Das Korrekturrisiko im Dax steigt
„Es gab schon viel Vorschusslorbeer"
VÖB-Experten halten Dax für korrekturanfällig – Finanzpaket hebt die Stimmung – Erhöhtes Zinsniveau „verkraftbar“
Die Kapitalmarktstrategen der Öffentlichen Banken (VÖB) gehen davon aus, dass das für Deutschland beschlossene Investitionspaket den Aktienmärkten einen wichtigen „Stimmungsimpuls“ gibt, der vor allem aus Sicht der Deka die hohe politische Unsicherheit und Störfeuer in Gestalt von Zöllen überwiegen dürfte. Zugleich weisen die Experten aber auf das gestiegene Korrekturrisiko hin, zumal die Gewinnerwartungen auch im Dax etwas gekappt wurden.
Von Heidi Rohde, Frankfurt
Die Aktienmarktexperten von Deka, Helaba, BayernLB und LBBW erwarten in den kommenden Monaten eine volatile Entwicklung an den Aktienmärkten. Dies gelte besonders für den S&P 500, wo nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump vor allem die wirtschaftspolitische Unsicherheit weltweit durchschlägt. Aber auch für deutsche Aktien ist der Volatilitätsindex zuletzt angestiegen, obwohl besonders der deutsche Markt aus Sicht von Helaba-Director Markus Reinwand „bisher erstaunlich gelassen“ reagiert habe, etwa mit Blick auf das Zollchaos.

Die Marktbeobachter des VÖB taxieren den Dax auf Sicht von zwölf Monaten in einer Spanne von 22.000 bis 24.000 Punkten. Deka-Kapitalmarktchef Joachim Schallmayer ist dabei etwas optimistischer als Reinwand: „Natürlich ist auch mit Rückschlägen zu rechnen, aber wir glauben, dass der Wachstums- und Stimmungsimpuls, den die Politik nun gesetzt hat, die Märkte weiterhin trägt“.
Dax stark gelaufen
Der Helaba-Experte weist unterdessen daraufhin, dass allein die Aussicht auf hohe Staatsausgaben in den Bereichen Verteidigung und Infrastruktur gerade deutsche Aktien seit Jahresbeginn bereits stark angetrieben hätten. „Es gab schon viel Vorschusslorbeer“, unterstreicht Reinwand. Hinzu komme, dass die Gewinnschätzungen auch im Dax zuletzt „etwas zurückgenommen“ worden seien und sowohl deutsche als auch europäische Aktien aufgrund der Rücksetzer beim S&P 500 in der Bewertung deutlich aufgeholt hätten.

Mit Blick auf eine faire Bewertung seien Dax und EuroStoxx 50 in den „teuren Bereich“ vorgestoßen, auch wenn US-Aktien noch immer teurer sind. „Daher ist das Chance-Risiko-Verhältnis derzeit nicht besonders attraktiv“.
Zölle schaden auch US-Aktien
Indes besteht unter den Aktienexperten Einigkeit, dass der Trend, dass europäische Aktien besser laufen als amerikanische, im laufenden Jahr anhalten werde. Dies zumal Trumps Zollpolitik vor allem im eigenen Land Schaden anrichte, wie Wolfgang Donie von der Nord/LB mit Blick auf die stark von der Zulieferung aus Mexiko und Kanada abhängige amerikanische Autoindustrie betont. Die hohe Unsicherheit beeinträchtige zudem die Investitionstätigkeit der Unternehmen und damit das Wachstum. Allerdings taxiert die Nord/LB den S&P 500 binnen zwölf Monaten mit 6.400 Punkten trotzdem höher als etwa Helaba (5.850) und LBBW (5.800), und erwartet den Dax am unteren Ende der VÖB-Prognosespanne bei 22.000.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es im VÖB mit Blick auf die Leitzinsen. Schallmayer geht bisher davon aus, dass die Notenbanken den Aktienmärkten „weiter Unterstützung geben“. Erwartet werden im laufenden Jahr noch zwei Zinsschritte sowohl von der Fed als auch von der EZB. Allerdings räumt er auch ein, dass sich die Notenbanken, vor allem die Fed in einer „zunehmend schwierigen Lage“ befinden. „Wir haben die ungewöhnliche Situation, dass wir die Wachstumsprognosen für Deutschland nach oben angepasst haben und für die USA nach unten. Hinzu kommt, dass die Inflation gerade in den USA hartnäckig ist“. Das ist der Grund, warum Manfred Bucher von der BayernLB glaubt, dass die Notenbank womöglich restriktiver agieren als bisher erwartet. Er rechnet mit einer „längeren Zinspause der Fed bis ins Jahr 2026“ und nur einem weiteren Zinsschritt der EZB.
Dabei geht Bucher allerdings davon aus, dass ein erhöhtes Zinsniveau „für die Aktienmärkte verkraftbar ist", eine Sicht, die Schallmayer teilt, weil er annimmt, dass die Notenbanken ein Stück weit durch eine von Zöllen unmittelbar getriebene Inflation „hindurch sehen“. Zugleich herrscht beim VÖB die Ansicht, dass das beschlossene schuldenfinanzierte staatliche Investitionspaket durch die Streckung der Mittel über eine ganze Dekade den Aufwärtsdruck auf die Anleiherenditen mindern werde. Da die zehnjährige Bundesanleihe unmittelbar mit einem Sprung von 30 Basispunkten an einem Tag auf das Paket reagiert habe, gehe es nun langsamer aufwärts. Mittelfristig rechnet unterdessen Berndt Fernow (LBBW) doch damit, dass die riesigen Ausgabenpakete die Anleiherenditen nach oben treiben und so die Börsen ausbremsen. Die LBBW favorisiert Aktien nicht mehr pauschal.
Einig sind die Strategen in ihrer Einschätzung, dass Anleger die zweite Reihe stärker beachten sollten. Während der MDax seit 2022 praktisch auf der Stelle getreten ist und das Gewinnwachstum der Nebenwerte hinter den Dax-Konzernen seitdem zurück geblieben ist, dürfte das staatliche Investitionspaket das Blatt wenden, so der VÖB.