Goldman Sachs setzt auf sanfte Landung
hip London
Goldman Sachs geht davon aus, dass der Weltwirtschaft eine harte Landung erspart bleiben wird. Schon in den vergangenen Monaten war die US-Investmentbank optimistischer als ihre Rivalen im Schnitt. Die Erholung an den Finanzmärkten seit Jahresbeginn sei „eine Erinnerung daran, wie schnell sich Dinge ändern können“, sagte CEO Richard Gnodde auf der Global Strategy Conference des Instituts in London. Derzeit beziffert Goldman Sachs die Wahrscheinlichkeit, dass die Vereinigten Staaten in den kommenden zwölf Monaten in eine Rezession rutschen, auf gerade einmal 35%. Der Median der Schätzungen am Markt liegt dagegen bei 65%. Zuletzt sei man auch für andere Weltregionen optimistischer geworden, sagte Chefvolkswirt Jan Hatzius, der auch das komplette Investment-Research verantwortet.
Schnell sinkende Inflation
In den USA erholten sich auf realer Basis die verfügbaren Einkommen vom Anfang vergangenen Jahres verzeichneten Rekordtief, sagte Hatzius. Und es gebe noch einen anderen Grund, warum eine Rezession nicht sein Basisszenario darstelle: Er denke, dass die Verzögerungen, die entstehen, bis sich Maßnahmen der Notenbanken wie Zinserhöhungen auswirken, vergleichsweise kurz seien. Der Großteil der geldpolitischen Straffung habe im ersten Halbjahr 2022 stattgefunden. Die größte Belastung dadurch spüre man jetzt, wenn man sie nicht schon hinter sich habe. Die US-Investmentbank erwartet zudem, dass die Inflation auf dem Heimatmarkt bis Ende des Jahres auf 3% zurückgeht. Im kommenden Jahr verortet Hatzius sie bei 2,5% und damit in der Nähe der Inflationsziele vieler Notenbanken. Es gebe nämlich „ein paar sehr große Unterschiede zu früheren Episoden mit hoher Inflation“. Dazu gehöre, dass die langfristigen Inflationserwartungen ziemlich fest verankert seien. Zudem ließen die negativen Effekte durch den Krieg in der Ukraine nach. In den Lieferketten normalisiere sich die Lage. Und die Mietsteigerungen in den Vereinigten Staaten hätten sich „dramatisch entschleunigt“. Die Überhitzung der US-Wirtschaft äußere sich nicht in einem exzessiven Beschäftigungsniveau. Zwar gebe es eine sehr hohe Zahl offener Stellen, aber der Anstieg der Lohnkosten habe sich verlangsamt. Deshalb geht Goldman Sachs davon aus, dass die Federal Reserve den Leitzins bis Mai noch um 75 Basispunkte erhöhen wird, aber nicht weiter. Andererseits rechnet die Bank nicht vor Ende 2024 mit einem ersten Schritt in die andere Richtung. Das Publikum im Auditorium der Londoner Europazentrale wollte den Optimismus nicht ganz teilen. Mehr als die Hälfte (57%) der Anwesenden waren der Meinung, dass die USA dieses Jahr in eine Rezession eintreten werden. Zudem erwarteten die Zuhörer, dass die Federal Reserve den Leitzins bereits im ersten Halbjahr 2024 erstmals senken wird.
Die Aktienstrategin Sharon Bell nannte europäische Aktien sehr attraktiv. Sie profitierten von zwei wichtigen Faktoren: sinkenden Gaspreisen und der Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft. „Das geht schneller, als wir und die meisten erwartet hätten“, sagte Bell. Bei den Bewertungen sei der Abstand zu den USA in den meisten Branchen groß. „Ironischerweise ist die Bewertung bei der Technologiebranche fast gleich“, fügte sie hinzu. Es gebe Spielraum für höhere Dividenden. Typischerweise machten Dividenden über einen Zyklus hinweg zwei Drittel der Gesamtrendite europäischer Aktien aus. Die Bank rechnet für 2023 mit einem Rückgang des Gewinns pro Aktie um 5%. Höhere Zinsen, Steuern und Lohnkosten forderten ihren Tribut. Im Jahr darauf dürfte er um 5% steigen. Banken, Energie- und Bergbaukonzerne bieten aus Sicht von Bell den meisten Wert für Anleger. In einer weiteren Publikumsumfrage waren nur 20% der Ansicht, dass der europäische Aktienmarkt im laufenden Jahr die größten Zuwächse zeigen würde. Immerhin 48% rechneten dagegen damit, dass Asien ohne Japan die beste Performance liefern wird. Ein Jahr zuvor hatten die Konferenzteilnehmer Europa vorn gesehen.