Weihnachtsgeschäft als Black Box
Von Martin Dunzendorfer,
Frankfurt
Logistikkonzerne hatten es schon mal leichter. Die Kosten für Strom, Gas und Kraftstoffe – und künftig auch für Personal – schießen in die Höhe. Mit viel Bohei gestartete Projekte werden wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Und der Boom an Online-Bestellungen – forciert durch die Corona-Pandemie –, der den Paketdiensten (siehe Kasten) enorme Erlöszuwächse bescherte, flacht ab.
Hinzu kommt die Sorge, dass für das Jahresendgeschäft nicht genügend Aushilfskräfte gefunden werden, um eine schnelle bzw. rechtzeitige Lieferung zu gewährleisten. Dies gilt freilich nur für den Fall, dass die Paketmengen tatsächlich so groß werden wie prognostiziert. Dass viele Bürger aber aus Sorge vor den Folgen der angekündigten Rezession und angesichts zu erwartender steigender Arbeitslosenzahlen ihr Geld nicht mehr so generös ausgeben wie in den vergangenen Jahren, in denen das Coronavirus zwar das Beisammensein in der Weihnachtszeit erschwerte, der guten Kauflaune aber keinen Abbruch tat, könnte den Kalkulatoren einen Strich durch die Rechnung machen.
Freilich wäre es Managementversagen, würden die Unternehmen nicht die notwendigen Vorkehrungen treffen, um der vermuteten Paketflut im Weihnachtsgeschäft Herr zu werden. So rüstet sich der Bereich Post & Paket Deutschland der Gruppe Deutsche Post DHL für die volumenstärkste Jahreszeit: das Weihnachtsgeschäft, das nach Abgrenzung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) alle Umsätze im Einzelhandel zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember umfasst, unabhängig davon, ob die Erlöse im Zusammenhang mit den Feiertagen stehen oder nicht.
Spätestens ab Mitte November rechnet Deutsche Post DHL mit einem signifikanten Anstieg der Paket- und warentragenden Briefsendungen, „denn Black Friday, Cyber Monday und natürlich Weihnachten lassen die Warenbestellungen der Kunden wie jedes Jahr sprunghaft in die Höhe schnellen“, wie es in einer Mitteilung heißt.
Die Post kalkuliert in den letzten beiden Monaten mit einem Anstieg der Paketmengen um jeweils 70% im Vergleich zum September; „an einzelnen Spitzentagen vor Heiligabend werden es bis zu elf Millionen Pakete sein“, so die Prognose. Um diese Mengen bewältigen zu können, will das Unternehmen mehr als 10000 Aushilfskräfte insbesondere für die Zustellung, Sortierung und Verladung einstellen. Hinzu kommen rund 4000 Zustellfahrzeuge – „die meisten davon mit Elektroantrieb“ –, die von der Post zusätzlich zur Bestandsflotte angemietet werden.
Selten standen hinter dem Paketaufkommen und dessen Bewältigung so viele Fragezeichen. Denn es ist nicht nur fraglich, ob die Volumina wegen der verbreiteten Zukunftsängste in der erwarteten Höhe eintreffen. Auch die befristete Anstellung von Aushilfskräften könnte zum Problem werden, da der angespannte Arbeitsmarkt selbst für geringer qualifizierte Personen viele Möglichkeiten bietet. Und jeder weiß, wie stressig und relativ schlecht bezahlt z. B. die Arbeit als Paketzusteller ist. Andererseits wäre es unverantwortlich, auf geringere Paketzahlen zu spekulieren und deshalb weniger Aushilfskräfte anzustellen.
Auch eine spürbar bessere Besoldung der Zusteller verbietet sich im Grunde angesichts des starken Kostendrucks auf die Unternehmen. Wegen der hohen Inflation muss ohnehin davon ausgegangen werden, dass im nächsten Jahr die Gewerkschaften für die Stammkräfte bei der Post und anderen Logistikern deutliche Lohnzuwächse fordern werden. Viel Spielraum für pekuniäre Zugeständnisse besteht da nicht.
Projekt-Fehlschläge
Als wäre das noch nicht genug, gab es im operativen Geschäft der Logistikkonzerne seit 2021 einige Fehlschläge. So zog Hermes im März vorigen Jahres bei Paketfuxx den Stecker. Das Projekt sah vor, Menschen ein Entgelt dafür zu zahlen, wenn sie Pakete für ihre Nachbarn annahmen. Der Dienst setzte sich am Markt aber nicht durch. DHL ließ im August 2021 wissen, dass man den innovativen Lieferdienst Paketkopter einstellt. Der Traum von der Paketzustellung per Drohne war damit vorerst geplatzt. Im Februar dieses Jahres gaben Hermes und DPD bekannt, dass sie das 2016 gemeinsam gestartete Konkurrenzprodukt zur Paketstation von DHL, Parcellock, einstellen. „Die Nutzerzahlen (. . .) blieben insgesamt hinter den Erwartungen zurück“, teilte Hermes damals mit. Kernproblem war die geringe Zahl an Paketstationen; lediglich in Hamburg gab es eine Handvoll. Und vor zwei Monaten kündigte die Deutsche Post das Aus für den E-Postbrief an. Der 2010 eingeführte Dienst sah vor, eine Mail als Brief zu versenden; ihm war aber nie Erfolg beschieden.