„Sie sollten mental 10 Prozent ihres Vermögens abschreiben!"
Im Interview: Pirmin Hotz
„Sie sollten mental 10% ihres Vermögens abschreiben!"
„Irgendwann werden wir Steuerzahlenden die staatlichen Schuldenberge abtragen müssen“, warnt der Vermögensverwalter Pirmin Hotz seine Kunden. Auch darum kauft er Aktien.
Aktien werden künftig geringere Renditen abwerfen, ist Pirmin Hotz im Rückblick auf seine fast 40 Berufsjahre als Vermögensverwalter überzeugt. Eine Welt ohne Dividendenwerte kann und will er sich aber nicht vorstellen. Von Staatsanleihen, Gold und Bitcoin hält er wenig bis gar nichts.
Herr Hotz, es scheint, als habe Donald Trump der Börse im vergangenen Jahr eher genutzt als geschadet. Nun ist er zurück als Präsident. Was erwarten Sie?
Donald Trump macht mir vor allem in politischer und weniger in börsentechnischer Hinsicht Sorgen. Aber klar, Trump ist ein sehr unberechenbarer Mann und Unsicherheit ist schlecht für das Börsenklima, zumal wir gerade zwei Superjahre hinter uns haben. Ich rechne 2025 mit deutlich größeren Kursschwankungen.
Wie bereiten Sie sich vor?
Gar nicht. Die Vermögen unserer Kunden bestehen erstens aus soliden Aktien, zweitens, mit großem Abstand, aus guten Immobilien und drittens, zur Glättung von Wertschwankungen, aus sicheren Anleihen. Je nach Marktsituation verschieben wir die Gewichte etwas, um opportunistisch die Performance zu steigern.
Wie geht das praktisch?
Zum Beispiel haben wir im vergangenen Jahr bei vielen Kunden etwas Aktien verkauft und die darauf realisierten Gewinne in Anleihen gesteckt. Wenn es 2025 zu Kursrückschlägen kommen sollte, werden wir das Gegenteil machen – Aktien kaufen, Anleihen verkaufen.
Sie erklärten uns hier vor zwölf Monaten, weshalb Sie keine Jahresprognosen zu Aktien machen. Wie lautet denn Ihre Langfristprognose?
Ich bin seit bald 40 Jahren als Vermögensverwalter tätig und habe für meine Kunden über diese ganze Zeit hinweg eine durchschnittliche Rendite mit Aktien von etwas mehr als 9% pro Jahr herausgeholt. Ich glaube, dass das in Zukunft schwieriger wird. Ich erwarte, dass die langfristige durchschnittliche Rendite von 7% bis 9%, welche die Aktienmärkte in den vergangen hundert Jahren in etwa abgeworfen haben auf durchschnittlich zirka 6% bis 7% pro Jahr zurückgehen wird.
Warum erwarten Sie das?
Ich glaube, dass das weltweit gesunkene Zinsniveau noch längere Zeit auf tieferem Niveau verharren wird. Das drückt auch die Risikoprämien, die es mit Aktien zu verdienen gibt.
Aber im Moment bewegen wir uns auf der Zinskurve weiter abwärts. Müssten die Aktienmärkte davon nicht zusätzlichen Schwung erhalten?
So lautet die Lehrmeinung. Aber für diese gibt es keine Evidenz. Ein schwacher, umgekehrter Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Zins- und Aktienmärkte lässt sich empirisch zwar nachweisen. Aber denken Sie nur an die Zeit der Dotcomblase: Zwischen 2001 und 2003 senkten die Notenbanken die Zinsen drastisch. Aber es dauert sehr lange, bis die Aktienmärkte am Talboden ankamen.
Was passiert mit dem Dollar, wenn die Leitzinsen weiter sinken?
Der Dollar ist mindestens im Vergleich zum Franken klar überbewertet und wird sich auf Dauer der Kaufkraftparität angleichen müssen. Alle Welt hat sich in den vergangenen Jahren auf den Dollar gestürzt. Viele Hedge-Fonds haben sich zeitweise im großen Stil im tiefverzinslichen Yen verschuldet und mit dem Geld höher verzinsliche Dollaranlagen gekauft. Solche Carry Trades werden früher oder später vom Prinzip übersteuert, dass es dort, wo es höhere Zinsen zu verdienen gibt auch eine höhere Inflation zu akzeptieren gilt. Und Länder mit einer höheren Inflation haben fundamental eben auch eine schwächere Währung.
