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Deutsche Wirtschaft gerät bei KI ins Hintertreffen

Zwar nimmt auch in Deutschland die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) in den Unternehmen deutlich zu, doch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt die heimische Wirtschaft zurück: Die Manager sind skeptischer, die Mitarbeiter sorgenvoller und die KI-Trainings sind kaum existent.

Deutsche Wirtschaft gerät bei KI ins Hintertreffen

Deutsche Wirtschaft läuft der KI hinterher

Unternehmen in anderen europäischen Ländern gehen offensiver bei der Integration der neuen Technik vor

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Zwar nimmt auch in Deutschland die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) in den Unternehmen deutlich zu. Doch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt die heimische Wirtschaft zurück, die Manager sind skeptischer, die Mitarbeiter sorgenvoller und die KI-Trainings sind kaum existent.

Die Anwendung der künstlichen Intelligenz (KI) in Unternehmen und der Umgang mit der neuen Technologie unterscheidet sich innerhalb der europäischen Länder deutlich: Während man in Deutschland vergleichsweise zaghaft an die KI-Integration herangeht und sowohl im Management als auch unter den Mitarbeitern offenbar noch Berührungsängste vorhanden sind, gehen etwa die Schweiz, Spanien und Belgien viel forscher an das Thema heran und sind auch bei der Nutzung schon viel weiter, wie eine Umfrage der Unternehmensberatung EY zeigt.

Danach hat in Deutschland zwar ein Großteil der Angestellten privat wie beruflich schon mit KI und ChatGPT experimentiert, doch die Unternehmen hierzulande legen ihren Angestellten offenbar vielfach Fesseln an. Während etwa 63% der leitenden Angestellten in Spanien darlegen, dass sie KI-Anwendungen in ihrer Firma nutzen, sind es in Deutschland nur 42%. Der Durchschnitt in Europa liegt hier bei 52%. Und während 45% der europäischen Unternehmen zudem angegeben haben, konkrete KI-Anwendungen bereits erfolgreich einzusetzen, liegt dieser Anteil in Deutschland mit 34% deutlich darunter.

Kernanliegen der Unternehmen beim Einsatz von KI ist letztlich die Steigerung von Produktivität und Profitabilität. Auch hier liegen etwa Spanien und die Schweiz vorn und geben an, dass KI geholfen hat, Kosten einzusparen und Gewinne zu steigern; in Deutschland sind es deutlich weniger Unternehmen. Heimische Firmen bieten ihren Mitarbeitern auch viel zurückhaltender Weiterbildungs- und Schulungsmöglichkeiten in Sachen KI an als die Unternehmen in anderen Ländern, wie EY dokumentiert. Womöglich schwingt dabei auch die Angst mit, dass Arbeitsplätze durch KI ersetzt werden.

Letzteres kommt auch in einer Umfrage von Allianz Trade zum Ausdruck. Der Kreditversicherer hatte 6.000 Personen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Polen und Spanien befragt. Nur 35% der Befragten gehen davon aus, dass durch KI mehr Arbeitsplätze entstehen. 47% hingegen rechnen mit Arbeitsplatzverlusten. „Die Bevölkerung in vielen europäischen Ländern ist von dem schnellen Umbruch verunsichert und in der Folge skeptisch“, sagt Arne Holzhausen, Leiter Versicherung, Vermögen und ESG bei Allianz Research.

Spaltung des Arbeitsmarkts

Noch größer als die Angst um Arbeitsplätze ist laut der Erhebung die Sorge um eine zunehmende Ungleichheit. So glauben 53% der befragten Deutschen, dass mit der weiteren Verbreitung von KI die Gebildeten und Intelligenten immer schlauer würden, während der Rest zurückbleibe. Nur ein Viertel der Befragten zeigte sich demnach optimistisch. Im Gesamtschnitt aller sechs Länder lägen die Werte bei 51% zu 21%. Generell sähen die Menschen in diesen Ländern mehr Risiken als Chancen bei der KI – und zwar mit 36% zu 21%.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt nach Ansicht von Holzhausen aber eher nicht darin, Mitarbeiter durch KI-Tools zu ersetzen, sondern „KI zur Ergänzung und Erweiterung ihrer Fähigkeiten einzusetzen“. Dies erfordere jedoch massive Investitionen in Umschulungen, Weiterbildung und die Vorbereitung der Beschäftigten auf neue Arbeitsformen. Angesichts des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels könnte die KI nach Meinung von Holzhausen insofern sogar zu einem Glücksfall werden.

Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts haben in Deutschland inzwischen 27% KI-Technologie bereits im Einsatz, und 17,5% würden diese planen, 34,3% würden die Anwendung diskutieren. „Die Entwicklung wird sich vermutlich noch beschleunigen“, sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. „Die Firmen erwarten, dass der Einsatz von KI ihre Produktivität um mehr als 10% erhöht.“ Für rund jedes fünfte Unternehmen sei KI gegenwärtig jedoch noch kein Thema.

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