Karlsruhe lässt Ampel-Kredite vorerst weiterlaufen
wf Berlin
Die Unionsfraktion sieht trotz des abgelehnten Eilantrags in ihrem Vorstoß in Karlsruhe gegen den Haushalt 2021 einen Teilerfolg. Das Gericht habe „sehr kritische Fragen zur Verfassungsmäßigkeit“ des zweiten Nachtragshaushalts aufgeworfen, erklärte Mathias Middelberg, Vizevorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit Blick auf das ausstehende Hauptsacheverfahren. Die „pauschale und vom Jahresbezug mittlerweile völlig abgekoppelte Schuldenvorratswirtschaft“ des Bundesfinanzministers stehe damit weiter in Frage.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bezeichnete die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als „gute Nachricht“ für Menschen, die aus dem Klima- und Transformationsfonds Fördermittel erhalten. Viele Programme wären sonst unterbrochen worden, sagte Lindner – etwa bei der Häusersanierung oder in der Wasserstoffwirtschaft. Die Union klage nicht gegen Ausgaben für Klimaschutz, machte Middelberg deutlich, sondern für eine „verfassungs- und haushaltsrechtlich saubere Finanzierung“ der notwendigen Maßnahmen.
Die Normenkontrollklage von 197 Abgeordneten der Unionsfraktion im Bundestag vor dem Bundesverfassungsgericht richtet sich gegen Kreditermächtigungen von 60 Mrd. Euro für den Klima- und Transformationsfonds. Dieses Sondervermögen des Bundes hieß ursprünglich Energie- und Klimafonds. Die neue Ampel-Regierung hatte als eine ihrer ersten Amtshandlungen diese Mittel in einem zweiten Nachtragshaushalt kurz vor dem Jahresende 2021 noch vom Bundestag aus dem regulären Etat auf das Sondervermögen übertragen lassen. Damit kann sie die Gelder in späteren Jahren ausgeben.
Grundgesetz im Fokus
Zuvor war der Bundesetat durch einen ersten Nachtragshaushalt von 180 Mrd. Euro auf 240 Mrd. Euro aufgestockt worden. Dafür stellte der Bundestag eine außergewöhnliche Notsituation fest, um die Kreditermächtigungen über die Schuldenbremse hinaus zu ermöglichen. Im Verlauf des Jahres zeigte sich aber, dass die Mittel 2021 nicht mehr benötigt werden würden.
Verkündet und damit wirksam wurde die Übertragung der 60 Mrd. Euro erst im Februar 2022 – also rückwirkend für ein bereits abgelaufenes Haushaltsjahr. Die Union moniert unter anderem, die Übertragung der Mittel verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Ausgestaltung und Einsatz von Sondervermögen.
Das Gericht wirft aber in seiner Entscheidung zum Eilverfahren bereits eine Reihe von Fragen auf, die es im Hauptsacheverfahren klären will. Dabei geht es um den sogenannten „sachlichen Veranlassungszusammenhang“ zwischen Notsituation und notlagenbedingter Kreditaufnahme, also um die Frage, ob die aus Kredit finanzierten Mittel aus dem Klimafonds mit der Coronakrise in Zusammenhang stehen. Als weiteren Punkt will das Gericht prüfen, ob die notlagenbedingte Kreditaufnahme erforderlich und angemessen war. Überprüft wird auch, ob durch die neue Buchungssystematik für Sondervermögen möglicherweise gegen das Jährlichkeitsprinzip verstoßen wird. Die Kredite wurden bislang dem Jahr zugerechnet, in dem sie aufgenommen wurden. Die Ampel änderte die Systematik und rechnet sie dem Jahr zu, in dem der Bundestag sie beschlossen hat. 2021 war die Schuldenbremse wegen der Corona-Pandemie noch ausgesetzt.
Überdies wollen die Richter klären, ob die Verabschiedung des Nachtragsetats erst im Jahr 2022 gegen das Vorherigkeitsprinzip verstößt. Schließlich geht es den Richtern um die generelle Frage, wie sich die Schuldenbremse zu Sondervermögen und Nebenhaushalten verhält. Lindner sieht Bedarf, die Schuldenbremse höchstrichterlich zu konkretisieren. „Das ist entscheidend und wichtig für die weitere Anwendung der Schuldenbremse sowohl im Bund als auch in den Ländern.“