Steigende Zinsen belasten Tech
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Sie sind die Überflieger am Aktienmarkt, die Jahr um Jahr ihre Gewinne deutlich steigern und deren Kurse in den vergangenen Jahren massiv geklettert sind. Und auch 2021 hat Big Tech, sprich Apple, Google (die an der Börse jetzt Alphabet heißen), Amazon und Microsoft wieder geliefert. Die Tabelle mit der Entwicklung des Ergebnisses je Aktie dieser Werte zeigt auf, dass diese Titel echte Gewinnmaschinen sind. Und jeder merkt es im Alltag, die Digitalisierung der Wirtschaft greift um sich, immer mehr wird in die Cloud verlagert, immer mehr Menschen besitzen ein iPhone oder ein Tablet und durch Corona haben auch hierzulande viele Menschen entdeckt, wie bequem, günstig und einfach es ist, online einzukaufen.
Doch auch Technologieaktien sind an der Börse keine Selbstläufer. Denn auch wenn Big Tech von steigenden Gewinnen, großem Zukunftspotenzial und der starken, mitunter fast monopolartigen Marktstellung einzelner Unternehmen profitiert, so sind doch stark ansteigende Zinsen der Kursentwicklung dieser Titel abträglich. Und dies vor allem wenn ein Anstieg der Anleiherenditen auf eine allzu hohe, ambitionierte Bewertung trifft. „Das nun wieder ausgeweitete Bewertungsniveau von US-Tech ist wegen stark gestiegener Anleiherenditen (Opportunitätskosten) instabil und hat ein historisch kritisches Niveau“, stellt Analyst Sven Streibel von der DZ Bank fest. „Aufgrund dessen sind wir bei US-Tech wachsam, bleiben aber weiterhin investiert.“ Denn die Ertragskraft des Sektors sei ungebrochen und gerade in wirtschaftlichen angespannten Zeiten ein Stabilisator im Portfolio.
Streibel vergleicht die Situation derzeit mit der zu Beginn des vierten Quartals 2018. Denn damals sei die Gemengelage ähnlich gewesen, der Markt sei aufgrund einer hohen Bewertung und des damaligen US-Zinsanhebungszyklus zu heiß gelaufen, so dass eine Korrekturphase bis Ende 2018 erfolgte. Da die Fed auch jetzt deutlich straffen will, könnte Entsprechendes wieder passieren. Insofern sollten Investoren eher Vorsicht walten lassen.
Den Big-Tech-Firmen geht es indes ausgezeichnet. Apple legt stetig zu, steigert die Gewinne und kauft massiv Aktien zurück. Die Aktie ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von unter 30 (für 2022 erwartet) für einen Wachstumswert keineswegs teuer, aber eben auch nicht billig und kein Schnäppchen mehr. Etliche Analysten empfehlen Apple zum Kauf, und langfristig mag die Aktie auch attraktiv sein. Nur belastet derzeit eben die US-Zinswende.
Auch bei Microsoft brummt es richtig, Umsätze und Gewinne klettern derzeit überdurchschnittlich. Zudem kauft auch Microsoft kräftig Aktien zurück. Doch ist Microsoft ebenfalls kein Schnäppchen mehr. Auch hier droht die Fed die Aktienparty zu stören. Kommt es in den nächsten Wochen zu Kursrückschlägen, wären diese mithin für Investoren vielleicht eine günstige Gelegenheit, auf ermäßigtem Niveau in die Aktie des Softwareriesen einzusteigen.
Aktiensplit bei Amazon
Amazon hat eine extrem starke Marktstellung, ist dafür aber nach wie vor, wie zuletzt fast immer, mit einem KGV von 68 (für 2022 erwartet) relativ teuer. Da könnten kräftige US-Zinserhöhungen besonders belasten. Aktionäre setzen neben Aktienrückkäufen auf den angekündigten Aktiensplit im Verhältnis 1:20. Dieser muss noch von der Hauptversammlung am 25. Mai abgesegnet werden, was jedoch Formsache sein dürfte. Wer dann am Ende des 27. Mai, dem Record Day, eine Amazon-Aktie besitzt, erhält per 3. Juni 19 neue Amazon-Aktien in sein Depot eingebucht. In Haussezeiten sind Splits zusätzliche Kurstreiber, doch steht eben zu befürchten, dass durch die Fed-Straffung es in den kommenden Monaten zu keiner ausgeprägten Hausse kommen wird.
