Gefahr für Wandel der deutschen Autoindustrie
jh München
Die IKB Deutsche Industriebank befürchtet, die Transformation der Automobilindustrie könnte in Deutschland nicht entscheidend vorankommen. Der Mittelstandsfinanzierer begründet dies in seiner jährlichen Analyse der Zuliefererindustrie damit, dass kleine Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit einbüßten. Deren Profitabilität leide stärker an den gestiegenen Kosten als die der größeren Zulieferer. „Die kleinen Unternehmen haben eine relativ niedrige Investitionsquote“, sagte Klaus Bauknecht, der Chefvolkswirt der IKB, der Börsen-Zeitung. „Diese steigt nicht, weil die Margen unter Druck sind.“
„Was uns vor allem Sorge bereitet, ist, dass sich die Umsatzrendite vor Steuern der kleineren Unternehmen 2021 zwar verbessert hat, aber deutlich unter dem Wert der großen Zulieferer liegt“, fügte er hinzu. „Dieser Trend hat sich in den ersten neun Monaten 2022 fortgesetzt.“ Da sank die Marge vor Steuern der 63 mittelständischen deutschen Autozulieferer, deren Jahresabschlüsse die IKB ausgewertet hat, von 2,7 auf 1,8%. In der Umsatzklasse über 1 Mrd. Euro lag sie bei 3,1 (i.V. 3,7)%, in der Klasse 250 Mill. bis 1 Mrd. Euro nur bei 1,7 (2,2)%.
Um den Standort Deutschland zu stärken, seien investitionsfreundlichere Rahmenbedingungen notwendig, sagt IKB-Volkswirtin Carolin Vogt. In der Analyse heißt es, kleinere Unternehmen hätten hier einen deutlich höheren Wertschöpfungsanteil als die großen mit ausländischen Produktionsstätten. Der Mittelstand prüfe verstärkt Investitionen im Ausland, wie Bauknecht feststellt: „Eine neue Technologie wie die Elektromobilität bedeutet immer auch eine Standortentscheidung.“
Eine Alternative im Ausland kommt nicht nur wegen der höheren Kosten hierzulande in Betracht. „Die deutsche Klimapolitik forciert hohe Abschreibungen auf den Kapitalbestand der Unternehmen“, meint Bauknecht. „Das belastet die Bilanzen zunehmend und damit auch den Standort Deutschland.“ Dies verstärke den Trend einer rückläufigen Wertschöpfung der Autoindustrie im Inland. Die Produktion in Deutschland verringerte sich von 5,7 Millionen Fahrzeugen vor fünf Jahren um rund 2,5 Millionen.
Hohe Wertschöpfung belastet
Die Volkswirte der IKB rechnen damit, dass der Ertragsdruck auf die Zulieferer in diesem Jahr hoch bleibt: zum einen, weil sich die Nachfrage abschwäche, zum anderen weil die Belastung aufgrund steigender Personal- und hoher Energiekosten besonders am Standort Deutschland erheblich sei. Im vergangenen Jahr sei die Rohertragsmarge unter Druck gekommen, weil die höheren Kosten für Material, Energie und Logistik oft nicht vollständig oder nur mit erheblichem Zeitverzug an die Kunden hätten weitergegeben werden können. Bauknecht weist darauf hin, dass große Firmen mehr Preismacht hätten.
„Kleinere Unternehmen haben eine relativ hohe Wertschöpfung und damit eine höhere Personalaufwandsquote“, ergänzt seine Kollegin Vogt. „Daran können sie wegen des Fachkräftemangels und der hohen Lohnkosten in Deutschland wenig drehen.“
In diesem Jahr sollte nach Meinung der Studienautoren die Entspannung in den Lieferketten die Margen verbessern. Gegenläufig wirke jedoch die gedämpfte Nachfrage. Die IKB bezweifelt deshalb, dass gesunkene Rohstoffpreise, etwa für Metall, eine Erholung bewirken.
Bauknecht beobachtet, dass sich die Kunden der IKB nicht nur in der Autobranche mit der Nachfrage nach Krediten zurückhalten: „Das liegt aber nicht in erster Linie an den gestiegenen Zinsen, sondern vor allem an der Konjunkturabschwächung und dem trüben Ausblick.“