Nur wenige Aktien schaffen Wert
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Die Aktienanlage lohnt langfristig, doch beruht die Outperformance von Dividendentiteln allein auf dem Wertzuwachs weniger Reichmacher. Die Mehrheit der Aktien schneidet hingegen schlechter ab als die sichere Anlage in US-Schatzwechseln. Zu diesem Ergebnis kommen Hendrik Bessembinder von der Arizona State University und drei andere Wissenschaftler in einer im Juli 2019 veröffentlichten Studie. Analysiert wurden damals 62000 Aktien aus 42 Ländern im Zeitraum von 1990 bis 2018. Die Ergebnisse von Bessembinder wurden in dieser Zeitung im Marktplatz unter der Überschrift „The winner takes it all“ dargestellt (vgl. BZ vom 31.8.2019).
Inzwischen haben Bessembinder und seine Kollegen ihre Studie bis Ende 2020 aktualisiert. Im August 2021 ist die Aktualisierung „Long-term shareholder returns: Evidence from 64000 global stocks“ erschienen. Das Ergebnis bleibt das gleiche. „Die leistungsstärksten 2,4% der Unternehmen sind für den gesamten Nettovermögenszuwachs von 75,7 Bill. Dollar am globalen Aktienmarkt zwischen 1990 und Dezember 2020 verantwortlich.“ In diesem Zeitraum waren global die größten Reichmacher Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Tencent. Die großen US-Tech-Unternehmen dominieren also bei der Wertschöpfung.
Nur vier Verlustjahre
Nun hat Analyst Philipp Immenkötter vom Flossbach von Storch Research Institute in einer Studie die „Wertschaffung und Wertvernichtung am deutschen Aktienmarkt“ untersucht. Methodisch basiert die Studie auf der Arbeit von Bessembinder, so Immenkötter. Untersucht hat der Analyst für den Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2022 die öffentlich gehandelten Aktien deutscher Unternehmen, die im Prime oder General Standard an der Deutschen Börse notieren.
„Der seit dem Jahr 2003 geschaffene Wert für Anleger am deutschen Aktienmarkt beträgt 1,7 Bill. Euro“, stellt Immenkötter fest. Dabei resultieren satte 52,2%, also mehr als die Hälfte, des geschaffenen Wertes aus den in diesem Zeitraum ausgezahlten Dividenden über 882 Mrd. Euro. 7,0% der Wertsteigerung resultieren aus Aktienrückkäufen, und allein 40,9% sind laut Immenkötter auf die Preissteigerung der Aktien, also auf Kursgewinne zurückzuführen.
Über die vergangenen 20 Jahre habe es lediglich in vier Jahren (2008, 2011, 2018 und 2022) eine aggregierte Wertvernichtung gegeben, die besonders 2008 infolge der Finanzkrise mit 567,1 Mrd. Euro besonders hoch ausgefallen sei.
„Die Verteilung der Wertschaffung fällt für die einzelnen Titel höchst unterschiedlich aus“, stellt Immenkötter fest. „Bereits wenige Aktien kommen für einen Großteil des gesamten geschaffenen Wertes für Anleger auf. Die Hälfte des geschaffenen Werts entfällt bereits auf die ersten zwölf Aktien.“ Die volle Wertschöpfung werde bereits bei der 116. Aktie erreicht. Mit einer Investition in die übrigen 897 Aktien werde kein Mehrwert für Anleger gegenüber der Investition in eine kurzfristige Bundesanleihe erreicht. Immenkötter wörtlich: „Dies bedeutet, dass 89% aller Aktien am deutschen Kapitalmarkt zusammen betrachtet keinen Mehrwert für die Wertschaffung der Anleger leisten.“
In einer Tabelle zeigt der Analyst die 20 größten Wertschaffer (vgl. Tabelle links) und die 20 größten Wertvernichter bei deutschen Aktien auf. So haben in den vergangenen 20 Jahren Siemens, SAP, Allianz, Mercedes-Benz, Deutsche Telekom, BASF und BMW den höchsten Wert für Aktionäre geschaffen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt übrigens Bessembinder, der von 1990 bis Ende 2020 SAP, Siemens und BASF als größte Wertschaffer am deutschen Aktienmarkt ermittelt hat.
Banken im Minus
„Die größte Wertvernichtung der letzten 20 Jahre ist der Aktie der Deutschen Bank mit 24,8 Mrd. Euro zuzurechnen“, so Immenkötter. Danach folgen als größte Wertvernichter die Commerzbank, Auto1 und die Hypo Real Estate. Die große Finanzkrise schlägt also voll auf die Performance von Bankaktien durch.
Was heißt dieses Ergebnis nun für Anleger? „Auch wenn alle Anleger zusammen betrachtet keinen Mehrwert aus dem Großteil der gehandelten Titel ziehen konnten, birgt der Aktienmarkt ein großes Potenzial für einzelne Anleger, ihre Portfoliowerte zu steigern“, meint Immenkötter. „Durch Überrenditen und Ausschüttungen kann mit einzelnen Aktien ein positiver Wert über kürzere Zeiträume erwirtschaftet werden.“ Und sowohl breite Streuung als auch fokussiertes Investment könnten Strategien darstellen, um an der konzentrierten Wertschöpfung zu partizipieren.
Die 20 deutschen Aktien mit dem höchsten geschaffenen Wert seit 2003 | |||||||
Geschaffener Wert | Überrendite | Zeitraum | |||||
lfd. | Name | in Mrd. Euro | Anteil (%) | kumulativ (%) | p.a. (%) | von | bis |
1 | Siemens | 125,9 | 7,4 | 7,4 | 10,0 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
2 | SAP | 116,9 | 6,9 | 14,4 | 9,3 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
3 | Allianz | 94,9 | 5,6 | 20,0 | 10,1 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
4 | Mercedes-Benz Group | 89,5 | 5,3 | 25,3 | 9,1 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
5 | Deutsche Telekom | 75,8 | 4,5 | 29,8 | 7,4 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
6 | BASF | 67,9 | 4,0 | 33,8 | 9,5 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
7 | BMW | 55,8 | 3,3 | 37,1 | 9,1 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
8 | Volkswagen (Stamm.) | 51,7 | 3,1 | 40,1 | 10,1 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
9 | Münchener Rück | 49,9 | 2,9 | 43,1 | 11,1 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
10 | Deutsche Post | 48,4 | 2,9 | 45,9 | 10,5 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
11 | Bayer | 45,9 | 2,7 | 48,7 | 9,2 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
12 | Hapag-Lloyd | 34,6 | 2,0 | 50,7 | 39,4 | November 2015 | Dezember 2022 |
13 | Linde AG | 33,2 | 2,0 | 52,7 | 15,2 | Januar 2003 | April 2019 |
14 | Deutsche Börse | 33,1 | 2,0 | 54,6 | 15,1 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
15 | Infineon | 30,5 | 1,8 | 56,4 | 9,2 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
16 | Adidas | 29,4 | 1,7 | 58,2 | 11,5 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
17 | Hannover Rück | 26,7 | 1,6 | 59,7 | 15,5 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
18 | Volkswagen (Vorzüge) | 25,8 | 1,5 | 61,3 | 11,2 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
19 | Audi | 25,2 | 1,5 | 62,8 | 11,9 | Januar 2003 | November 2020 |
20 | RWE | 24,6 | 1,5 | 64,2 | 6,7 | Januar 2003 | Dezember 2022 |
Quelle: Flossbach von Storch Research Institute, Refinitiv; Stand: Jan. 2023Börsen-Zeitung |