Bruegel-Studie

Berlin droht Konflikt mit EU-Schuldenregeln

Die einflussreiche Denkfabrik Bruegel warnt vor der Unvereinbarkeit der von Schwarz-Rot initiierten Finanzpakete mit den EU-Vorgaben.

Berlin droht Konflikt mit EU-Schuldenregeln

Berlin droht Konflikt mit EU-Schuldenregeln

Studie warnt vor Unvereinbarkeit des 500-Milliarden-Infrastrukturfonds mit Stabilitätspakt

ahe/fed Berlin/Brüssel

Die Bundesregierung muss sich auf Diskussionen im Zuge der haushaltspolitischen Überwachung der EU einstellen. Denn die von der schwarz-roten Koalition geplanten, umfangreichen Zusatzausgaben für Infrastrukturvorhaben und Klimaschutz kollidieren nach Einschätzung der Brüsseler Denkfabrik Bruegel mit den europäischen Schuldenregeln.

Der Bundestag hatte am 18. März – noch in seiner alten Zusammensetzung – grünes Licht für ein Billionen-Paket gegeben. Es sieht eine weitgehende Aussetzung der deutschen Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben vor sowie ein neues Sondervermögen für die Modernisierung der Infrastruktur im Volumen von 500 Mrd. Euro. Dieses Geld steht für die nächsten zwölf Jahre bereit. Den dafür erforderlichen Verfassungsänderungen hatte der Bundesrat mit einer Zweidrittel-Mehrheit zugestimmt.

Wenig Spielraum für mehr Infrastrukturausgaben

„Was aus Sicht der Aufrüstung und der Infrastruktur wie eine gute Nachricht aussieht, steht bei näherer Betrachtung im Widerspruch zu den Haushaltsregeln der Europäischen Union“, lautet die zentrale These der Bruegel-Studie. Die Verfasser der Studie, Jeromin Zettelmeyer und Armin Steinbach, heben hervor, dass die fiskalischen Regeln der EU selbst in optimistischen Szenarien die Ausgaben des deutschen Staates auf föderaler und subföderaler Ebene begrenzten. „Unter realistischen Annahmen zu den Verteidigungsausgaben wird es keinen Spielraum mehr für die Nutzung des neuen Infrastrukturfonds geben“, lautet das Fazit.

Darüber hinaus erkennt Bruegel potenzielle Probleme auch bei den Verteidigungsinvestitionen. Denn auch hier könne die Bundesregierung nicht freihändig agieren, selbst wenn sie die nationale Ausweichklausel vom Stabilitätspakt beantrage, hieß es.

Ruf nach erneuter Reform

Im Zentrum der Argumentation steht, dass die EU-Kommission im Falle einer deutlich über die 60%-Marke hinausschießenden Schuldenquote eines Landes auf den schrittweisen Abbau von Schulden pocht und deshalb die haushaltspolitischen Spielräume beschränkt, insbesondere, wenn das Wachstum schwächelt. Bruegel spricht sich für eine umfassende Reform der Schuldenregeln aus, obwohl die EU gerade erst eine abgeschlossen hat. Denkbar wäre, von der EU genehmigte Erhöhungen der Infrastrukturausgaben bis zu einer bestimmten Grenze von der Anwendung der Regeln auszunehmen oder den Schuldenstand-Referenzwert von 60% auf 90% anzuheben.

Aber nicht alle sind überzeugt, dass erneute Anpassungen an den Regeln der Europäischen Union wirklich nötig sind. So gehen in der scheidenden Bundesregierung Experten im Finanz- als auch im Wirtschaftsministerium davon aus, dass die zusätzlichen Milliarden-Investitionen mit den EU-Fiskalregeln in Übereinstimmung gebracht werden können. Dies bestätigte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag bei der Vorlage der neuen Konjunkturprognose noch einmal. Er verwies darauf, dass die Antwort auf die Frage davon abhänge, ob das zusätzliche Geld das Potenzialwachstum in Deutschland verbessere. Denn in den neuen Brüsseler Schuldenregeln stünden ja nicht mehr die Defizitzahlen, sondern vielmehr die Schuldentragfähigkeitsanalysen im Fokus.

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