Volatilität und Zinsanstieg bringen mehr Gewinn
Die britischen Großbanken haben im abgelaufenen Quartal von der erhöhten Volatilität an den Finanzmärkten profitiert. Nach HSBC legten nun auch Barclays und Standard Chartered Quartalszahlen vor. Alle drei konnten im Kapitalmarktgeschäft punkten. Zudem wirkten sich die weltweit steigenden Zinsen bei allen positiv auf das Zinsergebnis aus. Alle drei übertrafen mit ihrem bereinigten Vorsteuerergebnis die Markterwartungen.
Zugleich nahmen sie jedoch höhere Rückstellungen für mögliche Kreditausfälle vor. Denn eine restriktivere Geldpolitik wirkt in der Regel dämpfend auf das Wirtschaftswachstum und damit auf die Fähigkeit von Schuldnern, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. Am Donnerstag folgen die Zahlen der Lloyds Banking Group und am Freitag die Geschäftsergebnisse von Natwest (zuvor: Royal Bank of Scotland). Beide fokussieren sich auf den britischen Heimatmarkt und sind dort stark im Hypothekengeschäft.
Die jüngsten Turbulenzen am Markt für langlaufende britische Staatsanleihen (Gilts) haben die Renditen in die Höhe getrieben. Hypothekenanbieter reagierten mit deutlich höheren Zinsen. Zudem drohen Steuererhöhungen und weiter steigende Lebenshaltungskosten. Das weckte Ängste, viele Eigenheimbesitzer könnten bald nicht mehr in der Lage sein, die Monatsraten für ihre Hypotheken zu bedienen.
Doch alle Institute verfügen über weitaus solidere Bilanzen als vor der Finanzkrise. Bereits seit dem britischen EU-Referendum habe man große Vorsicht walten lassen, sagte Barclays-Chef C. S. Venkatakrishnan. Die Bank verfügt durch ihre Kreditkartensparte Barclaycard über einen Seismographen für das britische Konsumentenverhalten. „Bislang haben wir keine Anzeichen von entstehendem Stress beobachtet, obwohl unsere Daten für September einen leichten Rückgang des Verbrauchervertrauens zeigen“, sagte Venkatakrishnan in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Rationale Kunden
Die Kunden verhielten sich defensiv und zahlten Schulden zurück, sagte Finanzchefin Anna Cross. Das sei im aktuellen Marktumfeld nur rational. Kunden mit auslaufenden Hypotheken seien bemüht, früh umzuschulden. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern sei nach wie vor sehr intensiv. „Die meisten derjenigen, die refinanzieren müssen, werden feststellen, dass der Wert ihres Hauses seit dem letzten Mal wesentlich gestiegen ist“, sagte Cross. Das sei zumindest ein gewisser Vorteil für die Kunden. Allerdings geht das Institut davon aus, dass die Risikovorsorge in den kommenden Monaten steigen wird. Die Zeiten, in denen große britische Banken ihre Ergebnisse durch die Auflösung von während der Pandemie angelegten Rückstellungen aufpolstern konnten, sind vorbei.
Barclays übertraf mit ihrem Vorsteuerergebnis von 1,97 (i. V. 1,86) Mrd. Pfund die Markterwartungen um 9 %. Standard Chartered lag mit ihrem Vorsteuerergebnis von 1,39 (0,99) Mrd. Dollar um fast ein Drittel darüber. HSBC lieferte mit 3,15 (2,66) Mrd. Dollar mehr als ein Viertel mehr als von Analysten vorab geschätzt. Während Barclays und Standard Chartered auch unter dem Strich ein ordentliches Gewinnwachstum zeigten, machten sich bei HSBC Wertberichtigungen auf das vor dem Verkauf stehende französische Retailgeschäft und eine erhöhte Risikovorsorge in Form eines Gewinnrückgangs bemerkbar.
