Institute senken Prognosen

Erst 2026 gibt es wieder spürbares Wachstum

Die politischen Unsicherheiten lasten weiter auf der deutschen Wirtschaft. Im kommenden Jahr dürfte es langsam aufwärtsgehen, ein nennenswertes Wachstum erwarten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erst für 2026.

Erst 2026 gibt es wieder spürbares Wachstum

ba Frankfurt

Die Erholung der deutschen Wirtschaft wird sich auch wegen der Unsicherheit über die künftige Bundesregierung und deren wirtschaftspolitischem Kurs noch weiter verzögern. Erst für 2026 erwarten die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute wieder ein nennenswertes Wachstum. In ihren Winterprognosen haben sie vor allem wegen der anhaltenden Krise in der Industrie und den drohenden US-Zöllen die Voraussagen reduziert. Als Wachstumsstütze gilt der Konsum, auch wenn die Jobsorgen angesichts der im großen Stil angekündigten Stellenstreichungen zunehmen und die Verbraucherlaune entsprechend schlecht ist.

Bundesregierung könnte den Unterschied machen

Die Prognosen für das kommende Jahr liegen in der Bandbreite zwischen einer Stagnation, die das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) eingestellt hat, sowie einem Plus von 0,6%, das das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erwartet. Sollte allerdings die neue Bundesregierung, die im kommenden Februar gewählt wird, die „richtigen wirtschaftspolitischen Weichen“ stellen, könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,1% zulegen − andernfalls allerdings nur um 0,4%, heißt es beim Ifo Institut. „Im Moment ist noch nicht klar, ob es sich bei der derzeitigen Stagnationsphase um eine vorübergehende Schwäche oder um eine dauerhafte und damit schmerzhafte Veränderung der Wirtschaft handelt“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Deutschlands Wachstumsschwäche tritt offen zutage und jeder unvorhergesehene Störfaktor von außen kann den Unterschied zwischen einem Plus oder einem Minus bei der Wirtschaftsleistung bedeuten“, meinte Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel.

Nachdem das BIP 2023 bereits um 0,3% geschrumpft ist, bleibt die Wirtschaft im zu Ende gehenden Jahr im Rückwärtsgang: Mit Ausnahme des Ifo, das −0,1% erwartet, rechnen die Wirtschaftsforscher mit einem Minus von 0,2%. „Die deutsche Wirtschaft kann sich nicht aus der Stagnation lösen, Signale für eine spürbare wirtschaftliche Belebung sind derzeit nicht auszumachen“, lautet das Urteil der Kieler Ökonomen. „Wir sehen einen kritischen Mix aus konjunktureller Flaute und strukturellen Problemen“, erklärte DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik. „Das macht vor allem dem sonst so exportstarken verarbeitenden Gewerbe zu schaffen, das als Rückgrat der deutschen Wirtschaft gilt."

In Trippelschritten bergauf

Erst zur Jahresmitte 2025 dürfte es „in Trippelschritten“ wieder bergauf gehen. Für das kommende Jahr erwartet das DIW mit 1,2% ein nur unwesentlich schwächeres Wachstum als das RWI und das IWH mit 1,3%. Am optimistischsten zeigt sich das Ifo mit 1,6%, sofern die Politik mitspielt. Im Basisszenario haben die Münchener Ökonomen ein Plus von 0,8% eingebucht. Das IfW erwartet für 2026 eine moderate Aufwärtsentwicklung, so dass das BIP um 0,9% zulegt. „Ein Drittel davon ist aber der hohen Zahl an Werktagen zu verdanken“, mahnen die Kieler zugleich.

Anschluss verloren

„Entscheidend wird sein, ob die exportorientierte deutsche Wirtschaft wieder vom Wachstum in anderen Ländern profitieren kann“, betont Ifo-Experte Wollmershäuser. Das Ifo Institut prognostiziert für die kommenden beiden Jahre ein Wachstum von jeweils 1,2% im Euroraum, gut 4% in China und etwa 2,5% in den USA. Bis zuletzt habe sich der deutsche Warenexport allerdings immer mehr von der weltwirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt, insbesondere in der Industrie und insbesondere außerhalb Europas habe Deutschland spürbar an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die absehbar protektionistischer werdende US-Handelspolitik unter dem Präsidenten Donald Trump dürfte vor allem die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft treffen. Das DIW erwartet allerdings nicht, dass Trump alle Drohungen wahrmacht. Er werde wohl die von Vorgänger Joe Biden ausgesetzten Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Europäischen Union wieder einsetzen und den durchschnittlichen Zollsatz für Warenimporte aus China auf 30% erhöhen. „Viele Ankündigungen werden wohl eher als Druckmittel in bilateralen Verhandlungen dienen“, heißt es beim DIW.

