Thomas Kusterer, EnBW

EnBW attackiert Strompreis­bremse

Eine rückwirkende Anwendung der Strompreisbremse hätte nach Einschätzung von EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer negative Folgen. Es würde die Geschäftsgrundlage bereits getätigter Investitionen und abgeschlossener Verträge ändern und damit das Vertrauen des Kapitalmarkts erschüttern.

EnBW attackiert Strompreis­bremse

cru Frankfurt

Von Christoph Ruhkamp,Frankfurt

Der Energiekonzern EnBW unterstützt grundsätzlich die Bemühungen der Bundesregierung, Strom und Gas für Unternehmen und Verbraucher wieder bezahlbar zu machen. „Im Vordergrund muss dabei die Erhöhung des Angebots stehen“, sagte EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Dies betrifft bei Gas den verstärkten Bezug aus Ländern wie Norwegen, den Niederlanden und Frankreich sowie den schnellen Aufbau einer leistungsfähigen LNG-Infrastruktur, kurzfristig mit schwimmenden und längerfristig auch mit festen LNG-Terminals für die Anlandung von Lieferungen aus unterschiedlichen Ländern.“

Beim Strom gehe es um den verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken sowie den bis April 2023 befristeten Weiterbetrieb der Kernkraftwerke. So lässt EnBW das Atomkraftwerk Neckarwestheim 2 bis April 2023 am Netz. Inzwischen, so Kusterer, liefen zudem alle Kohlekraftwerke nahezu rund um die Uhr. Nicht zuletzt gehe es beim Strom auch um den stark beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Das sei vor langfristig die wichtigste Maßnahme. Die EnBW leistet laut Kusterer bei diesen Themen ihren Beitrag nach Kräften und soweit für das Unternehmen, die Beschäftigten und die An­teilseigner, also das Land und die Landkreise, vertretbar. „Die Bundesregierung hat unter dem Titel Strompreisbremse einen sehr differenzierten Entwurf zur Entlastung der Haushalte und Verbraucher vorgelegt“, sagte Kusterer. „Derzeit laufen intensive Gespräche mit Beteiligten und Betroffenen zur weiteren konkreteren Ausgestaltung und Optimierung im Sinne einer eventuell noch besseren Zielerreichung und der Vermeidung ungewollter und für die Wirtschaft und Gesellschaft bzw. die Energiewende nachteiliger Nebenwirkungen.“

Schwierig zu berechnen

Von den hohen Strompreisen will die Bundesregierung die Verbraucher spätestens im Januar entlasten, von den Gaspreisen wahrscheinlich erst ab März. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte: „Die Entlastung beim Strompreis muss in jedem Fall spätestens im Januar einsetzen. Darauf zielen wir.“

Die EnBW unterstützt laut Kusterer die Bemühungen und beteilige sich „selbstverständlich konstruktiv“ an diesen Gesprächen. Insofern diese Gespräche noch zu keinem Abschluss gekommen seien, lasse sich derzeit auch keine abschließende und detaillierte Bewertung abgeben. Doch sei die Strompreisbremse „zweifellos sinnvoll und notwendig, um die Haushalte und Verbraucher, auch industrielle, zu entlasten“.

Die Entlastung über die Abschöpfung von Gewinnen zu finanzieren, soweit sie sich ausschließlich den derzeit ungewöhnlich hohen Strompreisen verdanken, ist laut Kusterer „nachvollziehbar“. „Die Schwierigkeit ist allerdings, die Höhe des tatsächlichen Übergewinns sachgerecht und gleichzeitig pragmatisch zu berechnen“, gibt Kusterer zu bedenken. „Außerdem sollten dann auch übermäßige Belastungen und Verluste, zum Beispiel in der Gas-Ersatzbeschaffung, in der gleichen Weise behandelt werden.“ Darauf wäre in der weiteren Diskussion und Ausgestaltung der Maßnahmen zu achten.

Eine rückwirkende Anwendung der Strompreisbremse hätte nach Einschätzung Kusterers negative Folgen. Es würde nachträglich die „Geschäftsgrundlage“ bereits getätigter Investitionen und abgeschlossener Verträge ändern und damit das ernsthafte Risiko mit sich bringen, das Vertrauen des Kapitalmarktes und der Investoren in den Standort Deutschland zu erschüttern – soweit bekannt, sei ein derartiger rückwirkender Eingriff in den Markt in Deutschland noch nie vorgenommen worden.

Insbesondere die rückwirkende Abschöpfung der „Übergewinne“ könnte nach Einschätzung Kusterers in der Folge das Kapitalangebot eventuell spürbar einschränken und dringend notwendige Investitionen, zum Beispiel in die Energieversorgung, erschweren oder sogar verhindern – insbesondere dort, wo ausländisches Kapital gebraucht wird. „Das könnte insgesamt negative Folgen für den Standort Deutschland haben“, warnt Kusterer. „Beim Zeitraum und bei der Definition von Gewinnobergrenzen muss deshalb darauf geachtet werden, dass dadurch der Ausbau der erneuerbaren Energien, der ohnehin seit Jahren viel zu langsam läuft, wie nicht zuletzt die jetzige Bundesregierung festgestellt hat, nicht zusätzlich abgebremst wird.“

Bürokratie vermeiden

Sowohl die Anforderungen von Klimaschutz als auch von Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit erforderten im Gegenteil einen vielfach beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren. Dieser beschleunigte Ausbau müsse jetzt beginnen, und die Bundesregierung habe dazu be­reits erste Erleichterungen geschaffen. Jede weitere und zusätzliche Verzögerung sei gerade vor diesem Hintergrund zu vermeiden.

Falls man sich für eine technologie- und anlagenspezifische Gewinnabschöpfung entscheidet, wäre es sinnvoll, darauf zu achten, dass sie auch in der Praxis umsetzbar ist und keinen zu hohen Bürokratieaufwand verursacht. „Eine verbindliche und strikte zeitliche Beschränkung der Maßnahmen für den Zeitraum der zu erwartenden Dauer der derzeitigen Energiekrise sollte gewährleistet sein“, betont Kusterer. „Ansonsten besteht die Gefahr, dass der sehr gut funktionierende Energiemarkt in Deutschland und Europa – die bisherigen Preissignale zeigen ja, dass der Markt das tatsächliche und ein zu erwartendes Missverhältnis von Angebot und Nachfrage anzeigt – sich in einen regulierten Markt verwandelt und sich von den internationalen Märkten abkoppelt.“ Schließlich müsse bei einer weiteren Ausgestaltung der Maßnahmen auf die gesamteuropäische Ebene geachtet werden, sonst käme es auf den europäischen Märkten, die ja zusammenhängen, zu unerwünschten Wechselwirkungen und möglichen Verschiebungen in der Einsatzfolge der Kraftwerke, der sogenannten Merit Order. Das könnte sich dann negativ auf das Strompreisniveau auswirken.

Nicht zuletzt sei die EnBW ein Unternehmen in öffentlicher Hand. Gewinne kämen entweder in Form von Dividenden dem Land Baden-Württemberg und seinen Landkreisen, und damit den Bürgern, zugute oder – in Form von Investitionen in erneuerbare Energien, Elektromobilität, Strom- und Gasnetzen – der Energiewende und damit dem gesamten Standort Deutschland und seinen Bürgern. „Dies sollte bei einer Diskussion über Gewinnabschöpfung nicht außer Acht gelassen werden“, betont Kusterer.

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