Blumes schwerer Rucksack
Man könne sich das wie beim Wandern vorstellen, verdeutlicht Oliver Blume in der ersten Bilanzpressekonferenz als seit September 2022 amtierender Volkswagen-Chef sein Vorgehen. Er packe sich einen Rucksack, bestimme die Richtung und mache sich mit der Mannschaft auf den Weg. Dass ein Baumstamm im Weg liege und man andere Wege nehmen müsse als geplant, könne immer vorkommen. Wichtig sei die klare Orientierung, wohin die Reise gehen soll.
Mit einem gleich am ersten Tag an der Konzernspitze präsentierten Zehn-Punkte-Plan hat Blume für Orientierung gesorgt. Ein Aufwärmprogramm vor Beginn der Wanderung war nicht nötig. Der vierte VW-Vorstandsvorsitzende in sieben Jahren, der zugleich an der Spitze der gerade erfolgreich an die Börse gekommenen Sportwagentochter Porsche steht, kennt den Konzern aus fast drei Jahrzehnten Tätigkeit. Das verschafft ihm in einem von Machtkämpfen und Streitereien immer wieder gebremsten Mehrmarkenunternehmen Glaubwürdigkeit, wenn er sagt, er kenne die Marken und wisse, wie man eine Marke führt – auch zum Erfolg.
Der Gefahr, wie sein Vorgänger Herbert Diess als Visionär betitelt zu werden, begegnet er aktiv – nicht ungeschickt. Blume sieht sich als operativer Stratege, für den allenfalls Zehnjahreszeiträume greifbar seien. Der enge Bezug zum operativen Geschäft hilft dabei. Sich zudem als Teamplayer darzustellen, für den es vor allem auf Produkte und zufriedene Kunden ankomme, zeugt ebenfalls von Kenntnis der Befindlichkeiten im VW-Komplex. Die Furcht vor neuen Konflikten, die die lange Reise in Richtung E-Mobilität und Digitalisierung noch beschwerlicher werden lassen könnten, schwingt mit.
Erfolg als Konzernchef wird Blume auch nur als Teamplayer haben. Der Rucksack, den er gepackt hat, wiegt schwer. Da ist die Softwaretochter Cariad, die nach Anlaufproblemen und einer Überarbeitung der „Roadmap“ nun liefern und nach verzögerten Marktstarts neuer Elektromodelle 2023 eine Hochleistungssoftware für die Premiummarken vorlegen muss. Da sind die Ambitionen, in der E-Mobilität bis 2025 zu den Weltmarktführern zu gehören. Auch hier müssen die Wolfsburger mehr Tempo machen, gerade in ihrem wichtigsten Markt China. 2022 wurden gut 570000 vollelektrische Fahrzeuge ausgeliefert – bei Tesla waren es mehr als doppelt so viel. Auch um unabhängiger vom China-Geschäft zu werden, muss VW im Elektrozeitalter in Nordamerika endlich aus der Nische kommen. Und nicht zuletzt gilt es, die Verbrenner wettbewerbsfähig zu halten, solange sie am Markt sind, weil sie die Mittel für den Technologieumbruch einspielen sollen.