Pause nachhaltiger Staatsanleihen endet
Von Tobias Gruber*)
Nach einer von sommerlicher Zurückhaltung geprägten Phase wurde dem Markt für in Euro denominierte nachhaltige Staatsanleihen durch zwei „Schwergewichte“ wieder neues Leben eingehaucht. Dem milliardenschweren Marktauftritt Deutschlands Ende August folgte nur wenig später Italien mit einer ebenfalls großvolumigen Transaktion. Die vom Bund emittierte grüne Anleihe, der sogenannte „Green Bund“, stieß dabei auf reges Interesse. Dem im Volumen von 5 Mrd. Euro platzierten Papier standen Zeichnungen in Höhe von mehr als 14 Mrd. Euro gegenüber. Mit den Emissionserlösen sollen grüne Projekte vor allem in fünf Sektoren gefördert werden: (1) Verkehr, (2) internationale Zusammenarbeit, (3) Forschung, Innovation und Information, (4) Energie und Industrie sowie (5) Land- und Forstwirtschaft, Naturlandschaften und biologische Vielfalt. So definiert das Rahmenwerk für Grüne Bundeswertpapiere die entsprechenden Ausgabekategorien.
Großer Anklang
Der nur wenige Tage darauf von Italien an den Markt gebrachte Green Bond stieß ebenfalls auf großen Anklang. Bloomberg-Daten zufolge war die Anleihe mit einem Volumen von 6 Mrd. Euro fast siebenfach überzeichnet. Bereits das Debüt Italiens am Markt für nachhaltige Staatsanleihen im März 2021 erfreute sich enormer Beliebtheit und ist mit 8,5 Mrd. Euro die bis dato größte Emission in diesem Segment. Für die Verwendung der Erlöse hat Italien in seinem Green Bond Framework insgesamt sechs Kategorien festgelegt. Die Sektoren erstrecken sich von (1) Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien sowie (2) Energieeffizienz über (3) Verkehr und (4) Vermeidung und Bekämpfung von Umweltverschmutzung und Kreislaufwirtschaft bis hin zu (5) Schutz der Umwelt und der Biodiversität sowie (6) Forschung.
Unter Vorjahresniveau
Doch auch die beiden milliardenschweren Marktauftritte von Deutschland und Italien ändern nichts an der Tatsache, dass die Emissionstätigkeit am Markt für nachhaltige Staatsanleihen im bisherigen Jahresverlauf ein gutes Stück den Zahlen aus dem Jahr 2021 hinterherhinkt, wobei das letzte Jahr auch das bisherige Rekordjahr war. Stand zum selben Zeitpunkt des Vorjahres ein Emissionsvolumen von knapp 46 Mrd. Euro zu Buche, beläuft sich der Wert aktuell auf fast 40 Mrd. Euro. Angesichts der herausfordernden Gesamtkonstellation kann sich diese Entwicklung aber noch sehen lassen. Das Marktumfeld ist 2022 von einer Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren geprägt, die sich vom Ukraine-Krieg über Inflations- und Rezessionssorgen bis hin zu einer angespannten Energieversorgung erstrecken. Hinzu kommt, dass viele Staaten die eigenen Prioritäten angesichts des Ukraine-Krieges – zumindest temporär – neu sortiert haben dürften. Zwischen Ende Februar und Anfang Mai kam das Emissionsgeschehen sogar komplett zum Erliegen.
Aufstockungen dominieren
Ein Blick auf die Struktur der Marktauftritte verrät, dass Aufstockungen bereits bestehender Papiere das Bild im bisherigen Jahresverlauf dominierten. Von den bis dato zu notierenden 16 Emissionsaktivitäten am nachhaltigen Staatsanleihenmarkt waren elf Aufstockungen zu verzeichnen. Hier traten insbesondere die bewährten Kräfte Deutschland, Frankreich und die Niederlande in Aktion. Unter den eher rar gesäten „echten“ Neuemissionen stach wiederum der im Mai begebene Green Bond Österreichs hervor, ist der Club grüner Staatsanleiheemittenten durch das Debüt unseres Nachbarlandes doch nun um ein Mitglied reicher. Die sechsfach überzeichnete Debütemission soll aber erst der Anfang für Österreich gewesen sein. Zur Finanzierung nachhaltiger Projekte dürften noch weitere Auftritte folgen.
