Dax vor Wendepunkt, Edelmetalle fangen sich
Von Martin Utschneider*)
Der Dax hat zuletzt wiederholt die charttechnisch sowie psychologisch wichtige Marke von 14000 Punkten getestet. Zu Beginn der Woche überschritt er diese dann – aber auch nachhaltig genug? Zuletzt war bei 14226 Punkten im Tagesverlauf der Wendepunkt. Der zuletzt immer wieder thematisierte Abwärtsmodus bleibt somit weiterhin umkämpft. Der deutsche Leitindex steht nun innerhalb weniger Tage wieder an einer möglichen Wendemarke.
Leitindex vor weitem Weg
So richtig durchatmen können die Anleger und Investoren zwar erst wieder beim Überschreiten der 14980 Zähler. Aus charttechnischen Gesichtspunkten scheint nun dafür der „erste Schritt“ anzustehen. Für eine technische Kehrtwende nach oben müssten aber auch nach wie vor sämtliche gleitenden Durchschnitte überschritten werden. Diese verlaufen in einer Spanne von 15155 bis 14090 Punkten. Zumindest bei der 38-Tage-Linie (14090) scheint es nun geschafft. Dennoch steht noch ein immens weiter Weg bevor. Die kurz- bis mittelfristigen Abwärtstendenzen bleiben indes weiterhin gegeben, sollte der Dax wieder in den Abwärtsmodus zurückfallen.
Seitens der Markttechnik gibt es divergente Signale. Während der Trendfolgeindikator MACD neutral tendiert, verläuft das Momentum minimal positiv. Die Slow-Stochastik könnte demnächst sogar ein Kaufsignal generieren. Der primäre Fokus gilt somit kurzfristig der Spanne von 14000 bis 14226 Punkten. Neben den unkalkulierbaren Geschehnissen im Ukraine-Krieg kursiert seit einiger Zeit wieder die Angst vor einer globalen Rezession. Die Inflation ist weiterhin immens hoch, und die US-Notenbank hat bereits eine noch aggressivere Zinspolitik angekündigt.
Gefahr einer Kaufpanik
In Bezug auf den Dax besteht gerade jetzt die Gefahr einer Kaufpanik. Die Hoffnung auf eine nachhaltige Bodenbildung der deutschen Benchmark wird begleitet von der Befürchtung, etwas „verpasst“ zu haben. Diese Kaufpanik spürt man nun sehr stark. Vorschnelle Käufe und Investitionen können dann schnell wieder ins Gegenteil umschlagen. Der Widerstand bei 14226 Zählern sollte daher abgewartet werden.
Die beiden wichtigsten Edelmetalle konnten zuletzt wichtige charttechnische Muster ausbilden. Sowohl bei Gold als auch bei Silber hatte sich in den vergangenen Wochen eine Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS) ausgebildet. Der Bruch der jeweiligen Nackenlinien führte dann zu nahezu punktgenauen Kurszielerreichungen. Bei Gold verlief die Nackenlinie bei 1922 Dollar. Diese fungiert nun wiederum als kurzfristiges Kursziel und Widerstand. Allerdings warten davor noch einige gewichtige Hürden, allen voran die 100-Tage-Linie bei 1885 Dollar. Knapp darüber liegt dann die 38-Tage-Linie bei rund 1900 Dollar.
Unterstützung liefert unterdessen der Trendfolge-Indikator MACD. Noch schwankt dieser aber unterhalb der Nulllinie. Zudem ist das 14-Tage-Momentum nach wie vor negativ. Hoffnung macht dagegen die Slow-Stochastik. Sie ist trotz der jüngsten Kursentwicklung nicht überkauft.
Trendfolger mit Kaufsignal
Silber zeigt eine ähnliche Konstellation auf. Auch hier kam der Bruch der SKS-Nackenlinie einem Rückfall in den Abwärtsmodus gleich. Der kleine Bruder des Goldes tendiert weiterhin unterhalb sämtlicher gleitender Durchschnitte. Der Trendfolger MACD zeigt sich mit einem Kaufsignal. Das Momentum ist deutlich negativer als bei Gold. Die Slow-Stochastik zeigt sich der kurzfristigen Überhitzung näher als bei Gold und könnte dieser Tage im überverkauften Bereich ankommen. Die 200-, 100- und 38-Tage-Linien verlaufen zwischen 23,55 und 23,40. Eine doppelte „Death Cross“-Konstellation lässt aufhorchen. Die 38-Tage-Linie hat ihre beiden länger laufenden Pendants jüngst binnen weniger Tage unterschritten.
Bitcoin droht Rückschlag
Bitcoin hat zum Dollar zuletzt ebenfalls charttechnische Muster und Kursziele abgearbeitet. Diese verliefen sowohl bei 37078 als auch bei 28389 Dollar. Nun ist die führende Kryptowährung in einem klassischen Seitwärtstrend angekommen, tendiert allerdings deutlich in dessen unterem Drittel. Vieles deutet darauf hin, dass Bitcoin die Untergrenze von 28389 Dollar testet. Sollte die Digitalwährung unter diese Marke fallen, ergeben sich zwei Rückschlagszenarien. Diese könnten dann bis hin zu 24086 führen. Hier verläuft das Opening Gap vom 28. Dezember 2020. Die zweitgrößte Cyberdevise Ether könnte ebenfalls noch abrutschen. Das Kurzfristziel würde dann auf 1704 Dollar lauten.
Alles in allem bleiben sämtliche Assetklassen auch Ende Mai 2022 volatil. Bei den Anlegern wechseln sich Euphorie und Hysterie fast schon täglich ab. Dies ist an den Tageskerzen („Candles“) ersichtlich. Daher bleiben die besagten markt- und charttechnischen Marken weiterhin im Fokus. Kurz vor der Urlaubszeit bieten sich für Investoren nun wieder die klassischen Stop-Loss-Strategien an. Diese sorgen für einen entspannten und beruhigenden Aufenthalt am Strand, in den Bergen oder im heimischen Garten.
*) Martin Utschneider ist Abteilungsdirektor und Leiter Technische Analyse bei der Privatbank Donner & Reuschel.