Investmentstrategen favorisieren nach Trumps Sieg US-Aktien
Investmentstrategen favorisieren jetzt US-Aktien
Trumps Politik dürfte Inflation anheizen und Zinssenkungen der Fed limitieren – Steigende Treasury-Renditen stärken den Dollar
wrü/hei/kjo/ku Frankfurt
Für die Märkte kommt der Wahlsieg von Donald Trump nicht überraschend. Aktien und auch Anleihen hatten eine erneute Amtszeit für den Republikaner bereits vorweggenommen. Experten rechnen insgesamt mit Gegenwind für europäische Aktien. Sollte die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen über 5% klettern, würde dies allerdings auch zu Bremsspuren an der Wall Street führen.
Mit solch einem schnellen und klaren Wahlsieg Donald Trumps hat im Vorfeld kaum einer der Investmentstrategen gerechnet, die Märkte dafür schon eher. Bernd Meyer, Chefanlagestratege und Leiter Multi Asset bei Berenberg Wealth and Asset Management, betont im Gespräch mit der Börsen-Zeitung, dass die Märkte einen Sieg von Trump schon teilweise vorweggenommen haben. „Das sehen wir beispielsweise deutlich bei den Anleiherenditen, die bei 10-jährigen US-Treasuries von 3,6% im August zuletzt schon bis auf 4,3% hochgelaufen waren.“
Laxe Fiskalpolitik möglich
Den erneuten Anstieg der Renditen um 15 Basispunkte, nachdem sich das Wahlergebnis abgezeichnet hatte, führt der Kapitalmarktexperte darauf zurück, dass Trump künftig auch auf eine Kongressmehrheit zählen kann. „Das wird ihm ermöglichen, eine laxe Fiskalpolitik umzusetzen, indem er Steuersenkungen verlängern und neue beschließen kann.“ Damit dürfte ein Sieg Trumps mehr Wachstum fördern, „was auch die Inflation anheizen würde“, glaubt Meyer. Die von dem Republikaner angekündigten Zölle würden ebenfalls preistreibend wirken. „Insgesamt dürfen wir deshalb davon ausgehen, dass die Fed die Zinsen weniger stark senken wird als bisher angenommen. Anstelle von vor einem Monat acht Zinsschritten mit jeweils 25 Basispunkten bis Ende nächsten Jahres sind an den Märkten jetzt nur noch etwas mehr als vier eingepreist“, unterstreicht der Anlagestratege.
Dies stärke auch weiterhin den Dollar. Auch wenn Meyer nicht glaubt, „dass beim aktuellen Dollarkurs noch große Sprünge gegenüber dem Euro drin sind, spricht die sich stark ausweitende Renditedifferenz zwischen 10-jähriger Treasury und Bundesanleihe und die zunehmende Unsicherheit mit Blick auf die Außen- und Handelspolitik der USA für die Attraktivität der US-Währung“.
Entkopplung „bemerkenswert“
Auch Christoph Rieger, Leiter des Zinsresearch bei der Commerzbank, bezeichnet die „Abkopplung der Euro-Zinskurve von der US-Kurve“ als bemerkenswert. „In den USA werden weniger Zinssenkungen erwartet, bei der EZB mehr. Der US-Markt fokussiert sich auf die gestiegenen Inflations- und Haushaltsrisiken unter Trump. In Europa dominieren dagegen die Wachstumssorgen“, so Rieger gegenüber der Börsen-Zeitung. „Während Trump Amerika wieder groß machen will, wird Europa als schwach wahrgenommen. Es fehlt an Leadership, um dem Druck aus den USA standzuhalten, so dass die EZB ‚the only game in town‘ ist! Letztlich halte ich aber eine nachhaltige Entkopplung für unwahrscheinlich. Auch in Europa werden die Inflationsrisiken unter Trump steigen, und der kleinste gemeinsame Nenner für Europa werden höhere Staatsausgaben sein, wenn nicht auf nationaler Ebene, dann über die EU“, führt er aus. Vor diesem Hintergrund müsse die Aufnahmefähigkeit der Anleihemärkte im Auge behalten werden.
Probleme für Autoaktien
US-Aktien zählt Meyer zu den klaren Wahlgewinnern. „Investoren werden US-Titel nachfragen, um sich auf die sichere Seite zu legen, denn für europäische Werte verstärkt sich aufgrund von absehbar höheren Handelsschranken der Gegenwind. Das gilt vor allem für die Autobranche, aber auch Sektoren wie Transport und Logistik oder grüne Technologie, während etwa Healthcare oder Banken weniger betroffen sein dürften.“ Auch aus Sicht von Oddo BHF begünstigt Trumps Wahlsieg US-Aktien. „Die amerikanische Wirtschaftspolitik wird damit protektionistischer ausgerichtet sein als unter Trumps Vorgänger Joe Biden. Darunter wird die europäische Wirtschaft leiden“, erklärt Jan Viebig, Chief Investment Officer des Instituts. „Zudem steht Trump wirtschaftspolitisch für Deregulierung und Steuersenkungen. Dies dürfte der US-Wirtschaft Konjunkturimpulse verleihen.“ Trumps Wirtschaftspolitik werde den Kurs des Dollar tendenziell steigen lassen, glaubt er ebenso, obwohl der künftige Präsident einen schwächeren Außenwert der US-Währung anstrebe.