Barclays legte im vergangenen Quartal 381 (120) Mill. Pfund für mögliche Kreditausfälle zur Seite. Analysten hatten im Schnitt 15 % weniger auf der Rechnung. „Die geringere Abhängigkeit vom traditionellen Bankgeschäft sowie das im Vergleich zu anderen niedrigere Exposure zu Asien sind die Gründe dafür, dass Barclays’ Rückstellungen wesentlich niedriger sind als die einiger Wettbewerber, obwohl sie deutlich gestiegen sind“, schrieb die Analystin Sophie Lund-Yates von Hargreaves Lansdown. „Das ist ein Trend, der sich vermutlich fortsetzen wird und als echte Stärke betrachtet werden sollte.“
Bei Standard Chartered belief sich die Risikovorsorge auf 227 (108) Mill. Dollar und war damit um 11 % höher als von Branchenexperten angesetzt. Weil die Bank den Großteil des Geschäfts in Schwellenländern macht, standen dabei nicht mögliche Probleme in Großbritannien im Vordergrund, sondern der kriselnde chinesische Gewerbeimmobilienmarkt und die Herabstufung der Länderratings für Pakistan und Ghana. HSBC verwandte 1,1 Mrd. Dollar auf die Risikovorsorge – mehr als ein Viertel mehr, als am Markt erwartet worden war. Davon bezogen sich 0,4 Mrd. auf das chinesische Gewerbeimmobilienportfolio und 0,2 Mrd. auf die wirtschaftliche Ungewissheit auf dem Heimatmarkt. Ein Jahr zuvor hatte noch die Auflösung von Rückstellungen im Volumen von 561 Mill. Dollar das Quartalsergebnis versüßt.
Barclays’ hauseigene Investmentbank CIB (Corporate & Investment Bank) konnte ihre Einnahmen aus dem kapitalintensiven FICC-Geschäft, also dem Handel mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen, nahezu verdoppeln. Wegen des einbrechenden Aktiengeschäfts blieb in der Sparte Global Markets allerdings am Ende nur ein Wachstum von 15 %. Das nervöse Marktumfeld war weder Neuemissionen dienlich, noch regte es zu Übernahmen und Fusionen an. Nachdem sich die Gebühreneinnahmen im Investment Banking nahezu halbierten, gingen die Erträge von CIB insgesamt um ein Zehntel zurück. Der Beitrag der Sparte zum Vorsteuerergebnis schrumpfte um 13 %. Die HSBC-Investment-Banking-Sparte GBM (Global Banking & Markets) zeigte dagegen ein Wachstum von 16 %. Besonders gut schlug sich der Devisenhandel (Global FX), dessen Einnahmen um knapp die Hälfte stiegen. Das Vorsteuerergebnis der Sparte stieg um 15 %. Bei Standard Chartered wuchs das Geschäft der Finanzmarktsparte um 17 %. Im „Macro Trading“ stiegen die Erträge um mehr als ein Drittel.
Anleger, die auf steigende Dividenden und weitere Aktienrückkäufe gesetzt hatten, werden sich gedulden müssen. Standard Chartered stellt für die kommenden Jahre höhere Ausschüttungen in Aussicht. Barclays hat gerade ein 1,5 Mrd. Pfund schweres Aktienrückkaufprogramm abgeschlossen. „Wir hätten es gerne gesehen, wenn nachgelegt worden wäre“, schrieb der Jefferies-Bankenexperte Joseph Dickerson. Doch dazu kam es nicht. Mittlerweile ist klar, was eine Schlamperei im US-Geschäft gekostet hat. Für den Verkauf von weit mehr strukturierten Produkten als durch eine Rahmenregistrierung zugelassen summierten sich die Kosten per Ende September auf 722 Mill. Dollar. „Dieses Problem war komplett vermeidbar“, sagte Vankatakrishnan. Trotzdem kam es dazu – eine Erinnerung an das regulatorische Risiko im Bankgeschäft.
Von Andreas Hippin, London
Britische Banken im Vergleich | ||||
Konzernzahlen nach IFRS | ||||
9 Monate | Standard Chartered | Barclays | ||
in Mill. Dollar | 2022 | 2021 | 2022 | 2021 |
Erträge gesamt | 12 554 | 11 392 | 19 155 | 16 780 |
Wertberichtigungen | – 490 | – 57 | – 722 | + 622 |
Operative Kosten | 8 024 | 7 868 | 12 727 | 10 883 |
Vorsteuerergebnis | 4 163 | 3 555 | 5 702 | 6 766 |
Nettoergebnis | 3 166 | 2 695 | 3 987 | 5 126 |
Nettozinsmarge (%) | 1,36 | 1,23 | 2,78 * | 2,53 * |
Kernkapitalquote (%) | 13,7 | 14,6 | 13,8 | 15,3 |
Leverage Ratio (%) | 4,8 | 5,1 | 5,0 | 5,1 |
Bilanzsumme (Mrd.) | 864 | 817 | 1 727 | 1 407 |
*) Barclays UKBörsen-Zeitung |