, die in Gang gekommen sind. Außerdem hat Japan die Deflation abgeschüttelt, die nun zu beobachtende moderate Inflation gibt den japanischen Unternehmen größeren Preissetzungsspielraum. Zudem bietet die solide japanische Binnenkonjunktur den grundsätzlich exportstarken multinationalen japanischen Unternehmen einen gewissen Puffer gegenüber einem herausfordernderen außenpolitischen Umfeld.
Wie ist Ihre Positionierung hinsichtlich Aktien aus den Emerging Markets?
Wir sind taktisch neutral positioniert, aber in der längeren Perspektive von fünf Jahren und mehr konstruktiv eingestellt für die Schwellenländeraktien und bevorzugen diese gegenüber Dividendentiteln aus den Industrieländern. Das bedeutet, dass wir gegenüber der Benchmark in der Allokation dort seit Jahresbeginn ein strategisches Übergewicht halten. Dafür sehen wir zwei Gründe. Zum einen gibt es einen Bewertungsabschlag der Emerging Markets gegenüber den Märkten der Industrieländer. Zum anderen haben sich in einer ganzen Reihe von Schwellenländern die Wachstums- und Gewinnaussichten aufgehellt – dazu gehört zwar nicht China, aber beispielsweise Indien. Das liegt daran, dass diese Länder von den erwähnten großen strukturellen Umbrüchen profitieren. So stützt beispielsweise in diesen Ländern eine junge und wachsende Bevölkerung die Wachstumsperspektiven. Einige der Schwellenländer profitieren auch von der Neuorientierung der globalen Lieferketten vor dem Hintergrund einer geopolitisch volatileren Weltordnung. Global bemühen sich Länder und Unternehmen darum, ihre Lieferketten resilienter auszugestalten, die Stichworte sind hier Re-Shoring und Near-Shoring. Davon dürfte Märkte wie Mexiko und Vietnam profitieren. Indien wiederum ist nicht zuletzt ein Land, das von der fortschreitenden Digitalisierung positive Impulse erhält.
Was ist Ihre Einstellung gegenüber dem britischen Aktienmarkt?
Das klare politische Mandat der britischen Regierung durch den Wähler hätte seit dem Sommer das Sentiment der Investoren spürbar verbessern können. Das ist aber bislang ausgeblieben, ebenso wie eine spürbare Belebung der Gewinne. Trotz des hohen Bewertungsabschlags seit dem Brexit fordern die Anleger nach wie vor eine höhere Risikoprämie in Großbritannien. Insofern setzen wir hier taktisch auf eine neutrale Positionierung.
Und was ist Ihr gegenwärtiger Eindruck von China?
Die Lage in China stellt sich gemischt dar. Wir betrachten die strukturellen Wachstums- und Gewinnperspektiven weiterhin als verhalten. In der kürzeren Perspektive stellt sich die Frage, ob von der Regierung eine weitere fiskalpolitische Stimulierung angekündigt wird, um das Vertrauen der chinesischen Konsumenten zu stärken, und wie die chinesische Reaktion auf die höchstwahrscheinlich protektionistischere amerikanische Handelspolitik aussehen wird. In Abhängigkeit von diesen Faktoren ist taktisch eine konstruktive Betrachtungsweise hinsichtlich des chinesischen Aktienmarktes berechtigt.
Am indischen Aktienmarkt gibt es derzeit eine Korrektur. Wie beurteilen Sie dort die Lage?
Indien gehört sicherlich nicht zu den Aktienmärkten, die besonders preisgünstig sind. Wir beurteilen aber die Perspektiven für Wachstum und Gewinnentwicklung positiv. Daher gehört Indien weiterhin zu den Märkten, die wir in der strategischen Allokation übergewichten.
Blicken wir kurz auf die Anleihemärkte. Wo sehen Sie dort Chancen für Anleger?
In einem globalen Umfeld, in dem der Zinssenkungsspielraum der Notenbanken begrenzter ausfällt als in der Vergangenheit, bleibt Zinseinkommen bei kürzeren Laufzeiten eine attraktive Säule im Portfolio. Das betrifft sowohl die taktische als auch die strategische Allokation. Regional gilt es insbesondere am langen Ende zu differenzieren. So bevorzugen wir europäische Staatsanleihen gegenüber amerikanischen in Erwartung einer kräftigeren Versteilung der Zinskurve am US-Markt. Wir sind daher in amerikanischen langlaufenden Staatsanleihen moderat untergewichtet. Das ist sowohl eine strategische Positionierung als auch eine taktische mit Blick auf die kommenden sechs bis zwölf Monate.
Auf welche Verschiebungen der Relationen am Devisenmarkt haben sich Anleger 2025 einzustellen?
In der kürzeren Frist sollte der Dollar unterstützt bleiben. Das ist zum einen zurückzuführen auf die Renditedifferenz gegenüber anderen Währungsräumen, zumal wir für die Fed einen geringeren Zinssenkungsspielraum sehen als für die EZB. Zum anderen spielt das Marktsentiment eine Rolle. Wir befinden uns nach wie vor in einem risikofreudigen Umfeld bei einer allerdings gleichzeitig geopolitisch durchaus fragilen Lage. Das kann immer wieder dazu führen, dass der Dollar als sicherer Hafen aufgesucht wird. Wir erwarten zudem eine moderate Aufwertung des Yen, weil die Bank of Japan ihre allmähliche Normalisierung der Geldpolitik fortsetzen wird, während sich die anderen großen Notenbanken in einem Lockerungszyklus befinden.
Wo sehen Sie Gelegenheiten für Investoren an den Rohstoffmärkten?
Innerhalb der Anlageklasse bleiben insbesondere diejenigen Rohstoffe, vor allem Industriemetalle, gut unterstützt, die vom Ausbau der KI-Infrastruktur und auch vom Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Welt profitieren. Zu nennen wäre dabei unter anderem Kupfer.
Was erwarten Sie für den Goldpreis nach dem starken Anstieg im laufenden Jahr?
Wir haben bereits eine fulminante Entwicklung des Goldpreises gesehen. Die Realzinsen sinken, was die Opportunitätskosten der Haltung sich nicht verzinsenden Goldes schmälert. Außerdem stützt ein Umfeld, in dem sich die Inflation auf einem höheren Niveau einpendelt, grundsätzlich den Goldpreis, ebenso wie die fragile geopolitische Lage. Allerdings ist es fraglich, ob es noch einmal zu einer derart starken Preisentwicklung kommen kann.
Zur Person: Ann-Katrin Petersen ist Leiterin Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Osteuropa beim Blackrock Investment Institute (BII). Sie verantwortet in der Region die Vordenkerrolle im BII zu globalen Wirtschafts- und Investmentthemen. Darüber hinaus ist Petersen Mitglied des globalen taktischen Asset-Allocation-Teams und Co-Leiterin des europäischen Allokationsteams. Die Diplom-Volkswirtin begann ihre berufliche Laufbahn 2010 in der volkswirtschaftlichen Abteilung der Allianz SE und war anschließend als Kapitalmarkanalystin und Investmentstrategin im Bereich Global Economics & Strategy von Allianz Global Investors tätig, bevor sie 2022 zu Blackrock wechselte. Sie absolvierte ihr Volkswirtschaftsstudium an den Universitäten Bayreuth und Nottingham. Darüber hinaus hält sie einen Bachelor of Arts in „Philosophy & Economics“ und ist CFA-Charterholder.