Konstantin Veit, Pimco

„Renditepotenzial jetzt attraktiver“

Nach den hohen Verlusten, die Anleiheanleger in diesem Jahr hinnehmen mussten, ist laut dem Pimco-Portfoliomanager Konstantin Veit das Renditepotenzial nun wesentlich attraktiver geworden.

„Renditepotenzial jetzt attraktiver“

Christopher Kalbhenn.

Herr Veit, was erwarten Sie von der bevorstehenden Tagung der Europäischen Zentralbank?

Wir werden 50 oder 75 Basispunkte sehen, wahrscheinlich noch mal 75. Die Idee dahinter ist, möglichst schnell in ein neutraleres Zins-Terrain zu kommen. Den meisten Schätzungen zufolge liegt dieses zwischen 1,25% und 2%. Mit einer Anhebung um 50 BP wäre man dann schon am unteren Ende der Spanne. Bis Ende des Jahres, also inklusive der Dezember-Tagung, wird es unserer Meinung nach eine weitere Anhebung um 50 BP geben. Dann wäre der neutrale Bereich sicherlich erreicht.

Und was geschieht danach?

Dann wird die EZB überlegen müssen, was in Bezug auf die Zinsen und die Bilanz beziehungsweise ein Quantitative Tightening geschehen soll. Die interessanteste Frage ist, wohin die Reise den Zins letztendlich führt. Derzeit werden am Markt 3% eingepreist. Das ist durchaus möglich. Vorstellbar wären nach einer Anhebung auf 2% im Dezember auch zwei weitere Schritte à 25 Basispunkte, so dass das Hoch bei 2,5% erreicht würde. Die Unsicherheit ist allerdings groß, was die Inflation angeht. Daher sind 3% durchaus plausibel, insbesondere wenn man den Vergleich mit den USA und Großbritannien heranzieht. Was die Zentralbankbilanz angeht, glauben wir, dass die EZB anstreben wird, Reinvestitionen ihres regulären Programms zum Ankauf von Vermögenswerten im nächsten Jahr zu reduzieren oder weitestgehend zu beenden, während die PEPP-Reinvestitionen wohl bis mindestens 2024 fortgesetzt werden könnten.

Was bedeutet das aktuelle Umfeld für die Anleihemärkte?

Insgesamt ist das Renditepotenzial an den Rentenmärkten jetzt wesentlich attraktiver als zuvor. Im Euroraum hatten wir acht Jahre lang negative Zinsen. Nun sind im Euroraum mit relativ wenig Zins- und Kreditrisiko bereits wieder um die 3,5% erzielbar. Grundsätzlich werden wir versuchen Portfolios so zu konzipieren, dass sie über eine Reihe von wirtschaftlichen, geopolitischen und Marktszenarien hinweg widerstandsfähig sind und in Zeiten größerer Marktspannungen Liquiditätsgeber sind.

In Italien ist jetzt mehr erzielbar.

In Italien haben wir derzeit keine großen Positionen. Die Politik des Landes bliebt ein Unsicherheitsfaktor. Eine Zentralbank, die die Zügel anzieht, ist auch nicht hilfreich. Andererseits besteht eine gewisse Chance, dass wir zusätzliche gemeinsame Emissionen von EU-Anleihen sehen, um die Energiekrise anzugehen, was hilfreich wäre, insbesondere aus einer Signalperspektive. Es wird wahrscheinlich kein NGEU 2.0 sein und eher nach dem Vorbild der sogenannten Sure-Anleihen konzipiert werden.

Können Anleihen wieder ihre traditionelle Absicherungsrolle ausspielen?

Das ist für uns ein sehr wichtiger Punkt. Wir gehen davon aus, dass sich die negative Korrelation zwischen Anleihen und Risiko-Assets wieder durchsetzen wird, wodurch die Absicherungs- und Diversifizierungseigenschaften von Allokationen in Kernanleihen verbessert werden.

Wie sehen Ihre Inflationserwartungen aus?

