Den Märkten für Erdgas und Öl drohen Turbulenzen
Rohstoffmärkte
Den Märkten für Erdgas und Öl drohen Turbulenzen
2025 könnte zum Jahr der Konflikte und Machtkämpfe rund um das Thema Energieversorgung zu werden
Seit dem 1. Januar gibt es wegen der Weigerung der ukrainischen Regierung keine russischen Erdgaslieferungen per Pipeline in die EU mehr. Das könnte der Auftakt sein für ein Jahr der energiepolitischen Konflikte und Kriege rund um den Globus. Hauptleidtragende davon wären die EU und insbesondere Deutschland.
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Der 1. Januar hat ein einschneidendes Ereignis an den europäischen Energiemärkten mit sich gebracht. Auf die Entscheidung der ukrainischen Regierung hin steht der Europäischen Union erstmals seit rund fünf Jahrzehnten kein russisches Erdgas per Pipeline als kostengünstiger Energieträger mehr zur Verfügung. Damit verliert die EU einen spürbaren Anteil ihrer Gasversorgung, der zuletzt immerhin noch 5% des gesamten in der Union verbrauchten Erdgases ausmachte. Daher muss sich Europa noch mehr am Weltmarkt mit dem oftmals knappen und deutlich teureren LNG-Erdgas, das per Tankschiff transportiert wird, versorgen und damit in Konkurrenz zu anderen Käufern beispielsweise aus Asien treten. Das Preisniveau am europäischen Spotmarkt spiegelt die Veränderung bereits deutlich wider. Notierte am virtuellen niederländischen Übergabepunkt Title Transfer Facility (TTF) der Monatskontakt im März noch zu weniger als 30 Euro je Megawattstunde, sind es inzwischen bereits wieder mehr als 50 Euro – was zu Preisen für die privaten und industriellen Verbraucher führt, die sehr deutlich über dem liegen, was in anderen Weltregionen bezahlt werden muss.
Sorgen nehmen zu
Besonders betroffen davon ist Deutschland. Nach Berechnungen von Bloomberg hat der Ausfall preisgünstigen russischen Leitungsgases, das noch 2021 die Hälfte des gesamten im Inland verbrauchten Erdgases ausmachte, dafür gesorgt, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt um rund 5% unter dem Niveau liegt, das es beim Erhalt der billigen Energie gegeben hätte. Aktuell nehmen die Sorgen in Deutschland zu, was die Stabilität der Gasversorgung betrifft. So ruft die Bundesnetzagentur bereits wieder dazu auf, Gas zu sparen, zumal der Verbrauch des Energieträgers zwischen Oktober und Dezember um 5,8% über Vorjahr lag.
Dazu trägt ein bislang kalter Winter bei, der gemäß den Erwartungen der Meteorologen auch weiterhin deutlich kälter ausfallen soll als im Vorjahr. Daher sind die Lagerbestände in den Gasspeichern auch spürbar schneller gesunken als in den Vorjahren mit aktuell nur noch rund 80% Füllung. Zwar betont die Netzagentur, die deutsche Gasversorgung sei sicher, sie weist allerdings auf zunehmende Preisrisiken hin, wenn der Verbrauch hoch bleibt.
Konfliktherd Ostsee
Zuletzt hatte Russland inklusive des über die Ukraine gelieferten Leitungsgases 18% zur europäischen Gasversorgung beigetragen, da der Anteil der russischen LNG-Lieferungen deutlich gestiegen ist. Das ist allerdings der EU-Kommission und den Regierungen einiger osteuropäischer EU-Mitgliedsländer ein Dorn im Auge, die spätestens 2027 die vollständige Abnabelung Europas von russischer Energie durchgesetzt haben wollen. Zu einem neuen Konfliktherd droht dabei die Ostsee zu werden, in der laut EU-Darstellung eine russische „Schattenflotte“ von Öl- und Gastankern für Unsicherheit sorge. Der Begriff der Schatten- oder auch Geisterflotte bezieht sich schlicht darauf, dass die Schiffe nicht in London, sondern in Russland oder an anderen Orten versichert sind. Es hat bereits erste Sanktionen gegen diese Schiffe gegeben, und Forderungen nach einer drastischen Ausweitung der Sanktionen bis hin zu einer kompletten Sperrung der Ostsee für russische Schiffe sind bereits erhoben worden.
