Ukraine-Krieg

Die Gewinner der Entglobalisierung

Durch den Krieg in der Ukraine ändern sich die Vorzeichen für die Weltwirtschaft und die Kapitalmärkte radikal.

Die Gewinner der Entglobalisierung

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine verändert, ungeachtet seines Ausgangs, die langfristige Lage der Weltwirtschaft. Der Krieg hat dem Westen, aber auch Ländern wie China, vor Augen geführt, welche Risiken eine zu hohe Vernetzung der Weltwirtschaft birgt. Mehr als 30 Jahre währte die Phase der Globalisierung der Wirtschaft und brachte neben niedriger Inflation Wohlstandsgewinne für breite Massen der Weltbevölkerung.

Vorzeichen radikal verändert

Nun ändern sich die Vorzeichen radikal. Die Entglobalisierung der Weltwirtschaft wird in den kommenden Jahren das Geschehen bestimmen: Zahlreiche Unternehmen verkürzen ihre Lieferketten und werden die Wertschöpfung vermehrt zurück in ihr Unternehmen integrieren. Die Nachfrage nach den schon jetzt knappen Vorprodukten und Arbeitskräften wird dadurch steigen.

Die Unternehmen werden ihre Lagerhaltung erhöhen und Sicherheitspuffer in ihre Lieferketten einbauen müssen.

Auch ganze Länder wollen ihre Abhängigkeit von strategisch wichtigen Rohstoffen und Produkten verringern und verstärkt unter ihrer Kontrolle herstellen. Unternehmen werden somit vermehrt Produktionsstätten in dem Wirtschaftsblock aufbauen, dem der entsprechende Markt angehört. Die Weltwirtschaft wird am Ende noch vernetzter sein als vor der Globalisierung. Doch der Grad der Vernetzung wird zurückgehen, und Lieferketten werden damit suboptimal.

Die Entglobalisierung führt somit unweigerlich zu Effizienzverlusten. Der Prozess der Entglobalisierung wird zu einem steigenden Preisniveau für viele Produkte und somit zu höheren Inflationsraten führen.

Der Anstieg der Inflationsraten setzte weltweit wegen der starken Ausweitung der Geldmengen und Unterbrechung von Lieferketten – beides coronabedingt – schon im vergangenen Jahr ein, zu einem Zeitpunkt, als niemand an die Möglichkeit eines russischen Einmarsches in die Ukraine dachte. Somit überlagern sich die beiden Trends – Anstieg der weltweiten Inflationsraten und ein Rückgang in der Integration der Weltwirtschaft – und verstärken sich gegenseitig.

Hinzu kommen die inflationstreibenden demografischen Faktoren, die zunehmend – und langfristig – wirksam werden. Die Zahl der Arbeitskräfte wird in den Industrieländern, besonders auch in China, schrumpfen, was die Löhne hochtreibt (Lohnforderung der IG Metall: 7 bis 8% Erhöhung!). Die wachsende Zahl älterer Menschen wird die Rentenzahlungen und die Gesundheitskosten teilweise zulasten der Staatskassen steigen lassen. Höhere Staatsschulden stehen aber einer Bekämpfung der Inflation durch hohe Zinsen entgegen.

Damit folgen die Kapitalmärkte nun anderen Regeln als in den vergangenen Jahren. Viele Anleger kennen Inflation nur noch aus alten Büchern. Sie müssen sich jetzt darauf einstellen, dass die Inflationsrate hoch bleibt und dass die Zinsen ein wenig steigen.

Aktien und Gold gefragt

Was die Zinsen betrifft, so rechnen wir für Europa mit etwas mehr als 2%, in den USA mit etwa 3%. Das ist zu wenig, um vermeintlich sichere Anlagen wie Anleihen oder Sparkonten für eine Vermögensstrategie attraktiv zu machen. Aktien, Private Equity, Gold und Immobilien werden weiterhin zentrale Bestandteile einer langfristig ausgerichteten Anlagestrategie bleiben.

Allerdings werden nicht alle Aktien und Beteiligungen gleichermaßen von diesen Verschiebungen profitieren. Für Vermögensverwalter und Anleger geht es nun darum, jene Titel zu identifizieren, die sowohl von steigenden Inflationsraten wie auch von einer stärkeren Rückbesinnung auf lokale Produktion profi­tieren.

Diese Gemengelage kommt solide geführten Unternehmen zugute, die dank starker Marken in der Lage sind, höhere Preise leichter bei ihren Kunden durchzusetzen. Auch Hersteller von Produkten, die Grundbedürfnisse bedienen, können bei steigenden Preisen auf eine stabile Nachfrage vertrauen. Das gilt etwa für Hersteller von Grundnahrungsmitteln, Medikamenten oder Hygieneprodukten.

Die weltpolitischen Verschiebungen werden auch dazu führen, dass die europäischen Regierungen die Energiewende beschleunigen werden, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Davon werden Unternehmen profitieren, die aktiv die Energiewende mitgestalten.

Und schließlich Gold wird höhere Erträge abwerfen als bisher erwartet, auch weil die Kapitalmarktteilnehmer noch immer langfristige Inflationserwartungen haben, die kaum über 2% liegen.