Unsicherheit am Kryptomarkt
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Am Kryptomarkt regiert im bisherigen Jahresverlauf die Unsicherheit. Die führende Cyberdevise Bitcoin hat zwischen Anfang Januar und Donnerstagabend 21% an Wert eingebüßt – bei der Nummer 2 des Segments, Ether, beläuft sich der Verlust gar auf 29%. Für die digitalen Assets ist dabei nach Ansicht der DZ Bank ausgerechnet eine Entwicklung zur Belastung geworden, die sich überzeugte Krypto-Investoren eigentlich lange herbeigesehnt hatten: ein zunehmendes Engagement etablierter Finanzmarktteilnehmer im Segment.
Dies habe zwar die Nachfrage nach Cyberdevisen angekurbelt, allerdings verhielten sich Akteure aus der Mitte des Marktes auch nach aus anderen Assetklassen bekannten Mustern. Leide die Stimmung am Gesamtmarkt, schlage dies inzwischen deutlich stärker auf die Kurse der Kryptowährungen durch. Bereits während des Corona-Crash im März 2020 hat sich gezeigt, dass Investoren verstärkt Positionen in risikoreichen Kryptowährungen abbauen, um Verluste in anderen Assetklassen ausgleichen und Margin Calls bedienen zu können.
Spekulation als Motiv
„Bitcoin ist kein sicherer Hafen und bisher auch noch kein Absicherungsinstrument“, betont Salah-Eddine Bouhmidi, Head of Markets beim Online-Broker IG. „Institutionelle Anleger sind überwiegend aus Spekulationsgründen oder aufgrund der Kundennachfrage, insbesondere bei Investmentfonds, Family Offices und Hedgefonds, im Kryptomarkt aktiv.“ Seit März 2020 sei der Bitcoin-Anteil in institutionellen Anlageportfolios parallel zu den parabolischen Kurszuwächsen deutlich gestiegen.
Damit hat sich die Abhängigkeit der Cyberdevisen vom sonstigen Finanzmarktgeschehen indes verstärkt. War die Kursentwicklung von Bitcoin in den Vorjahren noch negativ mit der Performance des MSCI World sowie jener der US-Benchmark S&P 500 korreliert, betrug der Koeffizient im vergangenen Jahr jeweils rund 0,3 und stieg im Januar sogar noch auf 0,4 an. Ein Wert von 1 zeigt dabei eine perfekte positive Korrelation an, ein Wert von −1 eine exakte Gegenläufigkeit. Der 40-Tage-Koeffizient gegenüber dem technologielastigen Nasdaq 100 erreichte zeitweise sogar fast 0,66, was den höchsten Wert in der seit 2010 geführten Datenreihe des Informationsdienstleisters Bloomberg bedeutete.
Geldpolitik belastet
Fundamental lässt sich dies laut Bouhmidi dadurch erklären, dass Marktteilnehmer die Effekte einer restriktiveren Geldpolitik verstärkt einpreisen. So will die Federal Reserve der höchsten Inflationsrate seit Beginn der 1980er-Jahre mit kontraktiveren Maßnahmen Herr werden. Laut der DZ Bank dürfte damit das Vertrauen in die Geldwertstabilität des Dollar und damit des traditionellen Finanzsystems insgesamt gestärkt werden. Ein zentrales Argument der Kryptobefürworter, wonach nur die Digitalwährungen einen adäquaten Schutz vor Inflation böten, werde damit zumindest tendenziell entkräftet.
„Institutionelle Anleger befinden sich grundsätzlich in einer Rotation von Technologie hin zu Value und defensiven Werten“, sagt Bouhmidi. Steigende Zinsen könnten dabei nicht nur Gift für Technologieaktien, sondern auch für den Kryptomarkt sein. Schließlich seien die Blockchains, die den Cyberdevisen zugrunde lägen, nichts anderes als Zukunftstechnologien.
„Krypto bleibt allerdings die wesentlich volatilere Assetklasse, in der starke Hebelwirkungen greifen“, kommentiert Florian Ginez, Associate Director im Quantitative Research des ETF-Anbieters Wisdom Tree, die Kursentwicklung im laufenden Jahr. Daher sei es wenig überraschend, dass digitale Assets einen noch stärkeren Abschwung erlebten als die Aktienmärkte. Nach solchen Rücksetzern sinke die Korrelation zwischen dem Kryptomarkt und Dividendentiteln aber üblicherweise schnell wieder.
Nur im Aufschwung geeignet
Auch Berechnungen des Assetmanagers Quant Capital zeigen, dass Cyberdevisen in starken Marktphasen nur schwach oder sogar negativ mit Aktienmarkt korreliert sind. Damit eigneten sich Kryptowährungen während Aufwärtsbewegungen durchaus zur Diversifikation und könnten auch einen nennenswerten Performancebeitrag leisten.
Vorerst stehen laut der DZ Bank aber Faktoren im Fokus, die zu einer weiteren Risikoaversion der Anleger führen und auch bei Digitalwährungen ihre Spuren hinterlassen dürften. Dazu zählten zunehmende geopolitische Spannungen mit Blick auf die Gemengelage zwischen Russland und der Ukraine sowie die mit der Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus absehbar einhergehenden ökonomischen Belastungen. Spezifisch für den Kryptomarkt kommen verstärkte Regulierungsbemühungen in verschiedenen Ländern hinzu. Die russische Zentralbank kündigte im Januar sogar an, den Einsatz und das Mining von Cyberdevisen künftig zu untersagen. Damit folgte sie der chinesischen Notenbank, die bereits im vergangenen Jahr ähnliche Beschlüsse gefasst hatte. Dabei ist Russland eines der weltweit bedeutendsten Länder für das Bitcoin-Mining und war, wie auch die DZ Bank betont, gemeinsam mit China einst großer Hoffnungsträger für den globalen Siegeszug der Kryptowährungen.
Optimistische Marktteilnehmer argumentieren indes, dass durch die Abwanderung der Miner aus Russland und China zumindest die Transparenz in Bezug auf die für das Bitcoin-Netzwerk genutzte Energie steige. Somit ließen sich Nachhaltigkeitsbedenken, die einen bedeutenden Teil der institutionellen Investoren noch immer von einem Einstieg ins Segment abhielten, leichter ausräumen.
„Der Nachhaltigkeitsgedanke wird in Zukunft stärkeren Einzug in Blockchain-Anwendungen erhalten und dem Ziel der Umweltfreundlichkeit immer stärker entsprechen“, sagt IG-Marktchef Bouhmidi. In Bezug auf Bitcoin werde bereits heute an Lösungen für ein nachhaltigeres Mining geforscht und teilweise auch schon in die Tat umgesetzt. Beispielsweise habe Paraguay eine Energieversorgung, die fast nahezu auf Wasserkraft beruhe. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Länder wie Paraguay im globalen Vergleich für einen verschwindend geringen Anteil neu generierter Bitcoin-Einheiten verantwortlich zeichnen.
Hinzu kommt, dass Länder verstärkt daran arbeiten, digitale Assets und verbundene Dienstleistungen in einen einheitlichen Rechtsrahmen einzubetten. Laut Bouhmidi böte dies durchaus Vorteile, da durch umfassende Regulierungen die Volatilität sinke und die Informationseffizienz im Kryptomarkt steige. Die Regulierungen, die vorerst im Fokus stehen, sind allerdings feindlicher Natur und führen dazu, dass Investitionen in Cyberdevisen erschwert werden. Die Unsicherheit am Kryptomarkt dürfte also zumindest kurzfristig hoch bleiben.