Die Inflation wäre noch höher, wenn Regierungen nicht eingreifen würden, um die Weitergabe der Großhandelsgaspreise an die Endkundenpreise für Gas und Strom zu begrenzen. Unserer Meinung nach wird gegen Ende des Jahres der Höhepunkt in etwa auf dem aktuellen Niveau erreicht. Im kommenden Jahr sollte die Inflation dann relativ schnell sinken.

Warum wird das geschehen?

Das hängt primär mit den Basiseffekten zusammen. Wir erwarten eine Normalisierung der Energie- und Nahrungsmittelpreise. Es ist un­wahrscheinlich, dass es hier weitere Preiserhöhungen geben wird, wie wir sie bisher gesehen haben. Die Löhne spielen im Euroraum eine wesentlich geringere Rolle als Inflationstreiber als in den Vereinigten Staaten. Das ist auch für die EZB wichtig. Während die Geldpolitik Erstrundeneffekte durch höhere Energiepreise und die Auswirkungen von Angebotsschocks nicht verhindern kann, sehen wir momentan die Hauptverantwortung der EZB darin, Risiken von Zweitrundeneffekten entgegenzuwirken und eine Entankerung der Inflationserwartungen zu verhindern.

Welche Höhen sind für die Verzinsung der zehnjährigen Bundesanleihe vorstellbar?

Typischerweise handeln zehnjährige Anleihen über kurzlaufenden Anleihen, was die Renditen betrifft. Wenn der Leitzins der EZB auf 2,5% steigt, sind für die zehnjährige Bundrendite zwischen 2,5% und 3% durchaus vorstellbar. Sollte der Leitzins auf 3% steigen, wären Renditen von mehr als 3% möglich. Auf der anderen Seite erhöhen stärkere Leitzinsanhebungen das Rezessionsrisiko, so dass der Markt dazu übergehen könnte, Zinssenkungen einzupreisen. In der Folge könnte die Rendite der zehnjährigen Laufzeit unterhalb des Leitzinsbereiches notieren. Es ist durchaus möglich, dass wir eine deutlich invertierte Zinskurve kriegen werden.

Wie stehen Sie zu Unternehmensanleihen?

An den Märkten für risikobehaftetere Anleihen werden wir versuchen, ein Gleichgewicht zwischen kurzfristiger Vorsicht angesichts der Unsicherheit und Rezessionsrisiken und einem langfristigen Fokus auf qualitativ hochwertige, widerstandsfähige Vermögenswerte zu erreichen. Einige Segmente sehen derzeit wieder attraktiv aus. Dazu zählen beispielsweise das verbriefte Segment, darunter dänische Pfandbriefe; und im Finanzsektor der obere Bereich der Kapitalstruktur, d.h. Senior-Anleihen.

Was erwarten Sie auf konjunktureller Seite?

Grundsätzlich ist unser Makroausblick so, dass eine Rezession im Euroraum wahrscheinlich ist. Wir waren es gewohnt, dass Fiskalagenten und Zentralbanken in Schwächephasen eingesprungen sind. Angesichts der hohen Staatsverschuldung und der hohen Inflation ist dafür nun deutlich weniger Spielraum vorhanden. Die Zentralbanken haben klargemacht, dass ihr Fokus auf der Inflation liegt und sich die Fiskalagenten um das Wachstum kümmern müssen.

Könnten wir angesichts der vielfältigen Belastungen eine schwerere Krise im Euroraum kriegen?

Es wird interessant sein, ob sich im Euroraum eine ähnliche Situation ergibt wie in Großbritannien. Dort wollte die Zentralbank aus geldpolitischen Gründen eigentlich Anleihen verkaufen, musste dann aber kaufen, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. 2023 könnte eine ähnliche Lage entstehen, wenn beispielsweise Italien stärker unter Druck geraten würde und die EZB dann italienische Anleihen kaufen müsste, um den Markt zu stabilisieren. Aus geldpolitischen Gründen will man verkaufen, aber man könnte gezwungen sein zu kaufen, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. Es wird spannend zu beobachten, inwiefern Zentralbanken möglicherweise einer Finanzmarkt-Dominanz unterliegen. Also einer Situation, in der sie aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Finanzstabilität daran gehindert werden könnten, ihr Inflationsziel zu erreichen.

Das Interview führte

BZ+
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