Ampel-Koalition ringt um Instrumente zur Ankurbelung der Wirtschaft
Ampel-Koalition ringt um Instrumente zur Ankurbelung der Wirtschaft
SPD und Grüne gegen Abschaffung des Soli – Bundesfinanzminister Lindner lehnt neue Schuldenfonds ab
wf Berlin
Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags bekommt Gegenwind. Es müsse um Anreize für private und öffentliche Investitionen gehen, sagte die Co-Parteichefin der Grünen, Ricarda Lang, in Berlin in der Debatte über Instrumente zur Ankurbelung der Wirtschaft. "Eine Abschaffung des Soli würde das aus meiner Sicht nicht tun", stellte Lang fest. "Das würde vor allem einen Mitnahmeeffekt erzeugen." Sie vermisst auch einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung. Auch SPD-Co-Parteichefin Saskia Esken lehnt den Vorschlag ab. "Ich bin der Auffassung, dass wir diese (...) 30 Milliarden, die dann dort fehlen würden, dass wir die im Haushalt nirgends gegenfinanzieren können", sagte Esken in Berlin. "Insofern sehe ich die Tauglichkeit dieses Vorschlags nicht."
In der Debatte über die Stärkung der Wirtschaft hatte Lindner die Abschaffung des Soli angeregt. Der FDP-Politiker reagierte damit auf eine Idee seines Kabinettskollegen Robert Habeck (Grüne). Der Bundeswirtschaftsminister hatte am Donnerstag in der Haushaltsdebatte im Bundestag ein schuldenfinanziertes neues Sondervermögen vorgeschlagen, ähnlich dem für die Bundeswehr, aus dem Steuervergünstigungen und zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten finanziert werden könnten. Das im Vermittlungsausschuss gelandete Wachstumschancengesetz könne damit um den Faktor 10 bis 50 gesteigert werden, zeigt sich Habeck überzeugt. Der Vermittlungsausschuss verhandelt am 21. Februar über das Gesetz. Die Länder hatten es im Bundesrat angehalten, nachdem sie ihre Einwände nicht berücksichtigt gesehen hatten.
Hohe Beträge
Habeck nannte keinen konkreten Betrag für das Wirtschafts-Sondervermögen. Der Sonderfonds für die Bundeswehr umfasst 100 Mrd. Euro und soll bis 2027 reichen. Mit dem Wachstumschancengesetz soll die Wirtschaft unter anderem über eine Investitionsprämie um rund 7 Mrd. Euro jährlich entlastet werden – von 2025 bis 2028 summieren sich die jährlich schwankenden Beträge auf 32 Mrd. Euro. Der Solidaritätszuschlag wird seit 2021 nur noch von höheren Einkommen, vielen Selbständigen und Unternehmen gezahlt. 2020 wurden 90% der Steuerzahler entlastet. Die übrigen 10% schultern aber noch die Hälfte des bisherigen Aufkommens, das allein dem Bund zusteht. Laut Steuerschätzung vom vergangenen Herbst soll der Soli in diesem Jahr 12,3 Mrd. Euro in die Kasse des Bunds spülen. Bis 2028 steigt der Soli bis auf 14,5 Mrd. Euro, erwarten die Steuerschätzer. Mehr als die Hälfte davon tragen dem Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln zufolge Firmen und Selbständige.
Lindner gegen Sonderfonds
Lindner war von dem Vorschlag Habecks offensichtlich überrascht worden. "Wegen mir hätte es diese Rede im Bundestag nicht geben müssen", sagt Lindner am Sonntag im ARD-Bericht aus Berlin. "Das hätten wir auch anders miteinander besprechen können." Zugleich signalisierte er, mit Habeck etwas Konstruktives aus der Debatte machen zu wollen. Ein Sondervermögen lehnt Lindner indessen mit Blick auf die Belastung aus neuen Schulden ab. Der Bund gibt in diesem Jahr ungefähr so viele Zinsen, wie er mit 39 Mrd. Euro an neuen Krediten aufnimmt.
Mit dem Abschluss der Etatberatung am Freitag nimmt die Vorbereitung für den neuen Bundeshaushalt an Fahrt auf. Nachdem die Ampel-Koalition nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für 2024 ein Loch von 17 Mrd. Euro stopfen musste, sieht es für 2025 nicht viel besser aus. Die Spekulationen für die Lücke im kommenden Jahr rangieren zwischen 15 und 25 Mrd. Euro. Zudem fehlen durch das Karlsruher Urteil 15 Mrd. Euro, die aus dem Sondervermögen Klima und Transformationsfonds eingeplant waren. Die Schuldenbremse soll dem Bund nach Informationen des "Spiegel" 2025 eine Nettokreditaufnahme von 14,6 Mrd. Euro erlauben. In der mittelfristigen Finanzplanung waren noch 16 Mrd. Euro angesetzt.
Neue Einnahmequellen
Mehr Licht wird die Steuerschätzung im Mai für die Einnahmeseite liefern. Neben den Steuereinnahmen haben sich die sogenannten "sonstigen Einnahmen" zu einer beträchtlichen zusätzlichen Finanzquelle entwickelt. Während diese Münz- und Verwaltungseinnahmen in den vergangenen Jahren stets bei rund 30 Mrd. Euro lagen, stiegen sie in diesem Jahr auf rund 50 Mrd. Euro. Dies geht unter anderem auf um 7 Mrd. Euro höhere Mauteinnahmen zurück. Aus der kreditfinanzierten Recovery and Resilience Facility der EU fließen Deutschland in diesem Jahr rund 13 Mrd. Euro zu.