Nachdem sich das Bild im vergangenen Jahr im Hinblick auf die Anleihekategorien diversifizierter dargestellt hatte, sind 2022 fast ausschließlich Green Bonds begeben oder aufgestockt worden. Eine ähnliche Dominanz der Green Bonds ist lediglich bei den nachhaltigen Bankanleihen zu beobachten. In den Assetklassen der Corporates und SSAs gestaltet sich das Bild diversifizierter, hier werden auch die Formate Social Bonds und Sustainability-Linked Bonds deutlich öfter gewählt.
Bislang 177 Mrd. Euro
Nach Aufzeichnungen der DZ Bank wurden im nachhaltigen Euro-Staatsanleihesegment bisher Papiere im Volumen von 177 Mrd. Euro emittiert. Dabei ist und bleibt Frankreich das aktivste Land mit begebenen Bonds in Höhe von mehr als 50 Mrd. Euro. Deutschland folgt mit einem Emissionsvolumen von knapp 38 Mrd. Euro. Dies ist insofern bemerkenswert, als der Bund erst im September 2020 das „Nachhaltigkeitsspielfeld“ betreten hat. Darin spiegelt sich das Ziel Deutschlands wider, ein Vorreiter und Benchmark-Emittent innerhalb der Eurozone werden zu wollen. Mit dem fünften „Green Bund“ ist die Bundesrepublik dem Ziel, eine „vollständige grüne Kurve“ aufbauen zu wollen, wieder ein Stück näher gekommen. An dritter Stelle rangiert nun Italien, mit einem Volumen von knapp 20 Mrd. Euro.
Chile ein Vorreiter
Wenngleich sich dahinter zunächst mit den Niederlanden und Belgien zwei weitere Europäer einreihen, findet sich mit Chile (gut 7 Mrd. Euro) auch ein lateinamerikanisches Land weit vorne. Dabei nimmt Chile nicht nur in der Region eine Vorreiterrolle ein, sondern auch hinsichtlich des gewählten Anleiheformats. So haben die Lateinamerikaner im März dieses Jahres den ersten Sustainability-Linked Bond – wenngleich in Dollar denominiert – im Ländersegment begeben, nachdem sie bereits zu Beginn des zurückliegenden Jahres für den ersten Social Bond eines Staates in Euro verantwortlich waren. Dieser soll dem unterliegenden Rahmenwerk zufolge zur Linderung der nach wie vor sehr relevanten Problematiken von Armut und Ungleichheit im Land beitragen. Mit Mexiko und Peru folgten diesem Beispiel im Jahr 2021 noch zwei weitere Staaten aus Lateinamerika.
Breites Spektrum
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass das Segment nachhaltiger auf Euro lautender Anleihen insbesondere seit dem vergangenen Jahr an Vielfalt gewonnen hat. So reicht die Runde der mit nachhaltigen Euro-Anleihen an den Markt getretenen Länder über osteuropäische Vertreter wie Polen, Ungarn, Serbien und Slowenien bis hin zu Andorra, Benin, Indonesien oder Hongkong. Das Gros der Anleihen kommt aber unverändert aus Kerneuropa. Aktuell steht Belgien Bloomberg-Meldungen zufolge mit einem neuen Green Bond in den Startlöchern. Insgesamt steht dem Anleger somit für eine Investition in nachhaltigen Staatsanleihen ein breites Spektrum an Ländern, Ratings und damit Renditeniveaus zur Verfügung.
*) Tobias Gruber ist Analyst im Rentenresearch der DZ Bank.