„Lichtblicke nach dem Sturm“
wrü Frankfurt
Nach einem schwierigen Jahr 2022 erkennt Amundi „Lichtblicke nach dem Sturm“. Wie der nach eigenen Angaben „Europäische Vermögensverwalter Nummer 1“ mit rund 2 Bill. Euro Assets under Management in seinem globalen Investmentoutlook darlegt, können sich die Aussichten an den Märkten aufhellen, wenn die US-Notenbank politisch umschwenkt und die Bewertungen wieder attraktiver werden. „Schon jetzt sind Anleihen wieder attraktiv, da die Marktbewertungen steigen“, erklärte Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland, in Frankfurt vor der Presse. „In der ersten Jahreshälfte 2023 dürfte ein Schwenk der Fed interessante Einstiegspunkte auch an den Aktienmärkten schaffen. Anleger sollten sich bis dahin defensiv verhalten, aber bereit sein, Chancen bei Aktien zu nutzen, wenn der Gegenwind in der zweiten Jahreshälfte nachlässt.“
Das zentrale Szenario von Amundi ist das einer Stagflation. „Ein Großteil der Krisen nehmen wir mit hinüber ins neue Jahr“, sagte Kruse. Das weltweite Wirtschaftswachstum werde sich von 3,4% in diesem Jahr auf ca. 2,2% abschwächen. Dabei dürfte die Eurozone mit einer BIP-Entwicklung von minus 0,7% eine Rezession aufweisen, während die USA nur mehr um 0,8% wachsen würden. Die Inflation sollte über weite Teile hartnäckig hoch bleiben, sich aber im Jahresverlauf abschwächen. Daher dürften die Notenbanken ihre Straffungen zunächst fortsetzen, aber langsamer als in diesem Jahr. So geht Amundi davon aus, dass die Fed ihren Leitzins 2023 auf 5,25% anhebt, die Europäische Zentralbank (EZB) aber aufgrund der Rezession in Europa ihren Leitzins nur bis auf 2,5% hochnimmt.
„Derzeit sind die Gewinnerwartungen der Unternehmen noch zu hoch“, erläuterte Kruse. Denn die Gewinne dürften deutlich zurückgehen. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger vorerst defensiv bleiben und Gold und Investment-Grade-Credit als Anlageklassen bevorzugen. Sie sollten jedoch im Laufe des Jahres zur Anpassungen bereit sein, wenn die Bewertungen attraktiver werden. Der Gegenwind dürfte in der zweiten Jahreshälfte 2023 nachlassen, was eine Verbesserung des Konjunkturzyklus und eine allmähliche Beimischung von mehr Risikoanlagen in den Portfolios begünstige.
Bonds are back
„Anleihen sind wieder da“, erklärte Kruse, wobei der Schwerpunkt auf qualitativ hochwertigen Unternehmensanleihen liegen sollte. Da Anleihen nach dem Renditeanstieg 2022 und den sich abzeichnenden Rezessionsrisiken im nächsten Jahr ihre Diversifizierungsqualitäten zurückgewinnen würden, sei eine Wiederbelebung der 60-40-Portfolioallokation in Sicht. Aktien sollten nach Meinung von Amundi Einstiegspunkte bieten, wenn sie in den kommenden Monaten neu bewertet würden, wobei US-Titel sowie Qualitäts-, Value- und Dividendenwerte zu bevorzugen seien. „Auf der Aktienseite ist die Dividendenrendite hoch“, so Kruse. „Denn der Großteil der Unternehmen wird die Dividende erhöhen.“ Anleger sollten zudem ihr Engagement in europäischen und chinesischen, zyklischen und Deep-Value-Aktien schrittweise erhöhen.
Zudem spreche die anhaltende Inflation für eine höhere Allokation in inflationsresistenten Sachwerten wie Infrastruktur. Private Debt werde zwar neu bewertet, weise aber größtenteils solide Fundamentaldaten auf. Immobilien können ein guter Diversifikator sein. Der Schwenk der US-Geldpolitik dürfte laut Amundi die Attraktivität von Schwellenländeraktien im Jahresverlauf erhöhen. ESG bleibe ein wichtiges Thema. Anleger sollten sich mit der Energiewende sowie mit geopolitisch bedingten Trends zur Rückverlagerung der Produktion befassen.
Geopolitik bleibt wichtig
„Die Geopolitik bestimmt die Finanzmärkte seit einiger Zeit in erheblichem Umfang. Dies wird auch 2023 so sein“, erklärte Anna Rosenberg, Head of Geopolitics im Amundi Institute. In ihrem Hauptszenario, dem sie eine Wahrscheinlichkeit von 35% beimisst, geht sie von einem Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine im zweiten Halbjahr 2023 aus. Das Szenario mehrjähriger Konflikte stuft sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% ein.
„Mit Assets von mehr als 100 Mrd. Euro und 140 Mitarbeitern in München und Frankfurt ist Amundi Deutschland einer der Top-5-Vermögensverwalter hierzulande“, erläuterte Christian Pellis, CEO von Amundi Deutschland. Diese lokale Stärke sei historisch gewachsen. „2023 wird ein schwieriges Jahr werden, vor allem bei Privatkunden“, meinte Pellis. Denn der Retailkunde erhalte 2023 zunächst einmal seine Nebenkostenabrechnung, und da stelle er sich die Frage, inwieweit er weiter spare. Dabei seien, insbesondere um fürs Alter vorzusorgen, Investments am Kapitalmarkt notwendig. „In einem von der allgemeinen Kursentwicklung her gedrückten Umfeld können Multi-Asset-Produkte vorhandene Chancen im Markt durch eine sinnvolle Kombination von Anleihen und Aktien erschließen.“