Brent fällt unter 73 Dollar

Warum ist der Ölpreis abgestürzt?

Der Brent-Ölpreis ist am Mittwoch zeitweise unter 73 Dollar je Barrel gefallen. Das erscheint jedoch übertrieben, denn preisstützende Faktoren werden am Markt geflissentlich übersehen.

Warum ist der Ölpreis abgestürzt?

Absturz des Ölpreises ist übertrieben

Brent-Notierung fällt zeitweise unter 73 Dollar – Opec-Verhandlungen über Verschiebung der Angebotsausweitung

Der Brent-Ölpreis ist am Mittwoch zeitweise unter 73 Dollar je Barrel gefallen. Das erscheint jedoch übertrieben, denn preisstützende Faktoren wie die Beratungen des Kartells Opec plus über eine Verschiebung der avisierten Produktionsausweitung werden am Markt geflissentlich übersehen.

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der Brent-Ölpreis hat einen enormen Absturz hinter sich. Mitte August wurde zeitweilig noch ein Niveau von fast 82,50 Dollar je Barrel markiert, am Mittwoch gab die Notierung zeitweilig bis auf unter 73 Dollar nach. Damit hat der Ölpreis binnen einer Woche in der Spitze 11% eingebüßt.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Es hat sich enormer Konjunkturpessimismus breitgemacht. Dieser betrifft die USA, Europa und auch China. In den USA mehren sich die Stimmen, die von einer harten Landung der Konjunktur ausgehen. Diversen Frühindikatoren ist zu entnehmen, dass sich die verarbeitende Industrie bereits in der Rezession befindet. Dieser Teil der US-Volkswirtschaft spielt mit Blick auf den Energieverbrauch für die Akteure am Ölmarkt eine große Rolle. In der Eurozone sieht es nicht besser aus. Für Deutschland hat das Institut für Weltwirtschaft IfW in Kiel aktuell die Prognose für das laufende Jahr gesenkt, sie geht von einer leichten Kontraktion des Bruttoinlandsprodukts um 0,1% aus, verursacht von der für den Ölverbrauch relevanten Schwäche der Industrie. Für 2025 hat das IfW seine Deutschland-Prognose drastisch von +1% auf +0,5% reduziert. Hinsichtlich China sind ebenfalls dunkle Wolken aufgezogen.

Risikoprämie abgebaut

Abgebaut hat sich derweil auch die geopolitische Risikoprämie im Ölpreis. Der Iran hat eindeutig signalisiert, dass es vorerst keinen Angriff auf Israel als Vergeltung für den Mordanschlag auf den politischen Hamas-Chef Haniyeh in Teheran anlässlich der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten geben wird. Damit sieht es zumindest kurzfristig nicht nach dem Ausbruch eines großen regionalen Krieges im Nahen Osten zwischen Israel und dem Iran unter Einbeziehung der USA aus.

Blick auf Libyen

Erwartet wird am Markt eine schwache Nachfrage, die aber nach Ansicht vieler Marktteilnehmer auf ein steigendes Angebot trifft. Kurzfristig sieht es danach aus, dass die Ölexporte Libyens, die aufgrund des Machtkampfes zwischen den beiden Machtzentren im Osten und im Westen weitgehend ausgefallen sind, bald wieder aufgenommen werden. Zuletzt hatte das Land nur noch rund 590.000 Barrel pro Tag (bpd) exportiert, gegenüber 1,28 Mill. bpd im Juli. Vor wenigen Tagen hatte die Nachrichtenagentur Reuters noch gemeldet, es sei zu erwarten, dass das Kartell Opec plus im Oktober wie angekündigt mit der Rücknahme seiner Förderkürzungen beginnt und die Produktion zunächst um 180.000 bpd ausweitet. Dies hätten sechs Quellen aus der Opec mitgeteilt, betonte Reuters. Insgesamt hält die Opec plus derzeit 2,2 Mill. bpd vom Markt fern, die dann stufenweise zurückkommen könnten. Allerdings hatten die Opec und insbesondere der saudi-arabische Energieminister Prinz Abdulaziz bin-Salman stets erklärt, die Umsetzung der Entscheidung, die Produktion auszuweiten, könne jederzeit ausgesetzt werden, wenn sich der Markt als dafür nicht stark genug erweise.

Am Mittwoch meldete Reuters dann unter Berufung auf drei Quellen aus der Organisation, die Opec plus diskutiere gerade die zeitliche Verzögerung der Produktionsausweitung. Ein entsprechender Ausgang der Beratungen sei „sehr wahrscheinlich“, hieß es. Der Ölpreis legte daraufhin am Mittwoch kurzzeitig spürbar bis auf fast 75 Dollar zu, was allerdings nur kurz anhielt. Damit zeigt sich, dass Nachrichten, die für einen wieder höheren Ölpreis sprechen, derzeit am Markt weitgehend ignoriert werden. Derartige Phasen hatte es in der jüngeren Vergangenheit am Ölmarkt öfters gegeben, sie hielten allerdings nie lange an.

Der starke Rückgang des Ölpreises erscheint nicht nur mit Blick auf die Beratungen der Opec plus übertrieben, auch andere Daten sprechen dafür. So ist der Caixin-Einkaufsmanagerindex für die chinesische verarbeitende Industrie für den August jetzt mit 50,4 Punkten hereingekommen, wobei Werte oberhalb von 50 Expansion in den betrachteten Sektoren anzeigen. Zudem ist auch kaum zu erwarten, dass sich der starke Anstieg der amerikanischen Ölproduktion trotz des niedrigen Ölpreises ungebremst fortsetzt, da die Investoren in der Schieferölindustrie inzwischen deutlich höhere Ansprüche an die Renditen der Unternehmen stellen als früher. Letztlich ist aber nicht zu erwarten, dass es insbesondere die Schwergewichte Saudi-Arabien und Russland zulassen werden, dass der Brent-Ölpreis längerfristig unter die Marke von 80 Dollar fällt, weil dies für die Staatshaushalte der beiden Länder Probleme aufwirft.

Ferner sollten die geopolitischen Risiken nicht wie aktuell zu beobachten vollständig ignoriert werden. Offizielle der iranischen Revolutionsgarden haben mehrfach betont, dass die Vergeltung für den israelischen Angriff nur aufgeschoben sei, offenbar bis der Iran mehr russische Waffen- und Abwehrsysteme erhalten hat. An der israelisch-libanesischen Grenze und im Westjordanland gewinnen die Konflikte Israels mit den Palästinensern und der schiitisch-libanesischen Miliz Hisbollah derweil an Intensität.

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