Zinserhöhungskurs

Harte Landung würde Dollar belasten

Der Dollar ist nicht mehr so stark wie noch Mitte Mai. Das mag verwundern. Schließlich hat die Fed gerade einen aggressiven Zinserhöhungskurs eingeschlagen und klingt entschlossen, den fortzusetzen.

Harte Landung würde Dollar belasten

Von Ulrich Leuchtmann *)

Der Dollar ist nicht mehr so extrem stark wie noch Mitte Mai. So handelte Euro/Dollar am 13. Mai noch unter der Marke von 1,04, letzte Woche hingegen häufig über 1,07. Aber auch gegenüber allen anderen G10-Währungen musste der Greenback in dieser Zeit Federn lassen. Das mag verwundern. Schließlich hat die Fed gerade einen ziemlich aggressiven Zinserhöhungskurs eingeschlagen und klingt entschlossen, den fortzusetzen. Momentan bekommt die Fed für ihre Politik der Inflationsbekämpfung nur Beifall. Wenn’s Kritik gibt, dann vor allem dafür, dass sie nicht noch schneller die Zügel anzieht oder nicht früher damit begonnen hat. Da fallen den Fed-Offiziellen falkenhafte Statements leicht. Mir scheint, die Öffentlichkeit erwartet von der Fed eine erfolgreiche, aber schmerzfreie Inflationsbekämpfung.

Um all die elaborierte ökonomische Theorie zu Inflation und Geldpolitik einfach zu beschreiben: Inflation entsteht, wenn die nominale Nachfrage das nominale Angebot übersteigt. Wer in letzter Zeit Rapsöl kaufen wollte, sieht das ein, auch ohne VWL-Vorlesungen belegt zu haben. Nun kann die Fed das Angebot nicht erhöhen. Sie kann weder die nachgefragten Güter und Dienstleistungen, die fehlen, selbst produzieren. Noch kann sie mehr Amerikaner direkt dazu überreden, wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Das Einzige, was sie tun kann, ist, die Nachfrage zu reduzieren.

Die klassische „weiche Landung“ besteht darin, durch höhere Zinsen die Sparneigung anzufachen. Dadurch reduziert sich die aktuelle Nachfrage und gleichzeitig eröffnet der Konsumverzicht die Möglichkeit, mehr zu investieren, was die Produktionskapazität und das gesamtwirtschaftliche Angebot erhöht. Für die Fed wäre solch eine Politik relativ einfach durchzuhalten. Sie würde als wenig „schmerzhaft“ empfunden werden. Glaubt man, dass dieses Szenario eintritt, mag man dem Dollar weitere Stärke zutrauen. Dann bieten sich rentierliche Anlagemöglichkeiten für die Dollars, die man heute erwirbt. Mehr als für die Währungen weniger aggressiver Zentralbanken.

Doch sehen wir seit langem, dass die Veränderung der Zinsen nur wenig Einfluss darauf hatte, Konsumenten zu mehr oder weniger Sparen zu veranlassen. Daher kommen zunehmend Sorgen vor einer „harten Landung“ auf. Hierbei muss die Fed mit Zinserhöhungen dafür sorgen, dass die Konjunktur sich so weit abkühlt, dass die realen Löhne sinken, die Arbeitslosigkeit steigt, die Kurse von Aktien und Renten sowie die Immobilienpreise fallen. Dadurch bewirkt sie, dass die Konsumenten sich ärmer und unsicherer fühlen, was ihnen den Appetit auf Konsum verhagelt und die Nachfrage sinken lässt, weniger US-Amerikaner es sich leisten können, vom Arbeitsmarkt fernzubleiben, wodurch das Produktionspotenzial der US-Volkswirtschaft erhöht wird und das Angebot steigt. Wenn es so schmerzhaft käme, wäre das keineswegs dollarpositiv. Die Dollars, die man heute hält, wären dann kaum rentierlich zu investieren. Dann wäre die Geldpolitik vorsichtigerer Notenbanken aus Sicht des Devisenmarktes attraktiver.

Ich muss zugeben: Nicht immer ist eine „harte Landung“ negativ für den Dollar ausgegangen. Das Paradebeispiel ist die restriktive Fed-Geldpolitik Anfang der 1980er Jahre, die zwei schmerzhafte Rezessionen in kurzer Folge (1980 und 1982) auslöste, der Dollar während dieser Periode aber dennoch deutlich zulegen konnte. Doch war damals die Ausgangssituation anders. Damals gelang es der Fed überraschend, aus dem Ruder gelaufene Inflation wieder einzufangen und ein heftig angeschlagenes Image als Inflationsbekämpfer wiederherzustellen. Heute ist das anders. Mit gut 2,5% sind die langfristigen US-Inflationserwartungen weiterhin recht gering. Zumindest auf lange Frist hat die Fed kein angeschlagenes Image. Und daher ist auch in dieser Hinsicht kein dollarpositiver Effekt zu erwarten.

Zumal etwas anderes hinzukommt: Käme es zu einer „harten Landung“, wäre keineswegs sicher, dass die Fed an ihrer jetzigen falkenhaften Haltung festhalten würde. Denn anders als momentan würde eine straffe Geldpolitik dann sicher nicht mehr bejubelt. Dann würden ihr dieselben, die derzeit nach schnelleren Zinserhöhungen rufen, vorwerfen, Arbeitslosigkeit und Kursrückgänge zu verschulden. Die falkenhaften Töne Powells bedeuten wenig. Der Lackmustest steht an, wenn’s öffentlichen Gegenwind gibt.

Niedrigere Niveaus

Dass sich der Markt nicht sicher ist, ob die Fed auch bei einer „harten Landung“ ihre straffe Geldpolitik fortsetzen würde, und dass er gleichzeitig eine gewisse Chance für eine „harte Landung“ sieht, zeigt sich daran, dass die Erwartungen für den US-Leitzins ab Mitte kommenden Jahres etwas niedrigere Niveaus implizieren. Noch nicht auf dramatischen Niveaus, aber schon deutlich sichtbar.

Geldpolitik wirkt mit einer gewissen Verzögerung auf Konjunktur. Daher wird es noch eine Weile dauern, bis sicher voraussehbar ist, ob es in den USA eine „harte“ oder eine „weiche Landung“ gibt. Und erst dann wird sichtbar, ob die Fed derartig auf Inflationsbekämpfung fokussiert ist, wie sie uns (und sich selbst?!?) derzeit weismachen will.

Und natürlich: Auch für andere Währungsräume besteht die Gefahr einer „harten Landung“, sei es auch wegen restriktiver Geldpolitik, sei es aus ganz anderen Gründen. Wer mag schon die Hand dafür ins Feuer legen, dass Putin Europa nicht doch über Nacht den Gashahn abdreht?

Das heißt aber auch: Weder allzu viel Dollarstärke noch massive Dollarschwäche wären momentan aus Devisenmarktsicht kluge Positionen. Daher waren Dollarniveaus um oder unter 1,04 im momentanen Umfeld nicht durchhaltbar und werden es kaum sein, bevor nicht eine „weiche Landung“ mit relativ hoher Sicherheit prognostiziert werden kann.

*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.