Kapitalmarktausblick

„Eine Rezession ist unvermeidlich“

Die Capital Group stellt sich auf stürmische Zeiten ein. Volatilität biete aber auch Chancen, betont die Portfoliomanagerin Caroline Randall. Sie setzt unter anderem auf Versorger und Pharmaunternehmen.

„Eine Rezession ist unvermeidlich“

hip London

Der US-Vermögensverwalter Capital Group hat auf seinem Pressetag in London gar nicht erst versucht, die Situation an den Finanzmärkten schönzureden. „Wir befinden uns derzeit offenkundig in einem schwierigen Umfeld“, sagte die Portfoliomanagerin Caroline Randall, die auch dem Managementkomitee des privat gehaltenen Assetmanagers angehört. Volatilität biete aber auch Chancen. Das veränderte Marktumfeld werde neue Gewinner hervorbringen. Aus ihrer Sicht gehören dazu Rüstungsunternehmen, Ver­sorger, Industrieunternehmen, deren Produkte für die Energiewende benötigt werden, und Pharmaunternehmen. Interessant seien auch Unternehmen, die übermäßig abverkauft wurden, etwa aus den Branchen E-Commerce, Logistik oder Sustainable Cities. Die Frage sei, ob sie über Bilanzen verfügen, die stark genug sind, um die aktuelle Krise durchzustehen.

Und noch etwas habe sich geändert: „Dividenden werden künftig einen viel größeren Beitrag zur Ge­samtrendite leisten“, sagte Randall. Aus ihrer Sicht sind die Ausschüttungen an die Aktionäre und deren Wachstum eines der klarsten Signale für das Vertrauen des Managements eines Unternehmens in das künftige Gewinnwachstum. Man müsse aber absolut sicher sein, dass die Firmen die versprochenen Dividenden auch wirklich zahlen werden. Sie sei weniger interessiert an den Papieren von Herstellern verzichtbarer Konsumgüter, Banken und Technologieunternehmen. Bei den Finanzinstituten, die eigentlich von steigenden Zinsen profitieren sollten, missfielen ihr die Volatilität der Ausschüttungen und die Gefahr zusätzlicher regulatorischer Kapitalanforderungen. Bei den Versorgern setze sie auf die Firmen, denen die Leitungen und Rohre gehören, die in jeden Haushalt führen. Sie habe sich stets Sorgen um die Möglichkeit gemacht, steigende Rechnungen für die privaten Haushalte politisch auszuschlachten. „Als Politiker wird man sich aber nicht einem Thema widmen, das gerade einmal 5% der Rechnungen ausmacht“, sagte sie. Zudem trügen die Infrastrukturunternehmen zur Lö­sung der Energiekrise bei, etwa in­dem sie für die Anbindung von Offshore-Windparks sorgten. Insgesamt zeigte sie sich für eine Aktienexpertin ungewöhnlich pessimistisch. „Eine Re­zession ist unvermeidlich. Wir werden in Europa in den kommenden sechs Monaten wohl eine schwere Zeit haben.“

„Ziemlich einzigartig“

Was am Markt für britische Staatsanleihen (Gilts) geschah, sei „ziemlich einzigartig“, sagte der Portfoliomanager Andrew Cormack. Wenn es zu einem Ereignis komme, das sieben Standardabweichungen umfasse, tauchten eben Risiken auf. Ob man in anderen Märkten ähnliche Dinge sehen werde, hänge von Geschwindigkeit und Ausmaß der Bewegungen ab. Auch niederländische Pensionsfonds arbeiteten mit Leverage, gab Cormack zu bedenken.

Robert Lind, der Volkswirt der Gruppe, zog Parallelen zu den 1970er Jahren – mit Blick auf die Rohstoffpreisentwicklung, die außerordentlich niedrigen Realzinsen und die Sorgen um eine zu lockere Fiskalpolitik. Mit Blick auf die jüngste Entwicklung der Einkaufsmanagerindizes in den großen Volkswirtschaften sagte er: „Die Botschaft ist klar: Wir bewegen uns auf einen signifikanten Ab­schwung zu. Und dieser Abschwung ist sehr breit angelegt.“ Dazu trage die Straffung der Geldpolitik durch die großen Notenbanken bei. Es handele sich aber nicht etwa um einen Fehler der Federal Reserve o.Ä. Für deutsche Aktien werde derzeit eine hohe Risikoprämie verlangt, sagte Lind. Deutschland gehöre zu den Ländern, die vor den größten Herausforderungen stünden, denn es habe zu den größten Nutznießern der Globalisierung gehört.

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