Die Chancen für eine Jahresendrally bei Aktien betrachtet Björn Jesch, Global Chief Investment Officer der DWS, allerdings als etwas getrübt. Der renommierte Stratege verweist ebenso wie Meyer auf das eher geringe Überraschungsmoment des Wahlausgangs. „Trump kommt, anders als vor acht Jahren, diesmal nicht überraschend für die meisten Anleger“, erklärt Jesch. „Die Märkte haben daher über die vergangenen Monate in Summe bereits einen Sieg Trumps eingepreist, den sogenannten Trump-Trade. Wir erwarten mittelfristig sicher keine Umkehr dieses Trades, aber er begrenzt eben auch weiteres Aufwärtspotenzial für gewisse Anlageklassen.“
Sektorale Verschiebung
Bei Aktien erwartet die DWS mehr Veränderung auf der Sektorebene und weniger einen durchgreifenden Schub für den Gesamtmarkt. „Denn sollten die 10-jährigen Treasury-Renditen sich nachhaltig Richtung 5% bewegen, wäre das ein deutlicher Gegenwind“, meint Jesch. „Zu den sektoralen Gewinnern zählen vor allem jene Sektoren, die von potenziellen Steuerkürzungen und Deregulierung profitieren würden: (regionale) Finanzwerte, Kommunikations- und Ölunternehmen etwa. Auch wenn wir nicht damit rechnen, dass Bidens Inflation Reduction Act kippen wird, dürften erneuerbare Energien weiter unter Druck bleiben.“ Vom Gesundheitssektor könne etwas Druck genommen werden.
„Bitcoin dürfte weiterhin davon profitieren, dass die Regulierung unter Präsident Trump weniger strikt ausfällt“, sagt Saira Malik, CIO von Nuveen gegenüber der Börsen-Zeitung. „Das erklärt auch die aktuelle Kursreaktion von Bitcoin.“
Nach Meinung von Union Investment könnte nach der US-Wahl an den Märkten bald die Ernüchterung folgen. Unmittelbar schlagen höhere Gewinnerwartungen bei US-Aktien noch positiv durch, aber „die zweite Präsidentschaft von Trump dürfte noch unberechenbarer werden als seine erste Amtszeit“, stellt der Assetmanager fest. „Seinerzeit war Trump umgeben von moderateren Kräften, die versucht hatten, größere Fehltritte zu verhindern. Dieses Mal besteht Trumps Umfeld fast ausschließlich aus Menschen, die ihn unkritisch unterstützen.“ Mittel- bis langfristig dürfte laut Union Investment der Trump’sche Politik-Mix aus mehr Verschuldung, höherer Inflation und schärferer handelspolitischer Gangart belastend für die Märkte wirken. „Kurz gefasst: Je länger seine Präsidentschaft dauert, umso stärker fallen die negativen Punkte ins Gewicht.“
Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest., erwartet mit dem Comeback Donald Trumps auch eine Rückkehr der Reaganomics in den USA. „Für US-Aktien ist das ein perfektes Szenario“, sagt der Stratege. Deregulierung und Steuersenkungen sollten die US-Wirtschaft antreiben. „Und selbst das politische Europa kann von einem heilsamen Schock profitieren.“
Gold kommt zu Ehren
„Donald Trumps Pläne, deutliche Steuersenkungen in Verbindung mit kräftigen Investitionen, werden die Schulden in den USA weiter in die Höhe treiben. Um die bezahlbar zu halten, braucht es langfristig moderate, besser noch niedrige Zinsen. Schuldenfinanziertes Wachstum bei gleichzeitig moderatem Zinsniveau treibt langfristig die Inflation, ebenso wie Handelszölle, die von der Trump-Regierung zu erwarten sind“, erklärt Philipp Vorndran, Partner bei Flossbach von Storch gegenüber der Börsen-Zeitung. „Langfristig braucht es deshalb eine sachwertorientierte Anlagestrategie. Die Aussage gilt nach wie vor und womöglich mehr denn je. Aktien guter Unternehmen, dazu Gold (physisch wie nicht physisch) als Versicherung gegen die Risiken des Finanz- und Geldsystems."
Anleihen dagegen seien in diesem Umfeld kein Selbstläufer, sondern müssten aktiv bewirtschaftet werden. Es brauche einen sehr opportunistischen Ansatz: „Auf Anlagegelegenheiten warten, sie erkennen und dann auch nutzen.“
It was the economy
„It was the economy, stupid“, damit verwendet Robert Greil, Chefstratege bei Merck Finck, ein bekanntes Zitat zur Beschreibung der US-Wahl. „Grundsätzlich könnte eine Trump-Führung neben einer weiteren Senkung der Körperschaftsteuer vor allem Gewinne bei Öl- und Gas-, Finanz- und Telekommunikationswerten bedeuten, da die zu erwartende Deregulierung diesen Branchen zugutekäme“, sagt Greil. „Sie könnte sich auch - zumindest anfangs - positiv auf die US-Aktien im Allgemeinen auswirken, da sie zu einem fiskalischen Impuls und damit zu einem höheren Wirtschaftswachstum führen könnte, was möglicherweise Industriewerte stützen würde. Die Auswirkungen auf Technologieunternehmen dürften differenzierter sein, da eine gewisse Unsicherheit über mögliche kartellrechtliche Maßnahmen besteht, aber auch Steuersenkungen die Investitionen ankurbeln könnten, was unter dem Strich positiv sein dürfte.“ An den Märkten rechnet Merck Finck in den kommenden Wochen mit politisch bedingter kurzfristiger Volatilität.
Nach Ansicht der DekaBank dominiert die Erleichterung darüber, dass es zu einer störungsfreien Wahl mit einem eindeutigen Ergebnis gekommen ist. Das unterstütze in der ersten Reaktion alle Risikoassets. „Die herausragende globale Stellung der US-Aktienmärkte wird mit dem Wahlausgang weiter gestärkt“, erklärt Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank. „ Für die europäischen Unternehmen wird der Ausblick jetzt noch herausfordernder. Aktien in Europa dürften sich im relativen Vergleich zu den USA schwächer entwickeln.“ Die Grundtendenz bleibe aber insgesamt weiterhin positiv.