China zieht mit gestärkter Konjunktur in den Handelsstreit
China zieht mit gestärkter Konjunktur in den Handelsstreit
BIP wächst mit 5,4 Prozent kräftiger als erwartet – Konsumanreize finden Resonanz – Wohnungspreisverfall fast gestoppt
Chinas erste Konjunkturdatenvorlage nach der Eskalation des Handelskonflikts mit den USA bringt etwas Entlastung. Die weltweit zweitgrößte Wirtschaft ist im ersten Quartal mit 5,4% Wachstum zum Vorjahr überraschend stark vorangekommen. Damit wird das Tempo vom Dezemberquartal gehalten. Die Konsensschätzung der Analysten bei 5,2% hatte eine leichte Entschleunigung erwarten lassen.
Einzelhandel zieht deutlich an
Bei den am Mittwoch parallel veröffentlichten Wirtschaftsdaten für März ragt ein unerwartet kräftiges Wachstum der Industrieproduktion um 7,7% nach 5,9 % in den ersten beiden Monaten hervor. Auch sieht man eine deutliche Belebung der Einzelhandelsumsätze. Sie kletterten zuletzt um 5,9% gegenüber Vorjahr, nach zuvor nur 4%. Damit scheinen Konsumförderungsmaßnahmen via Verbrauchersubventionen für Elektroautos, Konsumelektronik und andere Haushaltsgeräte zunächst gute Wirkung zu zeigen.
Puffer beim Wachstumsziel
Mit der jüngsten BIP-Expansionsrate liegt man über dem offiziellen Wachstumsziel der Regierung, das trotz absehbar massiver handelspolitischer Herausforderungen erneut auf der ambitionierten Marke von 5% liegt. Im Zuge der noch strammen Expansion des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den ersten Monaten des Jahres wird ein hoch willkommener Puffer geschaffen. Er droht allerdings rasch aufgebraucht zu werden.
Noch brummt der Export
Der im April massiv aufgeschaukelte Handelsstreit zwischen China und den USA lässt auf Basis der extremen Höhe von US-Strafzöllen auf chinesische Produkte von bis zu 145% und chinesischen Gegenzöllen von 125% eine schwere Beeinträchtigung des chinesischen Außenhandels erwarten. Dieser hatte sich im vergangenen Jahr als wesentlicher Zugfaktor erwiesen, und Chinas Wachstum maßgeblich abgestützt. Noch ist die Exportmaschinerie intakt. Chinas Ausfuhren bäumte sich vor allem wegen Vorzieheffekten in Erwartung des Zollschocks im März noch einmal kräftig auf.
Anreizprogramme
Trotz positiver Nachrichten vom Einzelhandel äußern sich Analysten skeptisch zu den Aussichten einer nachhaltigen Konsumanregung. Die im Januar nochmals gesteigerten Verbraucheranreize haben zu einer ermutigenden Absatzbelebung bei langlebigeren Haushaltsgütern geführt, doch lässt sich der Schub durch Anreize für vorgezogene Produktkäufe kaum dauerhaft aufrechterhalten.
Düstere Prognose
Auch auf Ebene der Produktion dürften Vorzieheffekte, die in der Exportindustrie ihren Niederschlag finden, eine tragende Rolle gespielt haben. Eine Fortsetzung des Zollstreits auf dem jetzigen Niveau dürfte in den kommenden Monaten heftige Schwungverluste bringen. In den vergangenen Tagen hatten China-Ökonomen ihre Wachstumsprognosen für 2025 nochmals deutlich zurückgeschraubt. Die niedrigste Schätzung kommt seitens der UBS. Im Falle anhaltend hoher Strafzölle und andauernder Handelsdisruption wird eine Ermäßigung des BIP-Wachstums auf bis zu 3,4% für möglich gehalten.
Stabilere Wohnungspreise
Am Immobilienmarkt gibt es einen kleinen Lichtblick. Von Februar auf März haben sich die durchschnittlichen Wohnungspreise nur noch um 0,08% ermäßigt. Der Wert von Zweitwohnungen sank um 0,23%, der geringste Abstieg seit zwei Jahren. Eine Stabilisierung der Wohnungspreise gilt als wichtige Voraussetzung für eine Stärkung des Verbrauchersentiments. Aufgrund stark sinkender Investitionen und schleppender Wohnungsverkäufe zeitigt der Immobilienmarkt aber weiterhin konjunkturelle Bremseffekte.
Zinslockerung in Aussicht
Die Hoffnungen der Marktteilnehmer liegen nun bei nochmals gesteigerten fiskalischen Impulsen zur Stärkung der Binnennachfrage und Anlageinvestitionen. Zudem rechnen sie mit monetären Lockerungsschritten, darunter eine Senkung der Leitzinsen im Ausmaß von 20 bis 40 Basispunkten. Nach einer Lockerungsrunde im Oktober hat sich Peking mit Blick auf die Schwächetendenz des chinesischen Yuan und damit verbundenen Kapitalabwanderungsgefahren mit weiteren Zinsmaßnahmen zurückgehalten.
Skepsis im Markt
Trotz der guten Zahlenvorlage sah man am Mittwoch überwiegend negative Marktreaktionen. Der Leitindex für die Festlandbörsen CSI 300 kürzte um 0,9% ein, in Hongkong verlor der Hang Seng Index deutlicher um 1,9%. Zum einen kommt neue Skepsis auf, ob Chinas Wirtschaftslenker angesichts der noch intakten Wirtschaftsdaten tatsächlich frühe und energische Stimulierungsmaßnahmen lostreten. Zum anderen belasteten neue Restriktionen der US-Administration für den Export von Halbleitern des Chipentwicklers Nvidia nach China das Sentiment.