Weltkonjunktur

Inflations­bekämpfung hat Vorrang

Die Folgen des Ukraine-Krieges werden die globale Wirtschaft auch 2024 belasten, erwartet die OECD. Gas-Engpässe könnten das Wachstum vor allem in Europa weiter anhaltend dämpfen, die Inflation hochschießen lassen und viele Länder in die Rezession treiben, warnt sie.

Inflations­bekämpfung hat Vorrang

wü Paris

Die weltweite Wirtschaft muss wegen des Ukraine-Krieges mit anhaltendem Gegenwind rechnen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht deshalb in ihrem jüngsten Wirtschaftsausblick davon aus, dass sie 2024 gerade mal 2,7% zulegen wird, nachdem sich das Wachstum 2023 auf 2,2% abkühlen dürfte. Dabei werde Asien der wichtigste Wachstumsmotor sein, während sich Europa, Nord- und Südamerika mit einem sehr niedrigen Wachstum begnügen werden müssten, heißt es.

Vor allem Europa zahlt wirtschaftlich einen hohen Preis für die durch Russlands Krieg gegen die Ukraine zusätzlich angeheizte Inflation. Deren Auswirkungen bekommen jedoch auch Arbeitnehmer in vielen anderen Ländern rund um den Globus zu spüren, da ihre Realeinkommen sinken. Die beste Lösung, um die weltweiten Wirtschaftsaussichten zu verbessern, sei das Ende des Krieges in der Ukraine und ein gerechter Frieden für die Ukraine, sagte OECD-Chef Mathias Cormann. Bis es so weit sei, müssten Regierungen kurz- und mittelfristige Maßnahmen ergreifen, um die Folgen zu dämpfen.

Dabei geht es vor allem darum, die Inflation in den Griff zu bekommen. „Wenn die Inflation nicht eingedämmt wird, werden sich die Probleme weiter verstärken“, warnt Interims-Chefökonom Álvaro Santos Pereira. „Deshalb muss die Bekämpfung der Inflation jetzt unsere wichtigste politische Priorität sein.“ Auch wenn die Zinserhöhungen etwa in den USA und Brasilien bereits Erfolge bei der Bekämpfung der Inflation zu zeigen scheinen, sollten Länder mit einer hohen Inflation damit fortfahren, ihre Geldpolitik zu straffen.

Dabei sei es unerlässlich, dass Geld- und Fiskalpolitik Hand in Hand gingen, da fiskalpolitische Entscheidungen, die den Inflationsdruck verstärkten, nur zu noch höheren Leitzinsen führen würden, betont Pereira. Deshalb plädiert er dafür, dass politische Hilfen, mit denen Regierungen Haushalte und Unternehmen vor den Folgen der hohen Energiepreise schützen wollen, gezielt und zeitlich begrenzt erfolgen sollten. Die Maßnahmen müssten gezielter eingesetzt werden, fordert OECD-Chef Cormann. Da die Energiepreise noch für einige Zeit hoch bleiben dürften, würden Maßnahmen andernfalls im­mer un­erschwinglicher, mahnen seine Ex­perten. Vor allem aber könnte dies den unerwünschten Effekt ha­ben, dass dadurch die Anreize ge­mindert werden, Energie einzusparen.

Die hohen Energiepreise gehören für OECD-Ökonom Pereira zu den größten Risiken, die die globale Wirtschaft weiter bremsen könnten. Dieser Winter stelle bereits eine Herausforderung für die nördliche Halbkugel dar, doch der Winter 2023/24 könnte noch komplizierter werden, meint er. Europa könnte größere Schwierigkeiten haben als jetzt, seine Gasreserven zu füllen. Die Konsequenzen wären weltweit zu spüren. Denn höhere Gaspreise und anhaltender Gasmangel würden nicht nur in Europa die Inflation weiter treiben und das Wachstum erheblich dämpfen, sondern auch die globale Wirtschaft belasten.

Alles in allem könnten diese Schocks das Wachstum europäischer Volkswirtschaften um fast 1,5 Prozentpunkte reduzieren und die Inflation um mehr als 1,25 Prozentpunkte erhöhen, heißt es im OECD-Wirtschaftsausblick. Viele Länder dürften dann 2023 in eine ganzjährige Rezession fallen. Die Auswirkungen auf Wachstum und Inflation dürften auch 2024 zu spüren sein. Dabei würden die ost- und mitteleuropäischen Länder stärker getroffen.

Derzeit erwarten die OECD-Experten, dass das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone nächstes Jahr 0,5% zulegen wird, 2024 dann 1%. Für Deutschland haben sie ihre Prognosen für 2023 von zuletzt −0,7% auf +0,3% angehoben. 2024 dürfte die deutsche Wirtschaft 1,5% zulegen, vorausgesetzt, die Energiesituation verschlechtert sich nicht weiter.

Die französische Wirtschaft dürfte nächstes Jahr um 0,6% wachsen und 2024 um 1,2%, die italienische 2023 um 0,2% und 2024 um 1%. Für Großbritannien hat die OECD ihre Wachstumsprognose für 2023 von 0% auf +0,4% angehoben. 2024 dürfte sich das britische Wachstum auf 0,2% abschwächen.

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