Versicherer

Shareholder-Aktivist macht Aviva agiler

Wer glaubt, dass Cevian dem Aviva-Management bei der Selbstfindung zu mehr Agilität verhelfen kann, sollte über einen Einstieg nachdenken. Teilverkäufe haben bereits für eine Fokussierung gesorgt.

Shareholder-Aktivist macht Aviva agiler

Von Andreas Hippin, London

Manager habe eine klare Meinung, wenn es um Shareholder-Aktivisten geht, die ihnen eine neue Linie vorgeben wollen. Aktionären ist ihr Einstieg oft willkommen, müssen sie doch oft genug zurückstecken, um Interessen anderer Stakeholder zu bedienen. Als sich Cevian Capital als zweitgrößter Aktionär des britischen Versicherers Aviva outete, sorgte das in der Londoner City zunächst für Verwunderung. Chief Executive Amanda Blanc hatte nach ihrem Amtsantritt im Juli vergangenen Jahres schon den Rückzug aus vielen Märkten eingeleitet und angekündigt, den Erlös zum Schuldenabbau und für Ausschüttungen an die Anteilseigner zu nutzen. Sie kam von der Zurich Insurance Group. Davor führte sie das Geschäft von Axa in Großbritannien und Irland. Sie war auch schon Chairman der Association of British Insurers und kennt die Branche in- und auswendig.

Vorangegangen waren Jahre der Tatenlosigkeit und Verwirrung, in denen es mehr Argumente für den Einstieg eines Aktivisten gegeben hätte. Einerseits wurde über eine Zerschlagung in Lebens- und Sach- und Unfallversicherungsgeschäft spekuliert, andererseits darauf gehofft, dass Aviva den Rivalen RSA Insurance Group übernehmen und dadurch größenmäßig zu den europäischen Wettbewerbern aufschließen könnte. Gemessen am Börsenwert von 19 Mrd. Euro macht Aviva gegenüber der Allianz (88 Mrd. Euro) oder Axa (51 Mrd. Euro) keine besonders gute Figur. Es kam weder zum einen noch zum anderen. Cevian war auch bei der RSA Insurance Group mit an Bord, die sich am Ende die kanadische Intact Financial und die dänische Tryg teilten (vgl. BZ vom 19.11.2020).

Ausschüttungen im Blick

„Aviva wurde über viele Jahre schlecht gemanagt und ihre qualitativ hochwertigen Kerngeschäfte durch hohe Kosten und eine Reihe schlechter strategischer Entscheidungen zurückgehalten“, monierte Christer Gardell, Mitgründer von Cevian. „Aviva hat nun das Potenzial, ein Marktführer mit guter Kapitalausstattung zu werden, der rentables Wachstum hervorbringt, in wesentlichem Maße Cash erwirtschaftet und sich an der Börse großer Wertschätzung erfreut.“ Man gehe davon aus, dass Blanc und Chairman George Culmer daran gelegen sei, dieses Potenzial zu heben. Cevian erwarte, dass die angekündigten Divestments erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Bereits 2022 sollte Aviva über 5 Mrd. Pfund Überschusskapital verfügen, das an die Anteilseigner ausgeschüttet werden könnte. Binnen drei Jahren sollte die Gesellschaft mehr als 8 Pfund je Aktie wert sein und sich die Dividende mehr als verdoppeln – auf dann 45Pence je Aktie. Man sehe Spielraum von Kostensenkungen von mindestens 500 Mill. Pfund bis 2023. Das Management hatte bereits angekündigt, 300 Mill. Pfund bis 2022 einzusparen. Angeblich fanden bereits Gespräche mit Cevian statt. Medienberichten zufolge hat Cevian Interesse an einem Board-Mandat angedeutet.

Das Unternehmen will sich künftig auf die Kernmärkte Großbritannien, Irland und Kanada konzentrieren. In einem Update zur Geschäftsentwicklung wurden Ende Mai weder ein Zeitrahmen für Ausschüttungen an die Aktionäre noch Angaben zu deren Umfang gemacht. Die offizielle Dividendenpolitik besteht darin, die Dividende ausgehend von den zuletzt gezahlten 21 Pence Jahr für Jahr im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich zu steigern. Doch geht die Geschäftsentwicklung alles in allem in die von Cevian gewünschte Richtung. Die Geschäfte in Frankreich, Italien, Polen, Singapur und Vietnam wurden bereits veräußert. Aviva France ging für 2,9 Mrd. Pfund an die aus der Fusion von Macif und Aéso entstandene Aéma. Die Transaktion galt auf Grund der Größe, der Vielzahl der Geschäftsfelder und zahlreicher Kooperationen als schwierig. Am Ende bewegte sich der Verkaufspreis im Rahmen der erwarteten Spanne. Polen und das italienische Nichtlebensversicherungsgeschäft gingen an die Allianz.

Die Analysten der UBS leiteten aus der zuletzt genannten Pro-forma-Solvenzquote von 253 % ab, dass der Versicherer über 6,6 Mrd. Pfund überschüssiges Kapital verfügen könnte. Am Markt wurde bereits über einen 5 Mrd. Pfund schweren Aktienrückkauf spekuliert. Immerhin hatte das Management versprochen, ab einer Quote von 180 % überschüssiges Kapital an die Aktionäre auszuschütten, wenn Teilverkäufe und Schuldenabbau einmal abgeschlossen sind. Unter den von Bloomberg zusammengetragenen Analystenstimmen findet sich 14-mal die Anlageempfehlung „Kaufen“. Sieben der Branchenexperten sprachen sich für „Halten“ aus, nur einer für „Verkaufen“. Das durchschnittliche Kursziel lag mit 464 Pence mehr als ein Zehntel über dem aktuellen Kursniveau. Die Aussicht auf steigende Zinsen trägt zur positiven Sicht der Analysten bei. Vor allem britische Lebensversicherer wie Aviva sollten davon profitieren, heißt es in einer Studie der Berenberg Bank. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 8,62 ist Aviva deutlich niedriger bewertet als Rivalen wie Legal & General (11,36) oder Prudential (24,57). Höhere Zinsen würden sich positiv auf die Solvenz von Versicherern auswirken und für höhere Renditen auf reinvestierte Mittel sorgen. Doch steht eine Leitzinserhöhung bislang selbst in Großbritannien noch nicht auf der Tagesordnung.

Unklar ist, welche Strategie Aviva künftig einschlagen will. Andere haben verstärkt auf das Asiengeschäft oder das Assetmanagement gesetzt. Will Blanc etwa einen „nationalen Champion“ im Versicherungsgeschäft aufbauen? Die Marke gehört neben Churchill und Direct Line zu den bekanntesten Namen im Vereinigten Königreich. Allerdings müsste dafür Kapital aus dem britischen Lebensversicherungsgeschäft, das zwei Drittel zum operativen Ergebnis beisteuert, abgezogen und auf die anderen Geschäftsbereiche verteilt werden, die bislang noch keine große Rolle spielen. Das Assetmanagement scheint jedenfalls nicht im Zentrum der Neuausrichtung zu stehen. Wie die „Mail on Sunday“ berichtete, will sich Aviva Investors im Zuge ihres Sparprogramms von zehn Aktienfondsmanagern trennen. Der Anlagechef für Aktien, David Cumming, hat das Unternehmen bereits verlassen. Der Chef der Vermögensverwaltung, Euan Munro, hatte schon im Januar das Unternehmen verlassen. Wer glaubt, dass Cevian dem Management bei der Selbstfindung zu mehr Agilität verhelfen kann, sollte kaufen.