Anleihen

Turbulenzen am Bondmarkt

Unsicherheit ist etwas, das Marktteilnehmer nicht mögen. Die Risikoprämien der High-Yield-Bonds werden mittlerweile auf einem signifikant höheren Niveau gehandelt.

Turbulenzen am Bondmarkt

*) Günther Scheppler ist Chefstratege Rentenmärkte bei der DZ Bank.

Von Günther Scheppler*)

Unsicherheit ist etwas, das Marktteilnehmer nicht mögen. Zum Leidwesen der Investoren mangelt es daran aktuell aber nicht. Der Fortgang des Ukraine-Krieges ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Als eine direkte Folge des Krieges nehmen die Rohstoff- und Energiepreise weiter drastisch zu und be­schleunigen die ohnehin schon hohe Inflation. Der europäische Gaspreis hat mittlerweile sein Allzeithoch erreicht, die Rohölpreise sind in einer steilen Aufwärtsbewegung. Zudem sind, Russland und die Ukraine die Kornkammern Europas. Ein Anstieg der Nahrungsmittelpreise droht somit ebenfalls. Die Konjunktur der Eurozone wird von dem Krieg mit Sicherheit negativ beeinflusst. Stagflationsszenarien machen be­reits die Runde. Hinzukommt, dass die Corona-Pandemie aufgrund der aktuellen Ereignisse zwar weitestgehend aus den Schlagzeilen verschwunden ist, sie ist aber keineswegs beendet.

Risikoaversion hoch

Angesichts dieser Vielzahl an Unsicherheitsfaktoren hat die Risikoaversion in den Reihen der Investoren deutlich zugenommen. Die Risikoprämien der High-Yield-Bonds werden mittlerweile auf einem signifikant höheren Niveau gehandelt. Die Bonität der Emittenten in diesem Anleihebereich liegt unterhalb eines Investment-Grade-Status, weshalb der gesamte Sektor als hochriskant gilt. Investoren neigen deshalb dazu, diese Anleihen zuerst zu verkaufen, wenn sich größere Krisen anbahnen. Die aktuelle Situation bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Wurden die in Euro denominierten High-Yield-Anleihen zum Jahresbeginn noch mit einem durchschnittlichen Risikoaufschlag von 300 Basispunkten über den korrespondierenden Bundanleihen gehandelt, sind es am aktuellen Rand 490 Basispunkte. Zum Vergleich: In den vergangenen zehn Jahren betrug der Risikoaufschlag im Durchschnitt 390 Basispunkte. Ein deutliches Indiz für einen Anstieg der Risikoaversion. Panik herrscht am Markt aber nicht. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurden die High-Yield-Bonds im Durchschnitt mit einer Risikoprämie von 900 Basispunkten taxiert, kurze Zeit nach der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 so-gar bei 2000 Basispunkten. Gemessen an diesen Niveaus kann am aktuellen Rand noch nicht von einer Panik gesprochen werden.

Keine Panik

Ein von Bloomberg berechneter Risikoindex spricht die gleiche Sprache. Dieser Risk-on/Risk-off-Indikator setzt sich aus 18 globalen Subindizes aus den Bereichen Aktien, Staatsanleihen, Währungen und Rohstoffe zusammen und beinhaltet auch Volatilitäts- und Liquiditätsindizes. Nimmt dieser Index zu, wird ein Anstieg der Risikobereitschaft der Investoren signalisiert und umgekehrt. Herrschte Mitte Februar mit einem Niveau von 49 Indexpunkten noch eine vergleichsweise hohe Risikobereitschaft, ist diese bei einem aktuellen Wert von 31 deutlich zurückgegangen. Das aktuelle Niveau rangiert damit knapp unterhalb des zehnjährigen Durchschnitts von 32 Indexpunkten, aber deutlich oberhalb der Notierung von minus 34 Indexpunkten zu Beginn der Corona-Pandemie. Somit kann auch hier das Fazit gezogen werden: Deutlicher Anstieg der Risikoaversion ja, Panik-Reaktion nein.

