Digitalwährungen

Kryptowährungen brechen ein

Digitalwährungen wie Bitcoin und Ethereum sind seit dem Wochenende heftig unter Druck geraten. Hintergrund ist eine Ballung negativer Kommentare, auch vom eigentlichen Kryptounterstützer Elon Musk. Das Makrobild für die Cyberdevisen erscheint laut Marktstrategen aber weiterhin intakt.

Kryptowährungen brechen ein

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Führende Kryptowährungen haben seit dem Wochenende heftige Rücksetzer hingelegt. Nachdem Bitcoin am Sonntag mit 58354 Dollar noch ein Rekordhoch markiert hatte, sackte der Kurs auf der Handelsplattform Bitstamp bis Dienstagmittag auf 45200 Dollar ab. Die Marktkapitalisierung des Primus im Segment fiel deutlich unter die Marke von 1 Bill. Dollar, die sie am Freitag erstmals überschritten hatte.

Die Nummer 2 des Segments, Ethereum, brach gegenüber Montag zeitweise um knapp 25% ein, bei kleineren Digitalwährungen wie XRP, Litecoin und Bitcoin Cash fielen die Verluste teils noch deutlicher aus. In der Folge setzte zwar eine leichte Erholung ein, am Abend notierte Bitcoin aber noch mit einem Minus von 10% auf 47700 Dollar. Bei Investoren kommt nun die Frage auf, ob die Entwicklungen der vergangenen Tage den Beginn eines längeren Abwärtstrends darstellen.

Allerdings sind Rücksetzer in der aktuellen Größenordnung am Kryptomarkt weitaus häufiger zu beobachten als in etablierten Assetklassen. Die Volatilität ist eine Folge der illiquiden Marktstruktur – einzelne Transaktionen großer Investoren haben durch sie enormes Gewicht. Hinzu kommt, dass die Korrelation zwischen Bitcoin und anderen Kryptowährungen stark positiv ist. Bricht die mit einer Marktkapitalisierung von Stand Dienstagmittag 877,96 Mrd. Dollar schwerste Kryptowährung ein, zieht sie die anderen Vertreter des Segments häufig mit.

Gates und Yellen bremsen

Derzeit leiden die Cyberdevisen unter einer Ballung an negativen Kommentaren. Die als Kryptoskeptikerin bekannte US-Finanzministerin Janet Yellen hatte Bitcoin bei einer Konferenz der „New York Times“ am Montag als „extrem ineffizienten Weg, um Transaktionen vorzunehmen“ bezeichnet. Zudem sagte Mi­crosoft-Gründer Bill Gates in einem Bloomberg-Interview, er sei gegenüber Bitcoin „nicht bullish“ eingestellt. Gates äußerte die Befürchtung, dass die Manie am Kryptomarkt Privatinvestoren hart treffen werde, da diese weniger hohe Verluste verkraften könnten als Tesla-Chef Elon Musk.

Letzterer setzt sich wiederholt als Unterstützer von Kryptowährungen in Szene, verbreitet über den Kurznachrichtendienst Twitter häufig Meinungen zu den Cyberdevisen und liefert sich Wortgefechte mit Skeptikern. Seine Marktmacht bewies Musk bei der einst als Bitcoin-Parodie gestarteten Kryptowährung Dogecoin, die er mit Social-Media-Posts zeitweise auf eine gewaltige Rekordfahrt schickte. Auch der zuvor bereits seit Monaten im Gang befindlichen Bitcoin-Rally lieferte Musk mit öffentlichen Aussagen im Januar neuen Zündstoff. Außerdem teilte Tesla Anfang Februar mit, 1,5 Mrd. Dollar in Bitcoin investiert zu haben und künftig Zahlungen in der Cyberdevise akzeptieren zu wollen. Musk ist es aber auch, der den jüngsten Absturz am Kryptomarkt erst losgetreten hatte. Über den Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er am Samstag, die Kursniveaus von Bit­coin und Ethereum erschienen hoch, was zahlreiche Investoren offenbar als Signal zum Ausstieg verstanden.

Makrobild erscheint intakt

Einige Marktstrategen glauben aber auch, dass es sich bei den aktuellen Kursverlusten nur um eine Abkühlung in einem überhitzten Markt handelt und Investoren verstärkt Gewinne mitnehmen. Die Makrofaktoren, die für Digitalwährungen sprächen, seien nach wie vor intakt – allen voran die Sorge vor einer rasanten Inflationsbeschleunigung. Diese wird seit Monaten durch die ultraexpansive Geldpolitik und die massive Ausweitung der Staatsschulden, über die Staaten Konjunkturpakete zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie finanzieren, getrieben.

Im laufenden Jahr scheint sich die Inflationsangst noch vergrößert zu haben, wie am starken Anstieg der Staatsanleiherenditen abzulesen ist. Die Teilnehmer am Bondmarkt scheinen also damit zu rechnen, dass sich die Notenbanken aufgrund einer starken Geldentwertung zu früheren Zinsanhebungen gezwungen sehen werden als bisher angenommen. Ein Grund für den nochmaligen Anstieg der Inflationserwartungen, der Kryptobullen optimistisch stimmt, dürfte die Aussicht auf gelockerte Coronabeschränkungen sein. Denn bei einer Öffnung von Wirtschaft und Gesellschaft, so die Prognose, dürfte die aufgestaute Konsumentennachfrage auf ein verknapptes Angebot treffen – zum Beispiel am Automarkt oder in der Reisebranche.

Notenbankunabhängige Kryptowährungen erhielten in diesem Umfeld zuletzt Zulauf. Bei Bitcoin spielt aus Investorensicht vor allem die programmierte Begrenzung auf insgesamt 21 Millionen Einheiten eine Rolle, von denen die letzte voraussichtlich im Jahr 2140 geschürft wird. Über einen solchen Schutz gegen eine Ausweitung der Geldmenge verfügen die meisten anderen Kryptowährungen nicht – ob er bei Bitcoin langfristig besteht, ist laut der DZBank aber keineswegs klar. „Die Obergrenze von 21 Millionen Einheiten kann theoretisch mit der Mehrheit der Rechnerkapazität im Netzwerk geändert werden“, kommentieren die Analysten des Finanzinstituts. Am zunehmenden Interesse institutioneller Investoren ändere dies jedoch nichts.

Tatsächlich investiert neben Tesla eine wachsende Zahl großer Unternehmen, Vermögensverwalter und Banken in Cyberdevisen. Die Öffnung großer Zahlungsdienstleister für Bitcoin & Co. gilt dabei als Wegbereiter für institutionelle Investoren. Paypal hatte die Kryptorally mit einer entsprechenden Ankündigung im vergangenen Jahr erst richtig ins Rollen gebracht, 2021 zog Mastercard nach. Wie sich das Engagement dieser Großanleger weiterentwickelt, scheint für Kryptowährungen die entscheidende Frage zu sein. Zwischen November und Januar hatte sich die Zahl der offenen Future-Positionen auf Bitcoin an der weltgrößten Terminbörse Chicago Mercantile Exchange, die als Indikator für die institutionelle Adaption gilt, rückläufig entwickelt. Doch im Februar hat das Open Interest bereits jetzt wieder zugelegt.