Borne übersteht Misstrauensanträge
wü Paris
Frankreichs Regierung ist nur knapp einem Misstrauensvotum entgangen, nachdem sie die Rentenreform ohne Abstimmung der Nationalversammlung auf den Weg gebracht hat. Für einen von Zentrumspolitikern eingereichten Misstrauensantrag, der auch von Vertretern des Linksbündnisses Nupes (La France Insoumise, Sozialisten und Grüne) unterstützt wurde, fehlten neun Stimmen. 278 Abgeordnete der Assemblée Nationale stimmten Montagabend dafür. Um die Regierung von Premierministerin Élisabeth Borne stürzen zu können, hätten die Gegner von Präsident Emmanuel Macron die Unterstützung von mindestens 287 der 577 Abgeordneten benötigt. Ein zweiter Misstrauensantrag des rechtsextremen Rassemblement National (RN) verfehlte ebenfalls die erforderliche Mehrheit. Der RN hatte vor der Auszählung angekündigt, den Verfassungsrat einzuschalten, sollte sein Misstrauensantrag scheitern.
Seit die Regierung am Donnerstag von Artikel 49.3 Gebrauch gemacht hatte, um die von Macron gewünschte Rentenreform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung zu verabschieden, kommt es in Frankreich jeden Tag zu teilweise von gewalttätigen Ausschreitungen begleiteten Protesten. Zudem werden sechs der landesweit sieben Raffinerien bestreikt und einige sogar komplett blockiert. Mehreren Tankstellen ist deshalb bereits der Kraftstoff ausgegangen. Deshalb begrenzen einige von ihnen jetzt die Menge, die Autofahrer dort tanken dürfen.
Die acht wichtigsten Gewerkschaften des Landes haben für Donnerstag zu einem neuen Protesttag aufgerufen. Laut einer am Montag von dem Nachrichtensender BFMTV veröffentlichten Umfrage können sie sich inzwischen einer stärkeren Unterstützung der Bevölkerung sicher sein. Demnach ist die Zahl der Franzosen, die Streiks und Blockaden gegen die Rentenreform befürworten, um 4 Prozentpunkte auf 58% gestiegen. Bei den Wählern der linkspopulistischen Partei La France Insoumise beträgt der Anteil der Befürworter sogar 88%, bei denen des rechtsextremen Rassemblement National (RN) 68%. Gleichzeitig ist die Popularität von Präsident Macron auf den niedrigsten Stand seit den Gelbwesten-Protesten im Winter 2018/19 gefallen.
Die Spannungen im Zusammenhang mit der Rentenreform dürften sich jedoch nur vorübergehend von einem Quartal aufs andere auf die Konjunktur der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone auswirken, meint Olivier Garnier, der Chefökonom der Banque de France. Sie hat Montag ihre Wachstumsprognose für Frankreich für das laufende Jahr angehoben. Statt 0,3% erwartet sie nun, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 0,6% zulegen wird. Gleichzeitig dürfte sich die Inflation etwas abschwächen. Die Banque de France geht nun davon aus, dass sie in diesem Jahr 5,4% betragen wird und nicht 6% wie bisher angenommen.