Länger laufende Staatsanleihen wieder interessant
Das erste Quartal hat, bezogen auf die Erwartungen für 2022, einiges über den Haufen geworfen. Und angesichts des noch nicht beendeten Krieges in der Ukraine bleibt die Unsicherheit für die weitere Entwicklung hoch. Bislang waren die Auswirkungen für deutsche Verbraucher in erster Linie über steigende Energiepreise und über drohende Ernteausfälle in Form von höheren Inflationsraten spürbar. Die Konjunkturerwartungen hingegen wurden zwar leicht abwärts revidiert, positive Wachstumsraten blieben bislang aber das Konsens-Basisszenario.
Countdown gestartet
Dies würde sich bei einem möglichen Lieferstopp für russisches Gas allerdings schlagartig ändern. Die von diversen Studien in Aussicht gestellten negativen Effekte auf die deutsche Wirtschaft von maximal rund 3% dürften sich bei einem abrupten Lieferstopp aufgrund der schlechten Substitutionsmöglichkeiten und der engen Verflechtungen innerhalb der Wirtschaft als deutlich zu optimistisch erweisen. Generell sind die Wachstumsrisiken gestiegen, so viel steht fest. Ein Blick auf die mittlerweile zwischen zwei und zehn Jahren Laufzeit invertierte US-Zinsstrukturkurve verdeutlicht, dass der Countdown für die nächste Rezession bereits begonnen hat. 12 bis 18 Monate bleiben in der Regel bis zum Beginn der Rezession.
Der amerikanische Notenbankchef Jerome Powell bevorzugt, mit der Differenz aus aktuellem Dreimonatssatz und dem erwarteten Dreimonatssatz in 18 Monaten auf das kürzere Ende der Kurve als vermeintlich besserem Rezessionsindikator zu blicken; doch dies erhöht nur die Wahrscheinlichkeit, dass sich das 2/10-Signal einmal mehr als richtig erweist. Denn letztlich ist das von Powell anvisierte Stück der Zinskurve stark von der Fed-Politik selbst abhängig und mit den Fed-seitig in Aussicht gestellten Zinserhöhungen kann man davon ausgehen, dass Powell in den nächsten zwölf Monaten ebenfalls deutlich stärkere Rezessionssignale erhält. Bis dahin könnte die Fed aber munter an der Zinsschraube gedreht und somit selbst einen Beitrag zur Wachstumsverlangsamung geleistet haben.
Natürlich könnte man argumentieren, dass angesichts hoher Inflationsraten und sich noch immer verbessernder Arbeitsmärkte der Notenbank die Hände gebunden sind und eine deutliche Straffung der Geldpolitik angezeigt ist. Ein Argument, das für die Fed, aber auch für die EZB herangezogen wird.
Und tatsächlich liefern die deutlich höher als erhofft ausgefallenen Preissteigerungsraten und die auf Inflationsbekämpfung fokussierten Notenbanken – so nutzlos im aktuellen Umfeld Zinsanhebungen für diesen Zweck auch sein mögen – die Grundlage dafür, dass die meisten Auguren seit Jahresbeginn die Prognosen für die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen und deutscher Bundesanleihen stark anhoben. Von 2% auf aktuell 2,3%, die laut Bloomberg für das Jahresende 2022 im Mittel für US-Treasuries erwartet werden bzw. von gerade einmal knapp 0,1% auf 0,45% für deutsche Bunds. Da die am Kapitalmarkt beobachtbare Rendite noch mal höher liegt, dürften die Prognosen in der näheren Zukunft weiter steigen.
Prognose revidiert
In der BayernInvest haben wir seit Jahresbeginn unsere Prognose für die Verzinsung oben genannter Staatsanleihen zum Jahresende 2022 abwärts revidiert. Zwar waren wir mit deutlich über dem Konsens liegenden Renditeerwartungen ins Jahr gestartet, aber der starke Zinsanstieg im ersten Quartal kam, ebenso wie die oben genannten Ursachen, auch für uns überraschend. Und auch unsere auf 1,6% beziehungsweise 0,2% revidierten Renditeziele für zehnjährige Treasuries beziehungsweise Bunds per Ende 2022 könnten sich als falsch herausstellen, keine Frage.
Die Konjunkturrisiken und die bereits im ersten Quartal an den Kapitalmärkten erfolgte Straffung der Finanzierungsbedingungen werden sich aber in schwächeren konjunkturellen Frühindikatoren, geringerer Kreditnachfrage und vermutlich auch in einer für das Jahr 2023 zu erwartenden Rezession niederschlagen – mit allen zugehörigen, die Kerninflationsrate dämpfenden Effekten.
Gleichzeitig werden die durch den Krieg in der Ukraine nochmals belasteten Lieferkettenprobleme voraussichtlich nicht dauerhaft anhalten. Und sei es, dass durch geringere Auftragseingänge und fallende Nachfrage hier für Entspannung gesorgt wird.
Trotz Sanktionen werden wohl auch die globalen Energiemärkte die derzeitigen Verwerfungen überwinden. China, Indien, Indonesien und andere Länder scheinen gerne bereit zu sein, relativ günstige russische Rohstoffe zu importieren. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass diese Länder von ihren zuvor genutzten Lieferländern weniger nachfragen. Und höhere Preise, wie sie derzeit im Öl- und Gasmarkt zu verzeichnen sind, erhöhen die Anreize zu steigender Förderung beispielsweise in den Vereinigten Staaten, sowie der Arbeit an besseren Substitutionsmöglichkeiten dieser Rohstoffe in energieintensiven Branchen. Letzteres wird wohl länger als bis zum Jahresende benötigen, aber generell scheinen aus heutiger Sicht nicht nur die Notenbanken zu stark auf immer höher ausfallende Inflationsraten zu fokussieren.
US-Staatsanleihen allokieren
Vor dem Hintergrund unserer Erwartungen empfiehlt die BayernInvest, US-Staatsanleihen bereits wieder mindestens auf Benchmark-Gewicht zu allokieren. Euro-Staatsanleihen werden zwar vorerst noch zur Untergewichtung empfohlen, sollte sich das Rendite-Momentum – wie zuletzt zu beobachten – aber tatsächlich stabilisieren, sind diese ebenfalls unter Chancen-Risiko-Gesichtspunkten wieder attraktiver.