Ähnliches gilt für Alphabet. Der Suchmaschinen-Konzern hat 2021 mit einer Steigerung des Ergebnisses je Aktie von 59 auf 112 Dollar erneut gezeigt, was für eine Gewinnmaschine er ist. Hinzu kommt mittelfristig enorme Ertragsfantasie durch das Cloudgeschäft. Record Day für den angekündigten Aktiensplit im Verhältnis 1:20 ist der 1. Juli. Die neuen 19 Anteilscheine für den Besitzer einer Altaktie werden dann am 15. Juli eingebucht. Für die Alphabet-Aktien spricht immerhin, dass sie mit einem KGV von 24 (für 2022 erwartet) im Gegensatz zu Amazon nicht extrem hoch bewertet sind. Und auch Alphabet ist ein echter Wachstumswert und dürfte Umsatz und Gewinn in den kommenden Jahren deutlich steigern.
Die Kurse von nicht profitablen Technologiewerten sind in den vergangenen Monaten massiv zurückgefallen. Hier hat sich der Zinsanstieg bereits deutlich niedergeschlagen. Auch der Kurs von Twitter ist zwischenzeitlich erheblich eingebrochen, zuletzt aber aufgrund des Einstiegs von Elon Musk als Großaktionär wieder etwas nach oben gehüpft. Die Aktie ist eine heiße Wette darauf, dass es, vielleicht mit Hilfe von Musk, Twitter wieder gelingt, signifikante Gewinne zu erzielen.
Etliche Fragezeichen tun sich auch bei Meta Platforms, der früheren Facebook, auf. Nach Meinung von Analyst Ingo Wermann von der DZ Bank ist der eingeschlagene Weg des Konzerns ins „Metaversum“ teuer und kann scheitern. Auch in der Öffentlichkeit stehe Meta Platforms zunehmend in der Kritik.
Das einzige europäische Unternehmen, das es weltweit im Technologiebereich an die Spitze geschafft hat, ist SAP. Der Softwarekonzern konnte zwar zuletzt seine Clouderlöse deutlich steigern, doch dürfte die verstärkte Transformation in die Cloud im Geschäftsjahr 2022 auf der Ertragsseite belasten. Zum 50-jährigen Jubiläum des Konzerns winkt dank einer Sonderausschüttung zumindest eine auf 2,45 Euro je Aktie erhöhte Dividende.
Technologieaktien im Vergleich | ||||||||
Ergebnis je Aktie (in Dollar, bei SAP in Euro) | KGV 2022e | |||||||
Name | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022e | 2023e | |
Apple (GJ: 30.9.) | 2,30 | 2,98 | 2,97 | 3,28 | 5,61 | 6,19 | 6,75 | 28,3 |
Alphabet (Ex-Google) | 18,0 | 43,7 | 49,2 | 58,6 | 112,2 | 116,0 | 135,7 | 24,2 |
Amazon | 6,15 | 20,1 | 23,0 | 41,8 | 64,8 | 48,6 | 74,1 | 67,5 |
Netflix | 1,25 | 2,68 | 4,13 | 6,08 | 11,24 | 10,93 | 14,15 | 26,9 |
Meta Platf. (Ex-Facebook) | 5,39 | 7,57 | 6,43 | 10,09 | 13,77 | 12,32 | 14,54 | 18,8 |
Microsoft (GJ: 30.6.) | 2,71 | 2,13 | 5,06 | 5,76 | 8,05 | 9,50 | 10,63 | 32,7 |
SAP | 3,36 | 3,42 | 2,78 | 3,83 | 4,46 | 2,85 | 3,56 | 35,9 |
−0,15 | 1,56 | 1,87 | −1,44 | −0,28 | −0,10 | 0,11 | Verlust | |
KGV = Kurs-Gewinn-Verhältnis, GJ = GeschäftsjahrStand: 6.4.2022, Quellen: Unternehmensangaben, Refinitiv, Factset, DZ BankBörsen-Zeitung |