Marktausblick

Inflation trübt den Ausblick für 2022

Das Risiko einer dauerhaft höheren Inflation wird unterschätzt, so Kenneth S. Rogoff beim Lupus alpha Investment Fokus. Entsprechend sehen institutionelle Anleger zunehmend Gefahren höherer Zinsen.

Inflation trübt den Ausblick für 2022

wrü Frankfurt

Seine erste Reise nach Europa, seit die Pandemie ausgebrochen ist, hat Kenneth S. Rogoff gleich nach Frankfurt in die Alte Oper zum Lupus alpha Investment Fokus 2022 geführt. Und ohne Maske, aber unter Einhaltung eines strengen Hygienekonzepts redete der renommierte Harvard-Ökonom vor den zahlreich erschienenen institutionellen Anlegern Klartext, was die Folgen der Pandemie betrifft. Als Risiko, das allgemein unterschätzt werde, führte er Inflation auf.

Dabei hält Rogoff das Risiko einer dauerhaft höheren Teuerung in den USA für größer als in Europa. Das liege auch daran, dass die EZB institutionell ähnlich wie die Bundesbank aufgestellt sei, während das Mandat der Fed breiter gefasst sei. Manche Risiken in Sachen Inflation seien zwar vorübergehend wie Lieferketten. Andere würden aber dauerhaft belasten wie die Deglobalisierung und die schwächer werdende Unabhängigkeit der Zentralbanken. Auch der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft könne schwierig werden, zudem würden die qualifizierten Arbeitskräfte weniger. Insofern sei das wahrscheinlichste Szenario, dass die Inflation in den USA nicht wieder deutlich zurückgehe, sondern auf relativ hohem Niveau bleibe. „Wahrscheinlich werden wir in den USA für eine Weile 3 bis 4% Inflation haben“, erklärte Rogoff coram publico in der Alten Oper.

Die Industrieländer hätten die Pandemie relativ gut bewältigt. Hingegen seien die Schwellenländer und ärmere Volkswirtschaften in große Schwierigkeiten geraten. So seien Zinszahlungen für Industrieländer kein Problem, für die Emerging Markets aber schon. Ein zweites Risiko nach der Pandemie sei China und der Immobilienmarkt dort. Es seien Überkapazitäten wie ehemals in Japan oder Deutschland nach der Wiedervereinigung entstanden, die es abzubauen gelte.

„Ich wäre vorsichtig“

Ein drittes Risiko nach der Pandemie, das häufig nicht gesehen werde, sei der wachsende Anteil von nicht finanzierten Renten- und Pensionsverpflichtungen. Angesichts der wohl unterschätzten Inflationsgefahren erklärte Rogoff zu den Kapitalmärkten: „Ich wäre vorsichtig.“ Denn steigende Zinsen seien schwer abzusichern.

Auch bei den im Saal anwesenden institutionellen Investoren kommen aufgrund des kräftigen Anstiegs der Teuerung weltweit und der daraus resultierenden Zinserhöhungsgefahren Sorgen auf. So stuften bei einer Befragung im Saal 68% der Investoren den Komplex „Inflation, Zinsen, Geldpolitik“ als das größte Risiko für Investoren für 2022 ein. Risiken wie „Volkswirtschaft: globale Verschuldung, China“, „Energieversorgung und -preise“ sowie „Weltpolitik, z.B. Konflikt China-Taiwan“ werden zwar auch gesehen, aber doch als weniger riskant als Teuerung und die Gefahr steigender Zinsen eingestuft. So gut wie keine Sorgen macht den Investmentprofis übrigens die Bundespolitik und die neue Regierung.

Auch bei der Podiumsdiskussion von Investoren zur Asset Allocation 2022 waren in diesem Jahr eher verhaltene Töne auszumachen. So antworte Gerhard Ebinger, Geschäftsführer der Seedamm Vermögensverwaltungs GmbH, dem Family Office der Familie Quandt, auf die Frage nach dem größten Risiko für das kommende Jahr: „Die Bubble auf der Assetseite, bei Tesla und bei bestimmten Tech-Aktien.“ Denn die Bewertungen einiger Titel seien nicht mehr nachvollziehbar, eine Korrektur sei hier wahrscheinlich. Hingegen sei der Dax nicht überbewertet, auch Value-Aktien würden wieder eine Rolle spielen. Aktien blieben aber langfristig attraktiv, getroffen von einer Zinswende würden vor allem Papiere wie die 100-jährige Anleihe von Österreich.

Auch Götz Albert, Partner und CIO von Lupus alpha, der sonst fast immer zur Aktienanlage rät, ist eher vorsichtig gestimmt. Der Bullenmarkt sei inzwischen 13 Jahre alt und viele Makrothemen würden ihn unruhig werden lassen. Es gelte verstärkt auf die Fundamentals einzelner Aktien zu schauen. Es gelte Titel zu meiden, die liquiditätssüchtig sind, die Geld verbrennen. „Das ist Dreck, weg damit“, so Albert wörtlich. Hingegen gebe es etliche Werte, die aus eigener Kraft nachhaltig wachsen. Chancen gebe es insbesondere im Segment der Small und Micro Caps. Eine Ansicht, die Ebinger und Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank, teilten.

Oliver Lang, Vorstandsmitglied der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands (die u.a. die Gelder der Caritas verwaltet), sieht eine weitreichende Reallokation am Weltkapitalmarkt. Nur sei es nicht einfach, diese analytische Erkenntnis in Handlungen umzusetzen. Die Zinsen würden nicht mehr fallen, sie würden höchstens gleich bleiben oder ansteigen. Strategisch baut Langs Versorgungskasse die Real Assets bis auf 50% in 2025 aus. Man komme von 19% und liege aktuell bei 36%. Der Bestand an Fixed-Income-Anlagen habe künftig allein die Funktion, die absehbaren laufenden Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Bei Aktien verstärke man das globale Portfolio und investiere auch in Schwellenländer.

Angesichts der Sorgen um die Inflation und der Gefahren auf der Zinsseite will auch keiner der Investoren im Saal 2022 stärker in Anleihen investieren. Trotz durchaus gesehener Risiken wollen 82% der Befragten im kommenden Jahr stärker in Aktien anlegen. 39% wollen ihre Positionen in Private Assets und 24% in Venture Capital ausbauen. Das Interesse an Krypto-Assets ist bei den Institutionellen nicht allzu groß, scheint aber zuzunehmen. In diese Assetklasse wollen 14% der Befragten stärker investieren.

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