Energiekrise

Stromkonzern-Übergewinne werden abkassiert

Die Zufallsgewinne, die Stromkonzerne durch den enormen Gaspreisanstieg machen, sollen zu 90 % abgeschöpft werden. Die Bundesregierung präzisiert nun ihre Pläne. Die Branche ist entsetzt und läuft Sturm dagegen.

Stromkonzern-Übergewinne werden abkassiert

cru Frankfurt

Stromkonzerne wie EnBW, RWE oder Steag müssen sich darauf einstellen, dass die Bundesregierung ihre sogenannten Zufallsgewinne rückwirkend ab November abschöpft. Das geht aus einem Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, das der Börsen-Zeitung vorliegt. In dem Entwurf für das komplexe Regelwerk, mit dem jährlich rund 30 Mrd. Euro abgeschöpft und das am 18. November im Kabinett beschlossen werden soll, heißt es: „Alle Anlagen mit Technologien, die abgeschöpft werden, unterliegen dem gleichen System und haben dieselben Wahlmöglichkeiten.“ „Abgeschöpft werden nur Anlagen ab einer Anlagengröße von 1 Megawatt“, so dass private Solardach-Anlagen verschont bleiben.

Weniger stark abkassiert werden dem Papier zufolge die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien. Als Erlösobergrenze wird bei ihnen die garantierte Abnahmevergütung der Anlage zugrunde gelegt. Gibt es keine, weil etwa der Strom selbst direkt vermarktet wird, gelten 10 Cent pro Kilowattstunde – und damit deutlich mehr als bei Atomkraft (4 Cent) oder Braunkohle (3 Cent). Neben diesen Basiswerten wird zusätzlich ein sogenannter Sicherungszuschlag von 3 Cent angerechnet. Damit wären dies bei Offshore-Wind beispielsweise 13 Cent.

Betroffen sind alle Anlagen mit einer Kapazität von mehr als 1 Megawatt – außer Steinkohle, Erdgas und etliche Sondergase wie Biomethan. Bei der Frage, wie viel abgeschöpft wird, orientiert sich die Bundesregierung an EU-Vorgaben. Bis Frühling 2024 sollen zur Finanzierung der Strompreisbremse 90 % der Erlöse oberhalb bestimmter Grenzen, die sich an den Referenzkosten der Erzeugungstechnologien orientieren, an den Staat fließen.

Prohibitiv hohe Abschöpfung

Die Energiebranche ist entsetzt über die Pläne. Bei einem Steinkohleverstromer aus dem Ruhrgebiet heißt es dazu intern: „Der wesentliche Punkt ist die prohibitiv hohe Abschöpfungsquote von 90 %, die alle Anlagen trifft. Auf Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen ist das überhaupt nicht ausgerichtet. Hier kann das zu negativen Ergebnissen führen, wenn sie betroffen sind. Das ist ein weiterer Angriff auf die KWK!“

Die neuen Pläne greifen die Kritik der Branche an der zunächst vorgeschlagenen weitreichenden Rückwirkung bis ins Frühjahr 2022 auf, die juristisch angezweifelt wurde. „Das ist sicherlich positiv“, sagt Jana Michaelis, Anwältin der auf Energierecht spezialisierten Kanzlei Rosin Büdenbender. „Dennoch ist der vorgeschlagene Weg zur Abschöpfung von Gewinnen in der Stromerzeugung überaus komplex.“ Er erscheine kaum umsetzbar.

So wird der 90 %-Satz angewendet auf eingespeiste Strommengen, die auf Basis des kurzfristigen Spotmarkts (Day-ahead-Preis) abgerechnet werden. Möglich ist für Betreiber auch, die tatsächlichen Erlöse im Nachhinein anzugeben. Dann wird der Sicherheitszuschlag auf die Erlösobergrenze aber auf maximal 1 Cent statt 3 Cent begrenzt. Dies gilt auch für Betreiber, die ihren Strom mit gesondertem Vertrag direkt an einen Abnehmer verkaufen (Power-Purchase-Agreements − PPA).

Nach Einschätzung der Kritiker wird nicht nur in einer willkürlich anmutenden Weise Erlös aus dem Markt abgeschöpft, sondern vor allem das Vertrauen der Anlagenbetreiber in funktionierende Marktabläufe beschädigt. „Dies wird den gewünschten und notwendigen Investitionen in die Energiewende schaden“, warnt Anwältin Michaelis.

Auch für Terminmarkt

Auch für den Terminmarkt, wo Strom zur Lieferung in Monaten oder Jahren im Voraus gehandelt wird, sollen die Abschöpfungsregeln gelten. Es wird hier allerdings noch eine Sicherheitsmarge von 10 % dazu gewährt. Zudem können die Kosten für ein Hedging bei künftigen Geschäften angerechnet werden.

Mit den Plänen des Bundes werden nach wie vor nur Kraftwerke adressiert. „Den Realitäten auf dem Markt wird damit nicht Rechnung getragen“, kritisiert Anwältin Michaelis. „Stromhändler sind bei der Gewinnabschöpfung weiter außen vor.“

Mit dem Mechanismus würden Unternehmen vor erhebliche operative Abwicklungsprobleme gestellt. Die Erlösabschöpfung sei bekanntlich nicht das einzige Thema, das die Unternehmen aktuell auch in personeller Hinsicht bewältigen müssen. Das werde nicht nur, aber sicher in erster Linie kleinere Unternehmen treffen, die nicht über die finanziellen Mittel verfügten, um sich externer Ressourcen zu bedienen.

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