Gegenmaßnahmen angekündigt
Damit droht das neue Jahr 2025 zu einem Jahr der globalen Auseinandersetzungen um die Energieversorgung zu werden. In Europa deuten darauf nicht nur die Pläne der Abnabelung von russischer Energie hin, sondern auch, dass beispielsweise die slowakische Regierung nun als Gegenmaßnahme gegen die Unterbrechung der Gaslieferungen durch Kiew angedroht hat, die durchaus substanziellen Stromlieferungen in die Ukraine zu unterbinden. Erstes Opfer des neuen Energiekriegs ist die Bevölkerung der unabhängigen Region Transnistrien innerhalb Moldawiens, in der mitten im Winter die Gasversorgung und damit die Heizungen komplett ausgefallen sind. Konflikte rund um Erdgas könnten sich auch anderweitig auftun. So hat Katar als ein durchaus wichtiger Gaslieferant Europas angedroht, die Lieferungen in die EU einzustellen, sollte diese ihre umweltpolitischen Regelungen auf Katar ausdehnen und Strafzahlungen gegen katarische Gaslieferanten verhängen.
Handel als Waffe
Da der russische Präsident Wladimir Putin jüngst auf einer Pressekonferenz betonte, dass Russland nach den zahlreichen Konflikten der vergangenen Jahre kein Interesse mehr an künftigen Gaslieferungen in die EU hat, ist Europa in der Zukunft von wenigen Lieferanten abhängig, insbesondere von den USA. Der neue Präsident Donald Trump hat bereits in der Vergangenheit die Handelspolitik in vielen Fällen als Waffe eingesetzt, er sieht sich zudem seinen Wählern in den USA verpflichtet und weniger den europäischen Verbündeten. In der Vergangenheit hat es bereits Phasen gegeben, in denen eine US-Regierung Energieexporte untersagte, um beispielsweise die Energiepreise in den USA zu senken. Daher sollte die EU die Lieferungen ihres mittlerweile bedeutendsten Gaslieferanten USA keineswegs als sicher erachten. Sollten diese Lieferungen von der US-Regierung unterbrochen werden, hätte dies katastrophale Folgen für die europäische Wirtschaft.
Krieg gegen den Iran?
Handelspolitische oder sogar reale Kriege drohen auch rund um den Ölmarkt auszubrechen. So berichten Bloomberg und die „Washington Post“ übereinstimmend, dass der gegenwärtig noch amtierende Präsident Joe Biden kurz vor dem Ende seiner Amtszeit weitreichende Sanktionen gegen russisches Öl verhängen könnte, von denen er vor der Präsidentschaftswahl mit Blick auf die Wirkung auf die Ölpreise abgesehen hatte. Solche Sanktionen hätten eine weitere Neuorientierung der Handelsbeziehungen am Ölmarkt zur Folge, die sich über mehrere Monate hinziehen würde und in der Zwischenzeit für stark steigende Preise sorgen könnte. Aus der bald an den Start gehenden Trump-Administration sind zu dem stark antiiranische Töne zu hören – bis hin zu der Forderung, die USA sollten gemeinsam mit Israel den Iran angreifen. Dies würde jedoch dem Ölmarkt die iranische Förderung von rund 2,8 Mill. Barrel pro Tag entziehen und den Transport von Öl und LNG-Erdgas durch die Meeresenge von Hormus gefährden.
Von allen Weltregionen ist im Fall zunehmender Konflikte rund um die Energieversorgung dabei Europa der schwächste Teil, weil die Europäische Union selbst energiearm ist und inzwischen über keine langfristigen Verträge zur Sicherstellung ihrer Versorgung mehr verfügt.