„Wegen der Hängepartie nach dem Koalitionsbruch dürften sich Unternehmen erst einmal mit Investitionen zurückhalten, bis der wirtschaftspolitische Kurs der künftigen Bundesregierung erkennbar ist“, erklärt das DIW die wohl nur schwache Belebung der Bau- und Ausrüstungsinvestitionen. „Leichte Wachstumsimpulse gehen von einer langsamen Erholung des privaten Konsums und der Baukonjunktur aus“, erklärt das Ifo. Die Exporte, so heißt es beim IfW, dürften wegen der nachlassenden Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr um fast 1% zurückgehen und erst 2026 wieder zulegen, und zwar um 1,8%.

Fast 40% der Unternehmen wollen Jobs streichen

Einig sind sich die Wirtschaftsforscher, dass sich die Inflation dem EZB-Ziel von 2,0% annähern wird. Auf den Arbeitsmarkt blicken sie hingegen mit gemischten Gefühlen: „Die schwache Nachfrage nach deutschen Waren lässt vorerst keinen Beschäftigungsaufbau erwarten. Gleichzeitig beklagt ein Großteil der Unternehmen einen Fachkräftemangel und versucht daher, ihre Beschäftigten länger zu halten als in früheren Schwächephasen.“ schreibt das RWI in seiner Prognose. Dass die Krise am Jobmarkt angekommen ist, zeigt auch eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW): 38% der mehr als 2.000 befragten Unternehmen wollen 2025 Stellen abbauen wohingegen nur 17% mehr Mitarbeiter einstellen wollen. „Die Beschäftigungsaussichten sind damit so schlecht wie seit der globalen Finanzkrise 2009 nicht mehr." Besserung ist dem IW zufolge nicht in Sicht, denn zwei von fünf Unternehmen erwarten für 2025 noch schlechtere Geschäfte wohingegen lediglich ein Fünftel eine Verbesserung erwartet. Das schwindende Vertrauen in den Standort zeige sich in den Investitionserwartungen: 40% der Befragten wollen weniger investieren, 23% planten mehr Investitionen ein.

Duale Ausbildung begehrt

Die Konjunkturschwäche zeigt sich auch in der Ausbildungsbilanz: Nach der Erholung der vergangenen Jahre von den starken Einbußen der Coronapandemie verzeichnet das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) für 2024 eine Stagnation. Im Berichtsjahr 2024 (Stichtag: 30. September) wurden bundesweit 486.700 duale Ausbildungsverträge neu abgeschlossen, das sind 0,5% weniger als im Vorjahr. „Vor allem in der Industrie schlagen die globalen Herausforderungen, vor denen Ausbildungsbetriebe stehen, am ehesten durch“, analysiert DIHK-Experte Nico Schönefeldt. Im Bereich der Industrie- und Handelskammern ergab sich ein Rückgang um 1,6%.

„Nach den leichten Zuwächsen der letzten Jahre (2021: +1,2 %, 2022: +0,4 %, 2023: +3,0 %), kam es 2024 somit erstmals wieder zu einem leichten Rückgang“, teilte das BIBB mit. Nach wie vor bestünden Schwierigkeiten, das Ausbildungsangebot der Betriebe und die Nachfrage der Jugendlichen zusammenzuführen. 2024 blieben insgesamt 69.400 Ausbildungsstellen unbesetzt, während 70.400 junge Menschen noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Positiv zu verzeichnen sei aber, so betont BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser, „dass die Nachfrage der Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach einer dualen Berufsausbildung weiter steigt“.

Ifo IfW DIW IWH RWI
2025 2026 2025 2026 2025 2026 2025 2026 2025 2026
BIP 0,4 0,8 0,0 0,9 0,2 1,2 0,4 1,3 0,6 1,3
Arbeitslosenquote 6,3 6,2 6,3 6,3 6,1 5,8 6,2 6,2 6,1 5,9
Inflationsrate 2,3 2,0 2,2 2,0 2,0 2,0 2,0 2,2 2,2 1,9
Finanzierungssaldo des Staates in % des BIP -2,0 -2,5 -1,9 -2,1 -2,1 -1,8 -2,0 -2,2 -2,0 -2,0
Leistungsbilanzsaldo in % des BIP 5,7 5,2 5,6 5,2 5,1 4,6 5,9 5,6 5,5 5,4
Eckwerte der Prognosen
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