Sie investieren das Geld Ihrer Kunden auch in Anleihen. Wie sehen Sie das Problem der globalen Verschuldung, wenn Sie etwa Staatsanleihen kaufen?
Die Staatsverschuldung macht uns große Sorgen, insbesondere die amerikanische. 2023 betrug das US-Budgetdefizit 6,3% trotz gut geölter Wirtschaft. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Aber mit Japan, Italien, Frankreich sind auch andere Industrieländer Sanierungsfälle. Anleihen solcher Staaten kann ich mit gutem Gewissen nicht mehr kaufen.
Kann man sich schadlos halten?
Nein, irgendwann werden wir Steuerzahlenden diese Schuldenberge abtragen müssen. Und auch die Unternehmen werden in einer nächsten Schuldenkrise nicht ungeschoren davonkommen. Ich sagen meinen Kunden, sie sollten mental 10% ihres Vermögens abschreiben, als Beitrag zu einer globalen Schuldensanierung in unbestimmter Zukunft. Ich denke, so sollte jeder Pensionsfonds aber auch jeder private Investor rechnen.
Was ist mit Gold?
Gold ist auch unter diesen Bedingungen keine gute Alternative zu Aktien. Trotz des Superjahres 2024 hat Gold im langfristigen Renditevergleich keine Chance gegen Aktien. Ich halte es mit dem amerikanischen Finanzverleger Jim Grant, der sagt: „Gold ist eine Investition in monetäres Chaos.“ Eine solche Investition kann man tätigen, aber ich würde dafür nur einen ganz marginalen Teil des Vermögens von vielleicht 2% einsetzen.
Dann denken Sie also, dass Aktien auch in den nächsten 50 Jahren überdurchschnittlich performen werden. Was macht Sie so sicher?
Ich rechne mit einer Welt, wie ich sie mir und meinen Nachkommen wünsche. Wenn Sie glauben, die Aktienkurse langfristig nicht mehr so steigen, dass die Investoren für ihr Risiko entschädigt werden, dann gibt es diese marktwirtschaftliche Welt, in der wir gerade leben, nicht mehr. Vielleicht leben wir dann in einem Staat, in dem es kein Privateigentum mehr gibt. Das ist für mich eine ganz schlimme Vorstellung, auf die ich keine Wetten abschließen mag.
Wäre damit auch die obligate Frage nach Bitcoin beantwortet?
So ist es. Gold, das als Edelmetall immerhin über besondere physikalische Eigenschaften verfügt und deshalb auch eine industrielle Verwendung hat, ist ein um Welten besseres Investment. Für mich ist Bitcoin das faktisch größte Schneeballsystem aller Zeiten.
Was haben Sie 2024 mit Aktien für Ihre Kunden verdient?
Es waren 14%, trotz der enttäuschenden Performance einiger Kerntitel wie Nestlé, Swatch Group oder Bayer. Ich bin sehr zufrieden mit diesem Ergebnis, vor allem auch wenn man bedenkt, dass unsere Aktienportfolios weit besser diversifiziert sind als etwa der MSCI-Weltaktienindex.
Bayer ist wohl Ihr größter Problemfall. Warum sind sie dabeigeblieben?
Ja, Bayer ist unser schwierigster Fall. Eigentlich wären Sammelklagen ein Argument für uns auszusteigen. Aber wir sind bis heute dabeigeblieben, weil die Beurteilung von Round-up, dem Düngemittel von Monsanto, das die ganzen Klagen ausgelöst hat, etwas kontrovers ist. Die Umweltbehörden sagen, Round-up sei, wenn es korrekt verwendet werde, nicht gesundheitsschädigend. Aber die Gerichte vertreten gegenteilige Positionen. Noch glauben wir, dass sich die Position der Umweltbehörden in den Gerichten am Ende durchsetzen wird. Die Sache kann aber gut auch gegen uns laufen. Aber meine Ambition als Vermögensverwalter ist es eben auch, gegen den Strom zu schwimmen, mich antizyklisch zu verhalten. Ich sehe, dass die Firma operativ immer noch gut verdient und über einen gesunden Kern verfügt.
Zur Person: Der 64-jährige Schweizer Pirmin Hotz ist seit fast 40 Jahren als bankunabhängiger Vermögensverwalter tätig. 2021 verfasste er ein erfolgreiches Buch über Anlagestrategien unter dem Titel: „Über die Gier, die Angst und den Herdentrieb der Anleger“.
Das Interview führte Daniel Zulauf.