Aktienmarkt

Vom Zinsumfeld überrascht

Die Schwäche des Aktienmarktes bietet im Prinzip eine Einstiegsgelegenheit. Die Anleger werden aber wahrscheinlich zögern, bis besser abschätzbar wird, wie deutlich die Zinsen steigen werden.

Vom Zinsumfeld überrascht

Auf den ersten Blick entspricht der Fehlstart des Aktienmarktes durchaus dem Drehbuch, das nicht wenige Experten in ihren Ausblicken für 2022 geschrieben haben. Das Jahr werde bei grundsätzlich positiver Tendenz u.a. aufgrund der Wende der Geldpolitik der Industrieländer von stärkeren Kursschwankungen als 2021 geprägt sein und somit auch von Korrekturbewegungen, die für das viele an den Seitenlinien ungeduldig wartende Geld die erhofften günstigeren Einstiegsgelegenheiten bringen. Nun ist mit einem Minus von 6,6% im Dax im Vergleich zum Hoch vom 5. Januar von 16285 Punkten der erste „Dip“ gekommen, doch die Anleger trauen sich noch nicht, auf den niedrigeren Kursniveaus beherzt zuzugreifen.

Grund ist die Beschleunigung der geldpolitischen Wende, die die hartnäckig hohe Inflation nach sich zieht. Die seit Jahresbeginn noch restriktiver gewordene geldpolitische Linie der Fed hat dazu geführt, dass nun bis zu sieben statt wie vor wenigen Wochen drei bis vier US-Leitzinserhöhungen in diesem Jahr erwartet werden. Schon gar nicht auf der Rechnung bzw. im Drehbuch hatte der Markt, dass sich die EZB für eine Leitzinserhöhung bereits im laufenden Jahr öffnen würde. Das galt als völlig ausgeschlossen. Entsprechend eruptiv – auch dies verunsichert den Aktienmarkt – fiel die Reaktion an den europäischen Staatsanleihemärkten aus. In der zurückliegenden Woche ist die zehnjährige Bundrendite um 26 Stellen auf 0,21% gestiegen, um am Montag mit 0,25% auch noch auf den höchsten Stand seit vier Jahren zu klettern. Wie sehr der Markt auf dem falschen Fuß erwischt worden ist, zeigt die Umfrage im Rahmen des IW Financial Expert Survey. Danach gingen die teilnehmenden deutschen Banken Ende 2021 im Mittel noch davon aus, dass die zehnjährige Bundrendite Ende des ersten Quartals und des Jahres bei –0,12% bzw. 0,10% liegen werde.

Die Renditen bewegen sich damit in die Richtung von Regionen, in denen Anleihen wieder eine diskutable Alternative zu Aktien werden. Deren Bewertungsvorteil wird ein Stück weit reduziert, die Finanzierungskosten der Unternehmen erhöhen sich. Weiterhin sprechen das im historischen Vergleich voraussichtlich niedrig bleibende Renditeniveau, vor allem aber die anhaltende Erholung der Wirtschaft und steigende Unternehmensgewinne für Aktien. Die Anleger werden sich jedoch wahrscheinlich mit größeren Engagements zurückhalten, bis besser abschätzbar wird, mit welchem Tempo und in welchen Ausmaß die Zinsen steigen werden.

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