Berlin schichtet Projektgelder um
Von Angela Wefers, Berlin
Ein gewisses Tempo hatte die Bundesregierungen beim Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) vorgelegt, um als vorbildliche Europäer dazustehen. Schon im Dezember 2020 behandelte das Kabinett einen ersten Entwurf des DARP. Ende April beschloss die Ministerrunde samt Kanzlerin die endgültige Fassung, die diese Woche an den Haushaltsauschuss des Bundestags ging. Rund 25 Mrd. Euro an Zuschuss aus der europäischen Fazilität stehen Deutschland zu. Vorbildlich empfand sich Berlin auch in der Aufteilung der Mittel, die dem Geist der europäischen Vereinbarung nach in Zukunftsprojekte fließen und nicht Löcher der Vergangenheit stopfen sollen. Die Vorgabe, mindestens 37% der Ausgaben für den „ökologischen Wandel“ und mindestens 20% in den „digitalen Wandel“ zu stecken, wird im DARP übererfüllt. Auf mehr als 1200 Seiten sind die Einzelprojekte aufgelistet.
Rund 40% sind in Deutschland für Klimaschutz und die Energiewende eingeplant – konkret für die Dekarbonisierung besonders durch grünen Wasserstoff, Mobilität sowie Sanieren und Bauen. So wird der Kauf von elektrisch angetriebenen Pkw, Bussen und Schienenfahrzeugen gefördert und die Ladesäuleninfrastruktur ausgebaut. Ein Bundesprogramm fördert den Um- und Neubau zu energieeffizienten privaten und öffentlichen Bauten.
Nötige Digitalisierung
Mehr als die Hälfte der zu verausgabenden Mittel tragen der Bundesregierung zufolge zum digitalen Wandel bei. Auf Digitalisierung von Wirtschaft und Infrastruktur entfällt ein Anteil von gut 21%. Dazu gehört auch der Teil, Daten als Rohstoff der Zukunft zu behandeln. Vorangetrieben wird mit dem DARP die Digitalisierung der Schiene. Alte Technik in Stellwerken und Bahnübergängen wird durch digitale Sicherungsanlagen erneuert. Mit dem Investitionsprogramm Fahrzeughersteller/Zulieferindustrie fördert Berlin Investitionen sowie Forschung und Entwicklung in neue Produktionsanlagen und Industrie 4.0. In die Digitalisierung der Bildung fließen rund 5% der Mittel, in die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und den Abbau von Investitionshemmnissen rund 12,5%. Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren für öffentliche und private Investitionen sollen verbessert und mit dem Onlinezugangsgesetz ein digitales Verwaltungsangebot in ganz Deutschland geschaffen werden. Weitere gut 16% sollen das Gesundheitssystem für eine nächste Pandemie aufrüsten. Knapp 5% stärken die soziale Teilhabe, etwa durch mehr Kinderbetreuungsangebot, gesicherte Ausbildungsplätze und Hilfen gegen Lernrückstände der Schüler durch die Coronakrise.
Geringer Stimulus
Der konjunkturelle Stimulus des Programms ist in Deutschland gering, da die Ausgaben unter 1% des Bruttoinlandsprodukts liegen und die Mittel zu einem erheblichen Teil Projekten zugewiesen worden sind, die zuvor schon in anderen Programmen vorhanden waren. Dies konstatierte der Sachverständigenrat für Wirtschaft in seiner Stellungnahme zum DARP. Gleichwohl sollten die Investitionen zügig umgesetzt werden, um nicht prozyklisch zu wirken, empfiehlt der Rat. Bei den Klimazielen und der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft mahnen die fünf Wirtschaftsweisen grundlegende Reformen zur Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen an: Eine ambitioniertere Reformagenda Deutschlands könnte anderer Mitgliedsländer bestärken, ihrerseits Reformen umzusetzen.
Wenig vorbildlich, was den Reformeifer betrifft, verhält sich Deutschland auch mit Blick auf die länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission. Darin wird etwa eine Rentenreform und eine Reform des steuerlichen Ehegattensplittings angemahnt. Darüber wird aber in Deutschland nicht einmal ernsthaft diskutiert. Gerade die Deutschen, die sich von dem europäischen Programm auch einen Hebel für Strukturreformen in wenig reformfreudigen EU-Mitgliedsländern versprochen haben, müssen sich dafür nun den Spiegel vorhalten lassen.