Zwei Seiten einer Medaille

Im Bereich der in Euro denominierten Anleihen mit Investment-Grade-Status haben sich die Risikoaufschläge je nach Betrachtungsweise unterschiedlich entwickelt. Das Universum der entsprechenden iBoxx-Indizes zugrunde gelegt, haben sich die Risikoaufschläge auf Basis des Asset-Swap-Spreads im Bank- und Unternehmensanleihesektor zuletzt deutlich ausgeweitet – die Risikoprämien der Staatsanleihen und Agency Bonds hingegen verringert. Eine klassische Flucht in die sicheren Häfen also. Bei der Betrachtung der Risikoaufschläge gegenüber den korrespondieren Bundesanleihen haben sie in allen Anleihesektoren deutlich zugenommen, mit Ausnahme der Staatsanleihen. Diese sehr unterschiedliche Entwicklung der Risikoprämien hängt mit Veränderung des Bund-Swap-Spreads zusammen. Betrug dieser bei zehnjährigen Laufzeiten zu Beginn des Jahres noch 46 Basispunkte, hat er sich aktuell bis auf 71 Basispunkte ausgeweitet. Auch das ist Ausdruck eines deutlichen Anstiegs der Risikoaversion.

Fragmentierung

Im Bestreben, ihre Portfolios defensiver auszurichten, greifen Investoren allerdings nicht wahllos im Bereich der Staatsanleihen zu. In den vergangenen Tagen war zu beobachten, dass es immer wieder zu einem Anstieg der Risikoaufschläge von Staatsanleihen gekommen ist, deren Emittenten direkt an Russland oder Weißrussland grenzen. Somit zeigt sich, dass die Fragmentierung in den Anleihemärkten insgesamt wieder zunimmt, nicht nur zwischen den Anleihesegmenten, sondern auch innerhalb der einzelnen Anleihesegmente. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat genau dies im Rahmen ihrer ultraexpansiven Geldpolitik in den vergangenen Quartalen zu verhindern versucht; was ihr am Ende auch gelang. Vor diesem Hintergrund hat die heutige EZB-Ratssitzung Gewicht. Die Kardinalfrage ist, ob die Notenbanker erneut die Anleihekaufprogramme adjustieren, um die aktuellen Entwicklungen am Anleihemarkt abzufedern.

Unsicherheit bleibt

Die weitere Entwicklung an den Anleihemärkten unterliegt einer großen Unsicherheit. Sehr viel hängt vom weiteren Verlauf des Ukraine-Krieges ab. Politik- und Militärstrategen haben verschiedene Szenarien entwickelt, deren Eintrittswahrscheinlichkeit jedoch un­bestimmt ist. Somit ist auf jeden Fall mit einer erhöhten Volatilität an den Anleihenmärkten in den kommenden Wochen zu rechnen. Sollten sich die Anzeichen eines Kriegs­endes mehren und die Ukraine dabei ihre Unabhängigkeit im territorialen wie politischen Sinne nicht verlieren, ist eine Gegenbewegung zu den jüngsten Ausweitungen der Risikoprämien sehr wahrscheinlich. Hält die Aggression des russischen Militärs hingegen an und führt zu einer Fortsetzung der Eskalation im Ukraine-Krieg, kann von einem zunehmenden Anstieg der Risikoaufschläge in den riskanteren An­leihesegmenten ausgegangen werden. Die Nachfrage nach Safe-Haven-Anleihen sollte im Gegenzug noch weiter zunehmen. Angesichts der bis auf Weiteres anzunehmenden hohen Inflation werden die Renditen auf Sicht der kommenden Monate sehr wahrscheinlich wieder zunehmen. In Erwartung, dass sich die Zentralbank über kurz oder lang verstärkt dem Thema Inflationsbekämpfung widmen wird, dürfte das kurze Ende der Renditestrukturkurve stärker als das lange Ende ansteigen. Neuemissionsprämien sollten im Zuge dieser Entwicklung zunehmen. Neuengagements in den Anleihemärkten werden in Zukunft also wieder auf einem deutlich attraktiveren Renditeniveau stattfinden können. Doch bis dahin ist es vermutlich noch ein längerer, mitunter steiniger Weg.

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